Anleitung für Gründer:

In fünf Schritten zum Lean Startup

26/09/2016
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Immer wieder negatives Feedback zu bekommen, kann für Gründer und ihr Team zermürbend sein. Außerdem sollen die Feedback-Kreisläufe möglichst kurz gehalten werden, damit schnelles Lernen möglich ist. Dazu ist viel Arbeit nötig, und jedes Unternehmen muss eine Balance finden, um gleichzeitig schnell zu lernen und das Team nicht auszubrennen.

Aufgabe des Gründers ist es unter anderem, die Motivation hoch zu halten. Wenn ein Team ständig unter Hochdruck daran arbeitet, ein Produkt zu verbessern und neue Features einzubauen, kann das die Stimmung drücken, vor allem, wenn alles ständig wieder verworfen wird. Für das gesamte Unternehmen ist es deshalb wichtig, dass die Vision, die hinter der Arbeit steht, transparent ist und felsenfest steht.

Und auch die Lean-Methode sollte klar kommuniziert werden, damit jeder Mitarbeiter versteht, wofür und in welchem Umfeld er arbeitet. Welche Schritte auf dem Weg zum Lean Startup zu tun sind, wie man sich einen Überblick über das Geschäftsmodell verschafft, woher Kundenfeedback kommt und wie man dieses Feedback richtig interpretiert, haben wir in fünf Schritten zusammengestellt.

Auf das Wesentliche konzentriert: mit neun Kästchen effektiv und bündig den Businessplan zusammenfassen

Um den ersten Kreislauf mit Build, Measure und Learn zu planen und sinnvolle erste Schritte zu gehen, ist Klarheit notwendig. Der Weg von der ersten Geschäftsidee zum erfolgreichen Geschäftsmodell ist nicht ganz einfach. Ash Maurya, Autor von „Running Lean“, hat mit Lean Canvas eine Methode entwickelt, mit der sich eine Idee in einem Geschäftsmodell festhalten lässt.

Auf einem DIN-A3-Bogen (siehe Bild oben) mit neun verschiedenen Kästchen können Gründer schnell, effektiv und bündig ihren ersten Businessplan zusammenfassen. Die vorgegebenen Felder reduzieren diesen Entwurf auf das Wesentliche.

In jedem der neun Bereiche müssen die Gründer kurze und präzise Aussagen zu einem bestimmten Thema machen. Das ist nicht leicht, hilft aber, künftige Entscheidungen schneller zu treffen. Durch die kompakte Darstellungsform lässt sich der Inhalt des Geschäftsmodells schnell erfassen. In jedem der neun Bereiche wird eine zentrale Frage beantwortet.

Die Bereiche müssen systematisch und in einer bestimmten Reihenfolge ausgefüllt werden. Auf Basis dieser Antworten lassen sich Idee und Geschäftsmodell bewerten und die Erfolgschancen einschätzen. Wenn diese Fragen beantwortet und der Plan positiv bewertet ist, kann die eigentliche Arbeit beginnen.

Sobald das Projekt läuft, sollte man sich Lean Canvas immer wieder vor Augen führen, um alle Fortschritte mit den geplanten Zielen abzugleichen.

2. Experimente vorbereiten

Richtig und falsch: der Weg zum Minimum Viabale Product

Das minimal-funktionale Produkt (englisch: minimum viable product, kurz: MVP) steht im Zentrum des Lean-Startup-Ansatzes. Es ist das gut vorbereitete Experiment, mit dem jedes Startup seine Hypothesen prüfen kann. Welche Annahmen getestet werden, sollte vor Entwicklung des MVP klar sein. Diese entscheiden darüber, welche Funktionen das Produkt erfüllen muss.

Für einige Hypothesen braucht es nicht einmal ein fertiges Produkt, sie lassen sich auch nach dem Prinzip „Fake it ’til you make it“ testen. Ein vorgetäuschtes Produkt funktioniert als Experiment genauso gut wie ein fertiges Produkt: Verkäufer können Services verkaufen, die noch nicht fertig sind, eine Engine, die später aus tausenden von Code-Zeilen besteht, kann anfangs manuell betrieben werden. Das Ergebnis, das der Kunde sieht, ist das gleiche.

3. Zuhören

Nicht jeder kann locker auf Menschen zugehen und sie nach ihrer Meinung fragen. Dann auch noch zu vermitteln, dass negatives Feedback willkommen ist, ist eine Herausforderung. In diesem Dialog ist der Entrepreneur ein Zuhörer und nimmt offen und dankbar an, was der Kunde ihm sagt. Es wird keinesfalls darüber diskutiert, ob der Kunde mit seinem Feedback Recht hat oder nicht. Wenn er das Produkt schlecht findet, ist das ebenso hinzunehmen wie Lob.

Solche Feedback-Gespräche können in fast jedem Kontext stattfinden. Man kann Menschen auf der Straße oder auf einer Party ansprechen, Messen und Events bieten einen professionelleren Rahmen, aber auch Feedback-Bögen sind eine gute Möglichkeit. Wenn es darum geht, viele Menschen intensiv zu befragen, sollte es eine Gegenleistung geben. Beispielsweise ein Gewinnspiel oder einen Gutschein für das eigene Produkt.

Eine der beliebtesten Methoden um herauszufinden, ob Kunden ein Produkt überhaupt nachfragen, ist der Smoke Test. Er funktioniert mittlerweile meist über eine Landingpage, die das Produkt erklärt, beispielsweise in einem Video. Auch Pre-order-Listen, Beta-Tests für Software, Anzeigenkampagnen, die auf die Landingpage führen, oder eine Crowdfunding-Kampagne sind gute Smoke Tests. An der Reaktion der Kunden ist messbar, ob es eine relevante Nachfrage gibt – wie viele Besucher tragen sich auf die Pre-order-Liste ein, melden sich für den Beta-Test an oder bestellen das Produkt? Wie viele Menschen klicken auf die Anzeige? Crowdfunding und Pre-order-Liste zeigen außerdem gleich, ob Kunden bereit sind, für das Produkt zu bezahlen.

4. Testen kommt vor Entwickeln

Es gibt diverse Tests, mit denen man feststellen kann, ob es sich überhaupt lohnt, das Minimum Viable Product zu bauen. Diese evaluieren, ob Menschen bereit sind, für ein bestimmtes Produkt Geld auszugeben.

4.1 A/B-Test

Ein Test, der bei der Entwicklung eines Produkts äußerst hilfreich sein kann, ist der A/B-Test, auch Split-Run-Test genannt. Hier werden Kunden gleichzeitig verschiedene Versionen des Produkts angeboten. Entsprechend der Verhaltensunterschiede der Kunden bei den unterschiedlichen Versionen, lassen sich Rückschlüsse auf die Auswirkungen der jeweiligen Versionen ziehen.

Diese Methode kommt ursprünglich aus dem Marketing. So werden beispielsweise je zwei unterschiedlich gestaltete Newsletter mit dem gleichen Inhalt an zwei Hälften einer Mailing-Liste geschickt. Aus den Öffnungsraten lässt sich erkennen, welche Version besser ankommt. Die Resultate von A/B-Tests zeigen, was Kunden sich wünschen und was sie entbehrlich finden.

4.2 Wizard of Oz versus Concierge

Zwei Methoden, die oft miteinander verwechselt werden, sind der Wizard-of-Oz- und der Concierge-Test. Auch diese Tests finden statt, noch bevor das Produkt gebaut wird. Der Wizard-of-Oz-Test prüft spezifische Lösungshypothesen während der Concierge-Test genutzt wird, um Ideen zu entwickeln.

Beim Wizard-of-Oz-Test wird quasi eine Fassade erstellt, die so wirkt, als würde das Produkt bereits existieren und funktionieren. Die Funktionen des Produkts werden dann aber händisch ausgeführt. Der Nutzer interagiert also mit einem System, das den Anschein macht, als sei es vollständig programmiert. Hinter dem System sitzt aber ein Mensch, der die Funktionen manuell kontrolliert.

Zappos hat sein Geschäftsmodell mit dieser Methode getestet und die Schuhe zu Beginn nach jeder Bestellung im Laden gekauft, statt einen Logistikapparat aufzubauen.

Der Concierge-Test wird am häufigsten für Dienstleistungs-Startups genutzt. Noch bevor in irgendeiner Form am Produkt gebastelt wird, versucht der Unternehmer, seinen Kunden davon zu überzeugen, für eine Leistung zu zahlen, die er komplett manuell ausführt.

Das Unternehmen Food On Your Table bietet wöchentliche Einkaufslisten und Rezepte, die von den Angeboten im Supermarkt des Kunden inspiriert sind. Bevor die Gründer mit der Produktentwicklung angefangen haben, sind sie in einen Supermarkt gegangen, haben Kunden interviewt und jemanden gefunden, an dem sie ihre Idee testen konnten. Sie besuchten die Kundin wöchentlich und brachten eine Einkaufsliste und Rezepte mit, die zu ihren Präferenzen und zu den aktuellen Angeboten in ihrem Supermarkt passten. Dafür erhielten sie knapp zehn Dollar in der Woche. Diesen Test machten sie über einen längeren Zeitraum mit unterschiedlichen Kunden, um Feedback zu sammeln und ihre Idee zu optimieren. Dann erst legten sie mit der Produktentwicklung los.

4.3 Das Interview

Das Gespräch mit Kunden ist eines der wichtigsten Test-Instrumente. Um dem Befragten aussagekräftige Antworten zu entlocken, hilft es, offene Fragen zu stellen, auf die er nicht mit Ja oder Nein antworten kann: „Wie gefällt dir unser Produkt?“ statt „Gefällt dir unser Produkt?” Karge Antworten werden meist spezifischer, wenn man nachhakt: „Was gefällt, was gefällt nicht?“ und die Frage, „Würdest du das Produkt weiterempfehlen?”, lässt noch etwas tiefer blicken.

Ein Produkt muss eine sehr gute Lösung für ein Problem bieten, wenn man es seinen Freunden empfehlen soll. Die Frage „Warum?” passt zu allen Fragestellungen und ist sehr mächtig, weil sie den Kunden dazu bringt, tiefere Einblicke in seine Bedürfnisse und Erwartungen zu gewähren. Genaue Verbesserungsvorschläge sollte man von seinen Kunden allerdings nicht erwarten. Auch wenn das Feedback negativ ausfällt, wissen die wenigsten, warum sie ein Produkt nicht anspricht.

5. Daten auswerten

Jede Statistik lässt sich durch die richtigen Kennzahlen und Analysen in die passende Richtung drehen. Lean Startups sind aber auf verlässliches Feedback angewiesen, um ihre Experimente auszuwerten. Deshalb müssen auch die eigenen Zahlen kritisch geprüft werden. Eric Ries warnt in seinem Buch vor der sogenannten Fassadenmetrik, die zwar schön aussieht, aber keine Antworten auf relevante Fragen gibt.

Wer tiefere Einblicke in seinen Markt erhalten will als durch die reine Analyse von Durchschnittswerten, teilt seine Kunden in Kohorten ein. Eine Kohorte ist eine Gruppe von Menschen, die sich ein oder mehrere Merkmale teilen. Das kann das Alter sein, die Herkunft, aber auch die Zugriffszeit oder der Exit-Punkt in der Customer Journey.

Welche Gruppen man einzeln analysiert, hängt von der Fragestellung ab. Die Analyse kann beispielsweise zeigen, ob Menschen die Website zu anderen Zeitpunkten verlassen, wenn sie auf unterschiedlichen Wegen auf die Website kamen oder ob Menschen verschiedenen Alters anders auf das Produkt reagieren. Die Möglichkeiten sind sehr weit, deswegen sollte jede Analyse von einer Hypothese getrieben sein. Sonst besteht die Gefahr, dass Kohorten und Daten willkürlich ausgewertet werden, ohne eine relevante Frage zu beantworten.