CSR:

Erfolgreich mit gutem Gewissen

07/05/2019
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Wenn man ein Unternehmen gründet, hat man eigentlich genug zu tun: ein Geschäftsmodell entwickeln, einen Businessplan erstellen, Investoren gewinnen, ein Team aufbauen, das Produkt optimieren, Kunden überzeugen. Bleibt da überhaupt Zeit, sich über Umweltfragen, CSR und soziale Verantwortung Gedanken zu machen?

„Es ist der ideale Zeitpunkt, das Thema Nachhaltigkeit mitzudenken“, meint Niels Christiansen, Gründer der Beratungsfirma Sustaineration in Nordfriesland. „Denn wenn man erst später damit beginnt, können unter Umständen aufwendige Transformationsprozesse notwendig werden.“

Es gibt Gründer, für die allein der gute Zweck ihrer Unternehmung im Vordergrund steht: Social Entrepreneure oder Sozialunternehmer. Sie gehen die gesellschaftlichen Herausforderungen mit innovativen Lösungen an. Dabei nutzen sie unternehmerische Instrumente, stellen jedoch die gesellschaftliche vor die finanzielle Rendite.

Warum CSR sich lohnt

Aber auch für „normale“, renditeorientierte Unternehmer, kann es sich durchaus in mehrfacher Hinsicht lohnen, nachhaltig zu wirtschaften oder soziale Verantwortung zu zeigen, Corporate Social Responsibility (CSR), wie es in der Sprache der Manager heißt. „Jedes Unternehmen verbraucht Ressourcen und hat negative Auswirkungen auf die Umwelt“, sagt Niels.

Zunächst geht es darum, sich darüber klar zu werden: Welche Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschen hat mein Geschäftsmodell? Orientieren kann man sich dabei an den drei Dimensionen von Corporate Social Responsibility (CSR): soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und ökologische Tragfähigkeit.

CSR: Freiwillig und doch ein Muss

Ganz grob kann man die Maßnahmen auch unterscheiden in solche, die vorgeschrieben sind, wie etwa gesetzliche Regeln zum Umweltschutz und zum Gesundheitsschutz von Mitarbeitern. Wer sie missachtet, muss juristische Konsequenzen befürchten. Das fängt bei den Arbeitszeiten der Mitarbeiter an und reicht bis hin zur Verpackung des Produktes.

Seit Anfang 2019 gilt zum Beispiel ein neues Gesetz, das die Verantwortung für Verpackungen neu regelt. Wer etwa im Online-Handel Verpackungen in Deutschland in Verkehr bringt, muss sich bereits zuvor darum kümmern, dass diese ordnungsgemäß entsorgt werden.

Dann gibt es Maßnahmen, die freiwillig sind, wie etwa, sich bei Projekten in der Nachbarschaft gesellschaftlich zu engagieren. Auch solche freiwilligen Aktivitäten können sich für ein Unternehmen durchaus lohnen, sind vielleicht sogar unerlässlich. Das gilt zum Beispiel dann, wenn es darum geht, Talente für sich zu begeistern.

Ob ein Gründer mit seinem Unternehmen erfolgreich ist oder nicht, hängt entscheidend davon ab, ob er die richtigen Leute hat. Je kleiner das Team, um so wichtiger ist jeder Einzelne. Das Jobportal Yourfirm hat 2017 eine Studie mit der Fragestellung in Auftrag gegeben, was die Generation Y bewegt, sich bei einem Arbeitgeber zu bewerben.

Ein zentrales Ergebnis der Studie „Catch the Millennial“: „Gerade höher qualifizierte Bewerber, die viele Auswahlmöglichkeiten bei der Arbeitgebersuche haben, berücksichtigen soziale CSR-Inhalte bei der Beurteilung der Arbeitgeberattraktivität.“ Die Arbeitswelt wird transparenter Umgekehrt haben Arbeitgeber, die auf dieses Engagement verzichten, unter einer hohen Fluktuation und hoher Unzufriedenheit unter ihren Mitarbeitern zu leiden. Das jedenfalls hat Niels beobachtet.

„ALS GRÜNDER GESTALTET MAN DIE ZUKUNFT. DIESER VERANTWORTUNG SOLLTE MAN SICH BEWUSST SEIN“ MARKUS SAUERHAMMER, SEND

Viele Unternehmen haben sich aus diesen Gründen an seine Beratungsfirma gewandt. „Nachhaltigkeit ist eine Möglichkeit, als Arbeitgeber attraktiver zu werden“, sagt Niels. Das sieht auch Markus Sauerhammer vom Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND) so. „Die Digitalisierung macht alles transparenter – auch die Arbeitswelt“, sagt Markus. „Als Gründer gestaltet man die Zukunft. Dieser Verantwortung sollte man sich bewusst sein. Das sehen auch viele Talente so, die sich ihren Arbeitgeber aussuchen können. Sie wollen die Welt bewegen und etwas Positives bewirken.“

Für Social Startups ist eine entsprechende Wirkungsanalyse unumgänglich. Dabei werden alle Maßnahmen daraufhin überprüft, welche Wirkung sie bei der Zielgruppe erreichen und welchen Impact sie auf die Gesellschaft haben. Für „normale“ Startups sei die Erstellung solch einer Wirkungsanalyse sehr aufwendig und werde bislang von klassischen Investoren oder der öffentlichen Hand nicht gefordert, sagt Markus. Dennoch ist auch er überzeugt, dass es sich lohnt, Nachhaltigkeit von Anfang an beim Unternehmensaufbau zu berücksichtigen.

Dafür gibt es inzwischen Hilfsmittel. Das Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit in Berlin etwa hat auf Basis des Business Model Canvas, eines der wohl meistgenutzten Werkzeuge zur Geschäftsmodellentwicklung, ein spezielles Instrument entwickelt, das eine nachhaltigkeitsorientierte Geschäftsmodellentwicklung ermöglicht: das Sustainable Business Canvas.

Es wurde auch als Online-Tool umgesetzt und steht auf dem Portal start-green.net zur Verfügung. „Das Werkzeug ist unkompliziert und führt zur Entwicklung eines sowohl ökonomisch als auch ökologisch und gesellschaftlich durchdachten Geschäftsmodells“, sagt Borderstep-Researcherin Yasmin Olteanu.

Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil

Auch sie hält Nachhaltigkeit für einen Wettbewerbsvorteil und kann das auch belegen. „Fachkräfte haben großes Interesse an jenen Startups, die sich nachhaltig aufstellen, weil sie dort Wirkung kreieren können“, sagt Yasmin. In Zusammenarbeit mit dem Bundesverband deutscher Startups wird das Borderstep Institut den Green Startup Monitor veröffentlichen.

Eines der Ergebnisse: Wer bei seinem Startup die Wirkung mitdenkt, hat es leichter, eine Finanzierung von der Crowd oder Family und Friends zu erhalten. Auch sind die Wachstumsziele von Green Startups nicht weniger ehrgeizig als bei anderen Startups. „Sie sehen Wachstum sogar weniger als eine Herausforderung an, vermutlich weil sie sich im Markt gut aufgestellt fühlen“, sagt Yasmin.

Leider spielt bei den meisten Förderprogrammen für Startups das Thema Nachhaltigkeit keine Rolle. Doch dies soll sich ändern. Das gerade gestartete Projekt „Nachhaltig gründen! – Sustainability als Erfolgsfaktor für alle Start-ups (Sustainability4All)“ soll eine „frühzeitige und dauerhafte Integration von Klimaschutz und weiteren Nachhaltigkeitsbelangen in neu gegründete, innovative Unternehmen anregen und durch praxisnahe Lösungsansätze ermöglichen“.

Ziel des Vorhabens ist es, dass 2.500 Startups zusätzliche Umweltschutzmaßnahmen ergreifen, die insgesamt zu einer Reduktion von Treibhausgasemissionen im Jahr 2021 von 77.500 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr führen. Auch der Bundesverband Deutsche Startups ist an dem Projekt Sustainability4All beteiligt. Björn Kaminski, Projektleiter Green Startups und Sustainability beim Bundesverband, ist überzeugt, „wer Nachhaltigkeit als Teil seiner Prozesse integriert, wird dafür mehr Vor- als Nachteile in seinem Business haben“.

Felder und Partner suchen Maßnahmen zum Umweltschutz und sozialen Engagement wirken dann besonders überzeugend, wenn sie auch eine Verbindung zum Unternehmensinhalt, zu seinen Mitarbeitern oder zu seiner Nachbarschaft haben. Oft sind es auch die Mitarbeiter, die bereits in sozialen oder Umweltprojekten engagiert sind und die diese Themen ins Unternehmen tragen.

Wenn das Unternehmen dieses Engagement unterstützt, gewinnt es doppelt: Zum einen ist es ein deutliches Zeichen der Anerkennung gegenüber den Mitarbeitern und es ist auch in der Außenwirkung überzeugend. Niels von Sustaineration nennt vier Handlungsfelder, die sich Startups vornehmen können: Umwelt, Soziales, Arbeitsplatz und Markt. Ein Startup, das zum Beispiel Produkte herstellt oder verkauft, sollte natürlich als Erstes seine eigene Lieferkette überprüfen.

  • Woher kommen meine Rohstoffe?
  • Wird dort nachhaltig gearbeitet?
  • Welche Arbeitsschutzbestimmungen gelten?
  • Werden die Arbeiter dort anständig bezahlt?

Buchtipp

„CSR muss keine Bürde sein“, heißt das Handbuch von Niels Christiansen, das auch kleinen und mittleren Firmen zeigt, wie sie Corporate Social Responsibility systematisch in ihrem Unternehmen verankern können. Das Buch gibt es bei fairmondo.de und kostet 26,90 Euro.

Beispiel Zalando: In der Vergangenheit hat der Berliner Online-Modehändler vor allem wegen der Arbeitsbedingungen in seinen Logistikzentren immer wieder in der Kritik gestanden. Zum Teil agierte das Management darauf sehr hilflos. Das hat sich geändert. „Inzwischen ist Zalando auf einem guten Weg in puncto Nachhaltigkeit. Natürlich lassen sich nicht alle Herausforderungen sofort lösen“, sagt Markus vom SEND.

2015 entwickelte Zalando eine Corporate-Responsibility-Strategie namens Do.Strategy. „Wir gehen Themen grundsätzlich sehr pragmatisch an. Genau so begegnen wir auch dem Thema Nachhaltigkeit“, beschreibt das Unternehmen seinen Ansatz. Fünf Bereiche hat Zalando in den Fokus genommen: Mitarbeiter, Lieferkette, Umwelt, Gesellschaft und Datenschutz.

Außerdem hat sich Zalando einen einschlägigen Partner gesucht, die Plattform „Fashion for Good“. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, die Modebranche vom linearen „take-make-waste“-Modell hin zu einem nachhaltigeren Kreislaufmodell zu führen. Fashion for Good hat dazu auch eine Innovationsplattform inklusive Accelerator aufgebaut, in dem die Branche innovative Startups unterstützen will, ein Good Fashion Fund ist in Planung.

„In den vergangenen Jahren haben wir unser Wissen über die Möglichkeiten und Grenzen unseres Einflusses vertieft, um die kritischen Auswirkungen unserer Unternehmenstätigkeit zu reduzieren und gleichzeitig die positiven zu erhöhen“, schreibt Zalando zum Thema Verantwortung und fügt hinzu: „Bei diesem Lernprozess gehen wir als junges Unternehmen derzeit unsere ersten, aber wichtigen Schritte.“

Auch Startups, die keine physischen Güter herstellen oder vertreiben, können auf ihre Zulieferer achten: Das beginnt bei der Wahl des Stromanbieters, geht über energiesparende Geräte im Büro, umweltschonende Büromaterialien, nachhaltiges Mobiliar und das Catering bis hin zur Wahl der richtigen Bank. Das Thema Recycling sollte ebenso eine Rolle spielen wie die Wahl der Reinigungsmittel.

Lesson Nine, Entwickler der Sprachlern-App Babbel, hat sich zum Beispiel entschieden, seinen Mitarbeitern Fahrräder zur Verfügung zu stellen – das nützt der Umwelt und verbessert die Fitness der Mitarbeiter. Eine Möglichkeit, Prozesse nachhaltig zu gestalten und dabei gleichzeitig das Startup-Ökosystem zu stärken, bieten wiederum Social und Green Startups, deren Unternehmenszweck die Nachhaltigkeit ist (Beispiele siehe Kasten). Hier gibt es auch Möglichkeiten, sich in der eigenen Nachbarschaft für soziale Projekte zu engagieren.

Der Umgang mit Mitarbeitern gehört ebenso zum Thema soziale Verantwortung – und ist, wie oben bereits beschrieben, ein zentrales Erfolgskriterium:

  • Wie zeige ich Wertschätzung gegenüber meinen Mitarbeitern?
  • Wie sorge ich für einen respektvollen Umgang im Team?
  • Biete ich ausreichend Entwicklungsmöglichkeiten und Weiterbildung an?
  • Wie sorge ich für faire Bezahlung und humane Arbeitszeiten?

All das sind Investitionen, die sich oft schon über geringe Fluktuation und hohe Motivation bezahlt machen. Nachhaltigkeit messen Startups sind in der Regel sehr stark von Daten getrieben. Oft ist es jedoch schwierig zu messen, welchen Effekt gut gemeinte Maßnahmen tatsächlich haben.

Sustainability4all

Ansprechpartner für Green Startups beim Startup-Bundesverband ist Björn Kaminski, der auch das Projekt Sustainability4all betreut. Der Verband organisiert im Rahmen seiner Green-Startups-Plattform Formate wie die Green Startups Lounge und den Pitch Marathon mit einer eigenen Sektion Green Technologies und setzt sich politisch für Green Startups ein. Zur Stärkung des Ökosystems arbeitet der Verband eng mit dem Borderstep Institut zusammen. Das Borderstep Institut informiert auf startgreen.net über Finanzierungsmöglichkeiten und bietet ein großes Online-Netzwerk.

Leitfaden zur Nachhaltigkeitsbewertung

Das Border-Institut hat einen Leitfaden zur Nachhaltigkeitsbewertung entwickelt. Er soll durch klare Kriterien und eine transparente Bewertung eine möglichst objektive und transparente Überprüfung des Nachhaltigkeitspotenzials liefern und dabei – so lautet das Versprechen – praktisch und flexibel anwendbar sein.

Denn viele Tools zur Bewertung nachhaltigen Wirtschaftens sind tatsächlich so umfangreich, dass sie für Startups in der Regel nicht praktikabel sind. Da gibt es zum Beispiel die Global Reporting Initiative (GRI), die Richtlinien für die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten von Großunternehmen entwickelt, oder das Global Impact Investing Network (GIIN), das mit IRIS einen Katalog allgemein anerkannter Leistungskennzahlen bietet, mit denen Investoren den sozialen, ökologischen und finanziellen Erfolg messen können.

In Deutschland hat der Rat für Nachhaltige Entwicklung den Nachhaltigkeitskodex aufgestellt. Der entsprechende Leitfaden hilft dabei, zu einem integrierten, glaubwürdigen Nachhaltigkeitsmanagement zu gelangen. Zwar richtet er sich ebenfalls vorwiegend an Großunternehmen, bietet dennoch eine interessante Lektüre für Einsteiger.

Wie viel (zusätzliche) Zeit und Ressourcen man in das Thema Nachhaltigkeit investieren muss, hängt natürlich sehr individuell vom Geschäftsmodell ab. „Bei einem Online-Handel für Textilien ist es weitaus komplexer, auf Umweltschutz und Sozialstandards zu achten als bei der Entwicklung einer App“, sagt Niels von Sustaineration.

Auch seine Beratungsfirma bietet mit dem CSR-Check ein Instrument an, mit dem Unternehmen ihre Ausgangssituation in Sachen Nachhaltigkeit erfassen können. Das sei eine ideale Grundlage, um die Umwelt- und Sozialverträglichkeit des Unternehmens schrittweise zu verbessern. Auch das Erreichen großer Ziele beginnt mit dem ersten Schritt.