Flip in die USA:

Steuertipps für Gründer (Teil 2)

31/01/2019
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Vorsicht bei strukturellen Veränderungen

Steuerthemen bei Startups treten typischerweise dann auf, wenn sich die Strukturen innerhalb des Startups verändern. Beispiele sind internationale Weg- oder Umzüge des Managements, Finanzierungsrunden, Exits ­– und im negativen Fall auch der Ausstieg eines Mitgründers. In diesen Fällen kann die Versteuerung des geschaffenen Unternehmenswerts oder eines Teils davon drohen. Tipps zu Gründeranteilen, zur Liquidationspräferenz und dem Flip in die USA.

Deshalb ist es sehr wichtig, sich vor einem solchen Ereignis bereits frühzeitig über die möglichen Steuerfolgen in Deutschland und bei einem international tätigen Unternehmen ggf. auch im Ausland zu informieren. Das ist lästig und kann teuer sein, es ist aber in jedem Falle billiger als der Eintritt des Worst Case!

1) Stichwort: Gründeranteile

Startups zahlen wegen ihrer Anlaufverluste in der Regel lange Zeit keine Gewinnsteuern und vor dem Start of Operations regelmäßig auch keine Umsatzsteuer. Allerdings ist die „Ruhe“ oft trügerisch. Denn die in den Finanzierungsrunden aufscheinende, aber in Bilanz und GuV noch nicht ablesbare Unternehmensbewertung mag bereits sehr hoch sein (die Differenz zwischen Bilanzbuchwert und der tatsächlichen Bewertung des Startups wird „stille Reserven“ genannt).

Daher sollten Gründer ihr Hauptaugenmerk dahin richten, dass die stillen Reserven nicht durch eine unüberlegte Maßnahme versteuert werden müssen. Dies gilt jedenfalls, solange die stillen Reserven noch nicht – wie zum Beispiel in einem Verkauf – in bar bezahlt werden. Einer der wichtigsten früh zu beachtenden Punkte ist, dass die Gründer die Anteile unter sich auch tatsächlich so verteilen, wie sie wirtschaftlich gehalten werden sollen. Und das ist bei erstaunlich vielen Startups nicht der Fall.

Die klassische Situation besteht etwa bei zwei Gründern, von denen einer etwas später dazukommt. Der zweite Gründer profiliert sich in der Mitarbeit und hat Sonderkompetenzen, sodass er z. B. mit 40 Prozent beteiligt werden soll. Aus irgendeinem Grund kommt es aber nie zur rechtlichen Übertragung der Anteile. Das fällt dann bei der nächsten Finanzierungsrunde auf, wenn die Unternehmensbewertung schon hoch ist. Wenn die wirtschaftliche Übertragung der Anteile jetzt nachgeholt wird, droht die Versteuerung des bereits gestiegenen Werts der „zu spät“ übertragenen Anteile und man muss überlegen, wie man das gewünschte Ergebnis dennoch steuerfrei erzielt.

Gründer sollten ihre Gründeranteile am Startup auch so gut wie immer von Anfang an über persönliche Holdinggesellschaften halten (Doppelstockmodell). Die Fälle, in denen dies gegenüber der Direktbeteiligung des Gründers nachteilhaft sein kann, sind selten; umgekehrt bietet das Doppelstockmodell aber regelmäßig unschätzbare Steuervorteile insbesondere im Exit. Die persönliche Holdinggesellschaft kann eine UG (haftungsbeschränkt) sein; dann benötigt der Gründer kein relevantes Kapital für ihre Gründung.

2) Stichwort: Liquidationspräferenz

In erster Linie minimieren Liquidationspräferenzen das Risiko für Investoren. Damit wird sichergestellt, dass der Investor beim Verkauf oder im schlimmsten Fall bei der Liquidation des Unternehmens zunächst „sein investiertes Geld zurückerhält“, bevor der Resterlös unter den Gesellschaftern nach Beteiligungshöhen verteilt wird.

Für den Gründer wäre es natürlich kommerziell besser, wenn eine Liquidationspräferenz unterbliebe, denn dann partizipierte er im Exit oder bei Liquidation in Höhe seiner Beteiligung vom ersten Euro an auch an den Mitteln, die der Investor ins Startup investiert hatte. Liquidationspräferenzen sind aber bei VC-Finanzierungen absolut üblich und haben auch steuerlich gewisse Vorteile. So lässt sich anhand der Liquidationspräferenz rechtssicher nachweisen, dass der Investor die Gründer durch seine – ja einseitig erfolgende – Investition ins Startup nicht in steuerlich erheblicher Weise bereichert.

3) Stichwort: Flip in die USA

Bestimmte Startups wollen sich den Investitionsmarkt in den USA erschließen. Doch um in einer frühen oder mittleren Phase überhaupt mit US-Investoren ins Gespräch zu kommen, braucht man als deutsches Startup regelmäßig eine amerikanische Hülle (bei dt. Unicorns ist das anders; hier nimmt der US-Investor die „Last“ auf sich, sich mit deutschem Gesellschaftsrecht vertraut zu machen). Hier zählt die Delaware Inc zu den am häufigsten genutzten Rechtsformen. Zu beachten ist hier, dass das Startup nach dem Flip in die USA aus zwei Rechtsträgern besteht, auch steuerlich.

Denn die ursprüngliche deutsche Gesellschaft, etwa eine GmbH, existiert als Tochtergesellschaft der neuen US-Gesellschaft weiter. Dies erhöht den Organisationsaufwand, insbesondere aber den rechtlichen und steuerlichen Beratungsaufwand deutlich. Der Flip will also kaufmännisch wohlüberlegt sein; und es sollte eine realistische Einschätzung erfolgen, ob der Vorteil des liquideren US-VC-Markts und der tendenziell höheren Bewertungen diese Nachteile aufwiegt.

Das Haupthindernis bei einem Flip in die USA ist jedoch, dass der Flip steuerlich wie eine Veräußerung im Exit gewertet wird. Je höher im Zeitpunkt des Flip die Unternehmensbewertung ist, desto höhere Steuern können anfallen. Deshalb ist ein Flip in die USA aus steuerlicher Sicht frühzeitig zu empfehlen, also wenn das Unternehmen noch niedriger bewertet ist. Hat das Start-up diesen Zeitpunkt verpasst und drohen zu hohe Steuern für die Gründer, sollte, falls eine US-Präsenz dennoch gewollt ist, eine Alternative zum klassischen Flip geprüft werden. Auch hierfür bestehen Möglichkeiten; zur Optimierung sollte man im Vorfeld mit Beratern auf beiden Seiten des Atlantiks sprechen.

Stefan Schultes- Schnitzlein

Stefan Schultes-Schnitz. Foto: Orrick
Stefan Schultes-Schnitzlein ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Partner bei Orrick. Seine Spezialgebiete sind US-Unternehmen in Deutschland, deutsche Unternehmen mit US-Bezug sowie Finanzierungsrunden und M&A von Startups. orrick.com