Laurin Hahn von Sono Motors:

„Wir wollen Elektromobilität für alle“

10/09/2017
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Laurin, wie kommt man auf die Idee, die deutsche Autoindustrie herauszufordern?

Laurin Hahn: Wir hatten einfach keine Lust mehr auf andere zu warten, sondern wollten das selbst in die Hand zu nehmen. Es war ganz klar, dass sich etwas ändern muss, weil bestimmte Dinge auf Dauer nicht funktionieren können – zum Beispiel endliche Ressourcen so zu nutzen, als wären sie unendlich.

Hat euch Tesla inspiriert?

Laurin Hahn: Wir haben unser Projekt Ende 2012 begonnen. Da kannte Tesla in Deutschland praktisch noch niemand. Überhaupt gab es kaum Elektroautos auf dem deutschen Markt. Jona und ich wollten wissen, warum das so lange dauert, und haben es einfach selbst probiert.

Was war die größte Hürde für euch?

Laurin Hahn: Das größte Hindernis ist man eigentlich immer selbst. Es ist dieses: ‚Ach, das schaffen wir ja nie, das Projekt ist einfach zu groß‘. Wir haben aber nicht lange darüber nachgedacht, sondern es einfach gemacht. Wir haben uns gesagt, wir versuchen es Schritt für Schritt. So gehen wir auch heute noch vor.

Der Sion: Fährt 140 km/h schnell und ist innerhalb von 30 Minuten zu 80 Prozent aufgeladen. (Foto: Raum11/Lennart Preiss)

Was habt ihr vorher gemacht?

Laurin Hahn: Da waren wir beide 18 und kurz noch auf der Schule. Wir haben dann angefangen zu studieren, nebenbei. Wir hatten aber bereits andere Gründungen, um das Projekt zu finanzieren. Natürlich brauchten wir Geld. Aber anfangs wollten wir niemandem von dem Projekt erzählen, nicht einmal unsere Familien wussten davon. Wir wollten uns erst selbst beweisen, dass es funktioniert. Unsere Vision war es, ein Elektrofahrzeug zu bauen, das wirklich alltagstauglich ist.

Was meinst du mit alltagstauglich?

Laurin Hahn: Wenn du jemand auf der Straße fragst, was er von Elektromobilität hält, dann hört man: ‚Elektroauto ist toll, das ist die Zukunft.‘ Aber dann kommen die drei großen Einschränkungen: der hohe Preis, die geringe Reichweite und die fehlende Ladeinfrastruktur. Also haben wir uns gefragt: Was müssen wir machen, um diese drei Punkte zu eliminieren? So kamen wir auf die Solarintegration, auf ein kleines Ladegerät, dass das Auto selbst zum Teil der Ladeinfrastruktur werden lässt, und auf ein kostengünstiges Modell für die breite Masse. Das ist ein ganz anderer Ansatz, als Tesla oder andere ihn haben. Wir wollen Elektromobilität nicht nur für die Oberklasse, sondern wir wollen Elektromobilität für alle – erschwinglich und alltagstauglich.

„Die deutschen Hersteller definieren sich über das Design. Das machen wir nicht. Wir entwickeln nur das neu, was unsere Alleinstellungsmerkmale sind“

Wer stellt das Auto her?

Laurin Hahn: Das ist noch nicht publik. Es ist ein namhafter Auftragsfertiger aus dem europäischen Raum.

Mit der Böllinger Group als Investor habt ihr mindestens einen Player aus der alten Automobilwelt schon von eurem Konzept überzeugt.

Laurin Hahn: Klar. Die Böllinger Group ist ein mittelständisches Unternehmen, das bei den Themen 3D-Druck und additive Fertigung Vorreiter ist. Das sind auch für uns wichtige Themen. Mit unserem Instandhaltungssystem namens Resono wollen wir den Kunden die Möglichkeit geben, bestimmte Teile des Fahrzeugs, die nicht sicherheits- oder zulassungsrelevant sind, im 3D-Drucker zu drucken. Dafür legen wir die CD-Daten offen. Wenn also zum Beispiel im Innenraum ein kleines Plastikteil abbricht, kann der Kunde das in 3D selbst drucken. Das bringt auch interessante Individualisierungsmöglichkeiten.

Wie habt ihr es geschafft, in der Entwicklung so schnell und bei dem Produkt so günstig zu sein?

Laurin Hahn: Das hat verschiedene Facetten. Die eine ist das Organisatorische: Die großen Automobilhersteller haben sehr lange Entscheidungsprozesse. Wir sind eine kleine Organisation, wir treffen Entscheidungen wesentlich schneller. Eine andere ist die Technik: Wir nutzen so viele Carry-over-Parts wie möglich, also Komponenten, die von Zulieferern bereits entwickelt wurden und dort frei nutzbar im Regal liegen. Diese Teile müssen wir nicht neu entwickeln und sie sind schon abgenommen. Die deutschen Hersteller definieren sich über das Design. Das machen wir nicht. Wir entwickeln nur das neu, was unsere Alleinstellungsmerkmale sind, also die Solarpanele und unser Instandhaltungssystem natürlich, aber so etwas wie Lenkrad oder Schalthebel nicht. Die dritte Facette ist das Team. Das Team hier ist der Wahnsinn. Es steht voll und ganz hinter dem Produkt.

Das Gründerteam von Sono Motors mit dem Sion (von links): Jona Christians, Navina Pernsteiner und Laurin Hahn (Foto: Raum11/Lennart Preiss)

Wie groß ist das Team?

Laurin Hahn: Im Kern sind das 22 Mitarbeiter. Wir bauen das Team so auf, dass es vor allen Steuerungsfunktionen übernimmt – für Zulieferer und Auftragsfertiger zum Beispiel. Deswegen müssen wir keine 1000 Leute einstellen, um ein Fahrzeug zu entwickeln. Wir sind eine sehr kleine, kompakte Einheit. Insgesamt arbeiten am Projekt aber mittlerweile mehr als 100 Leute.

Aber die Solarpanele kommen von euch?

Laurin Hahn: Ja, das ist unsere eigene Entwicklung. Aber bei der Herstellung arbeiten wir ebenfalls mit Partnern zusammen. Sonst hätten wir einen sehr hohen Kapitalbedarf und müssten auch das Team entsprechend größer aufstellen. So aber bleiben wir sehr schlank, effizient und schnell.

Kauft in Deutschland jemand ein Auto, das nur 140 Stundenkilometer fährt?

Laurin Hahn: Definitiv. Das Feedback ist unglaublich. Wir haben bereits 1700 Vorbestellungen. 5000 müssen wir erreichen. Wir machen 7000 Probefahrten in zwölf Städten in Europa und sind in den meisten Städten schon ausgebucht. Es ist ja auch gerade die richtige Zeit. Es wird über Diesel-Fahrverbote gesprochen und, und, und. Die Leute fangen jetzt ernsthaft an, über den Kauf eines Elektroautos nachzudenken. Aber es muss alles stimmen: Es gibt leider immer noch Elektrofahrzeuge – auch von großen Herstellern – da draußen, die bestimmte Themen nicht berücksichtigten.

Welche meinst du?

Laurin Hahn: Es ist zum Beispiel ganz wichtig, eine Schnellladefunktion zu haben, damit die Batterie in kürzester Zeit wieder voll ist. Der Sion ist innerhalb von 30 Minuten zu 80 Prozent aufgeladen. Ich kann also auch mal l.ngere Strecken wie München-Berlin fahren – mit einer halben Stunde Pinkelpause. Das funktioniert.

„Ein Pendler, der am Tag zehn Kilometer zur Arbeit und zehn Kilometer zurück fährt, hat mit dem Sion ein Auto, das über mehrere Monate autark sein kann“

Wer soll euer Auto kaufen?

Laurin Hahn: Die Zielgruppe ist ganz klar: Pendler. Der typische Pendler, der unter 30 Kilometer am Tag fährt und davon gibt es unglaublich viele. Der Sion ist aber auch als Zweitwagen gut. Durch den großen Kofferraum mit den umklappbaren Sitzen möchten wir außerdem Familien ansprechen.

30 Kilometer ist die Reichweite, die der Sion am Tag maximal mit Sonnenenergie fahren kann?

Laurin Hahn: Genau. Der Sion ist ein Elektroauto mit 250 Kilometer Reichweite, hat aber als Add-on eine Selbstladefunktion, die sich für bis zu 30 Kilometer pro Tag selbstständig auflädt. Ein Pendler, der am Tag zehn Kilometer zur Arbeit und zehn Kilometer zurück fährt, hat damit ein Auto, das über mehrere Monate autark sein kann. Deswegen sind Pendler die erste Zielgruppe, aber wir haben auch viele Anfragen von Carsharing-Anbietern, Pflegediensten, Pizza-Lieferdiensten und sogar Taxiunternehmen. Es ist für alle interessant, die kurze Strecken in der Stadt fahren.

Ihr braucht 5000 Vorbestellungen?

Laurin Hahn: Ja. Wir brauchen 5000 Reservierungen, um loslegen zu können. Dafür muss man 500 Euro oder mehr anzahlen. Umso mehr jemand anzahlt, umso höher ist der Rabatt.

Ist das eure ganze Finanzierung?

Laurin Hahn: Nein, die Finanzierung läuft auf zwei Wegen: Zum einen über die Anzahlungen und dann über unsere Crowdinvesting-Kampagne, die wir auf den beiden Plattformen Seedrs und Wiwin gestartet haben. Die Zielsumme auf Seedrs ist eine Million Euro und auf Wiwin sind es 2,5 Millionen Euro. Und dann kommen eben die Anzahlungen von mindestens 5000 mal 500 Euro hinzu. Die 5000 Vorbestellungen brauchen wir auch als Sicherheit für den Auftragsfertiger, damit seine Kapazität im ersten Jahr ausgelastet ist. Das Geld fließt direkt in die Entwicklung und Serienproduktion des Sions.

Warum holt ihr keinen Investor an Bord?

Laurin Hahn: Wir haben es der Community zu verdanken, dass wir so weit gekommen sind. Nur mit der initialen Crowdfunding-Kampagne von vor einem Jahr haben wir das geschafft. Daher wollen wir der Community etwas zurückgeben und ihr ermöglichen, auch Teil des Erfolgs zu sein. Aber wir planen bereits eine Series-A-Runde für das Frühjahr 2018. Wir sprechen mit verschiedenen Family Offices und Finanzhäusern.

Wer sind eure Wettbewerber?

Laurin Hahn: Es gibt keine. Niemand außer uns baut ein Solarauto und bringt es für 16.000 Euro auf den Markt.

Welchen Markt habt ihr im Visier?

Laurin Hahn: Im ersten Schritt garantieren wir nur die Zulassung in Europa und den USA. Prinzipiell kann jeder den Sion überall auf der Welt vorbestellen, ist dann aber für den Import selbst zuständig.

Ihr wollt 2019 mit der Produktion starten – mit welcher Stückzahl?

Laurin Hahn: Die Produktion im ersten Jahr wird gering sein, weil wir voraussichtlich erst Mitte 2019 starten. So ein Ramp-up ist in der Autoproduktion aber üblich. Man muss immer den Gesamtlebenszyklus betrachten, der bei ungefähr acht Jahren liegt. So lang wird dieses Fahrzeug produziert. Und die Stückzahl wird dann im mittleren dreistelligen Tausenderbereich liegen.

Berlin Valley - Sono Motors on August 19, 2017 in Munich, Germany.
Copyright: Raum11/Lennart Preiss

Wie stellt ihr euch die Zukunft des Verkehrs in Städten vor?

Laurin Hahn: Ganz klar über Sharing. Der Individualverkehr wird immer mehr zurückgedrängt werden einfach aus dem Grund, weil es immer weniger Platz gibt. Das ist eine ganz einfache Rechnung. Das Auto hat nur eine Zukunft, wenn es effizienter genutzt wird. Deswegen integrieren wir von Anfang an drei verschiedene Mobilitätsservices im Sion, die zusammengefasst sind in unserer Gosono-App: Carsharing, Ridesharing und Powersharing.

Was ist Powersharing?

Laurin Hahn: Powersharing bedeutet, dass der Sion über ein Ladegerät verfügt, über das er Strom an andere Fahrzeuge verkaufen kann und damit zur mobilen Stromtankstelle wird. Der Sion lädt sich ja über die Solarpanele selbstständig wieder auf. Und wenn die Batterie voll ist, bekommt der Halter über die App eine Benachrichtigung und kann die Energie für andere Nutzer freigeben.

Ihr habt also nebenbei auch das Problem der Ladeinfrastruktur gelöst?

Laurin Hahn: Genau. Wie ich vorhin sagte, wir versuchen, alle drei Probleme zu lösen: Preis, Reichweite und Ladeinfrastruktur.

Ist autonomes Fahren auch ein Thema für euch?

Laurin Hahn: Das ist etwas, das irgendwann zugeschaltet werden kann. Wir planen ein Facelift, so wie es üblich ist, nach fünf Jahren. Wir gehen davon aus, dass 2023 autonomes Fahren Normalität ist und eine Komponente, die man sehr einfach und kostengünstig integrieren kann.

Das Gespräch führte Corinna Visser.[td_block_text_with_title custom_title=”LAURIN HAHN”]Laurin war gerade 18 Jahre alt und ging noch in die Schule, als er mit Jona Christians anfing, ein Auto in Jonas Garage zu bauen. Die beiden Münchner wollten beweisen, dass Solarenergie uns unabhängig von Erdöl machen kann. Gemeinsam mit der Designerin Navina Pernsteiner gründeten sie im Jahr 2016 Sono Motors.