Wie man gute Ideen vor Copycats schützt

21/01/2019
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Einer der bekanntesten Fälle ist sicher der der Winklevoss-Zwillinge: Die Brüder Cameron und Tyler warfen ihrem früheren Kommilitonen Mark Zuckerberg vor, die Idee zu Facebook von ihnen geklaut zu haben, und klagten gegen ihn. In einem Vergleich mit Zuckerberg wurden den Zwillingen 65 Millionen Dollar zugesprochen. Teure und langwierige Rechtsstreitigkeiten über die Frage „Wer hat´s erfunden?“ sind keine Seltenheit.

Seit Jahren führen Apple und Samsung erbitterte juristische Auseinandersetzungen über Patentrechte. Amazon, Microsoft und praktisch alle anderen Technologiekonzerne sind davon ebenso betroffen. „Die Nachahmung ist nicht nur viel häufiger als die Innovation, sondern tatsächlich auch ein viel weiter verbreiteter Weg zu geschäftlichem Wachstum und Erfolg“, konstatierte der Harvard-Ökonom Theodore Levitt bereits 1966. Darum gehen viele Unternehmer diesen Weg und verfolgen Ideen, die bereits „erprobt“ sind. Rocket Internet ist anfangs vor allem deswegen erfolgreich gewesen, weil es gute Ideen kopiert und oft besser umgesetzt hat als seine Urheber.

Doch wie kann man als junger Gründer verhindern, dass die eigene Geschäftsidee geklaut wird? Wie schützt man sie? Die schlechte Nachricht ist: „Ideen als solche schützt die deutsche Rechtsordnung nicht“, sagt Rechtsanwalt Marcel Breite. „Hierzulande herrscht freier Wettbewerb und auch freier Ideentausch. Wenn ich auf einem Pitch eine tolle Idee höre, kann ich diese für eigene Zwecke nutzen, ohne zu fragen.“ Da die Idee als solche also nicht geschützt werden kann, müsse man andere Vorkehrungen treffen, um sich vor Ideenklau zu schützen, sagt Breite, der für die Berliner Kanzlei JBB Rechtsanwälte arbeitet. JBB betreut Mandanten – darunter auch Startups – im Bereich des Marken- und Wettbewerbsrechts, des Urheber- und Medienrechts sowie des IT- und Datenschutzrechts.

Erst wenn die Idee in eine bestimmte Form übergeht und einen gewissen kreativen Gehalt hat, kann man daraus bestimmte Rechte herleiten. Schutzrechte, die dann infrage kommen, sind zum Beispiel das Urheberrecht, das Patentrecht sowie das Gebrauchsmuster-, Design- oder Markenrecht. Auch aus dem Wettbewerbsrecht lassen sich gewisse Ansprüche herleiten.

Als Werk ist die Idee geschützt

Das Urheberrecht kommt ins Spiel, wenn ein Gründer seine Idee in Form eines Konzeptes oder Business-planes niederlegt. Wenn das Konzept ausreichend ausgearbeitet ist, kann unter Umständen daraus ein schutzfähiges Werk entstehen. Wenn nun jemand aus diesem Business-plan etwas abschreibt, kann der Urheber dies verbieten. Allerdings ist das Urheberrecht kein Registerrecht, das heißt, die Urheberschaft wird nirgendwo eingetragen. Wenn Dritte die Idee aus einem Businessplan für sich nutzen, muss der Urheber im Streitfall darlegen und beweisen, dass das ursprünglich seine Idee war und er diese auch fixiert hat. „Dies kann beispielsweise dadurch erreicht werden, indem man den Business-plan bei einem Notar hinterlegt“, erklärt Rechtsanwalt Breite. Bevor ein Gründer also auf Wettbewerben oder Pitches für seine Idee wirbt, sollte er sicherstellen, dass er nachweisen kann, dass es seine Idee war.

In der Anfangsphase haben Gründer viel zu tun. Was sie in der Regel nicht haben, ist viel Geld und ein großes Team, um die vielen Aufgaben zu verteilen. Dennoch rät der Anwalt, sich so früh wie möglich rechtlich abzusichern. „Jeder Businessplan sollte eine Risikoanalyse enthalten“, sagt Breite. „Wenn ich mich gut aufstellen will, beobachte ich den Markt und finde heraus, ob an der Idee rechtliche Risiken haften. Das gilt vor allem bei innovativen Ideen.“ Die rechtliche Risikoanalyse kostet zwar Geld, doch die Expertise eines Profis, der die Marktverhältnisse und auch die Risiken kennt, sei in der Vorbereitungsphase, wo so viele Dinge gleichzeitig auf einen Gründer einprasseln, besonders wichtig. „Es gehört zu einem der klassischen Fehler in der Gründungsphase, sich mit dem Thema nicht auseinanderzusetzen“, hat Breite beobachtet. Er rät Gründern, beim Anwalt zunächst eine Erstberatung zu vereinbaren. Dort kann man dann festlegen, was überhaupt Gegenstand der juristischen Prüfung sein und wie sie vergütet werden soll. Möglich ist es, Stundensätze oder auch eine Pauschale zu vereinbaren.

Die Marke eintragen lassen

Typische Schutzrechte sind Patente, Gebrauchsmuster, Marken und Designs. Anders als beim Urheberrecht können diese Rechte in Registern eingetragen werden, wobei das Patentrecht erst mit der Veröffentlichung der Patenterteilung im Patentblatt entsteht. Die Eintragung erfolgt beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA). Es ist das größte nationale Patent- und Markenamt in Europa und das fünftgrößte Patentamt weltweit. Darüber hinaus ist es inzwischen gang und gäbe, eine Marke auch als EU-Marke (Unionsmarke) oder in den USA und China anzumelden. Bevor man also als Gründer auf die Bühne tritt und neben seiner Idee zum Beispiel auch die ersten Logos oder seine Marke zeigt, tut man gut daran zu prüfen, ob es die Marke eventuell schon gibt, damit man nicht selbst des Ideenklaus bezichtigt wird. Wenn das nicht der Fall ist, sollte man die Marke eintragen und schützen lassen.

Der richtige Zeitpunkt dafür ist, bevor man mit seiner Idee auf Tour geht. Über die Gebühren und Bearbeitungszeiten informiert das DPMA auf seiner Website. „Das Markenamt stellt gute Informationen zur Verfügung, sodass man zunächst auch ohne anwaltlichen Rat in Eigenrecherche herausfinden kann, ob eine identische Marke am Markt existiert“, sagt Breite. Das Gleiche gilt für das Design eines Produktes.

Wichtig zu wissen ist, dass eine Anmeldung beim Markenamt nicht bedeutet, dass die Marke tatsächlich zuvor noch nicht eingetragen wurde. Das prüft das Amt nämlich nicht. Es setzt vielmehr voraus, dass der Anmelder selbst prüft, ob die geplante Marke ältere Rechte Dritter verletzt. Rechtsanwalt Breite empfiehlt, nach der ersten Eigenrecherche auch dafür Profis einzuschalten. Markenagenturen sind auf dieses Thema spezialisiert. „Es kann wirklich sehr, sehr teuer werden, wenn man blauäugig eine Marke verwendet, ohne zu prüfen, ob dadurch bestehende Markenrechte verletzt werden“, warnt Breite. Bei einer Verletzung von Markenrechten kann der Markeninhaber Lizenzschadenersatz fordern. Gründer sollten bedenken, dass Markeninhaber oft Kanzleien beauftragen, um ihre Markenrechte weltweit zu überwachen und gegebenenfalls gegen Markenverletzer vorzugehen.

Patente sind zeit- und kostenintensiv

Soweit Produkte eine technische Neuerung darstellen sowie auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind, können und sollten sie vor einer Präsentation in der Öffentlichkeit angemeldet werden, rät Breite. Sowohl die Anmeldung von Patenten als auch deren Aufrechterhaltung sind allerdings kostspielig. Auch hier gibt es spezialisierte Anwälte, die darauf schauen, ob es sich tatsächlich um eine technische Erfindung handelt.

Um ein Patent anmelden zu können, muss der Gegenstand nicht nur eine technisch neue Wirkung, sondern auch einen wirtschaftlichen Wert entfalten. Das DPMA lässt nur solche Erfindungen zum Patent zu, die auch einen Mehrwert für die deutsche Industrie haben, und das wird ausführlich geprüft. Das bedeutet: Für eine Patent-anmeldung müssen sehr viele formale Voraussetzungen erfüllt werden. „Dafür sollten in der Gründungsphase ausreichend zeitliche und finanzielle Ressourcen bereitgestellt werden“, sagt Breite. Er hält den Aufwand aber für absolut sinnvoll, da man auch einen Mehrwert davon hat. „Wenn man mit einer innovativen technischen Erfindung anfällig für Copycats ist, wäre es waghalsig, diese Erfindung vor Publikum zu präsentieren, bevor man sie patentiert hat“, sagt Breite. In einem Gespräch mit einem Patentanwalt könne man sehr schnell feststellen, ob die Idee so innovativ ist wie gedacht – oder auch nicht.

Es muss nicht immer ein Patent sein

Doch auch eine Patentanmeldung hat Risiken, wie -Michael Münnix, Partner bei Target Partners, meint. Der Münchner VC investiert in B2B-Technologieunternehmen. „Wir bei Target Partners achten darauf, dass junge Gründer ihre Ideen schützen“, sagt Münnix. Es bleibe aber abzuwägen, in welcher Form. „Denn ja, Patente sind sinnvoll und in manchen Bereichen, etwa Hardware-Startups, auch sehr wichtig“, sagt er. „Der Vorteil ist: Patente bieten Schutz. Der Nachteil ist: Einmal veröffentlicht, kann das der Konkurrenz Einblicke in die eigene Technologie geben.“ Auch dieses Risiko muss ein Gründer einkalkulieren.

Neben dem Patentrecht gibt es noch das Gebrauchsmusterrecht, das auch als das „kleine Patentrecht” bezeichnet wird. Es gibt dem Inhaber die gleichen Rechte wie ein Patent. Allerdings ist im Gegensatz zum Patent die maximale Gültigkeitsdauer auf zehn Jahre ab dem Tag der Anmeldung beschränkt. Ein weiterer Unterschied ist, dass sich keine technischen Verfahren schützen lassen.

Sonderfall Software-Patente

Patente auf Software sind übrigens ein Sonderfall. Anders als in den USA kann Software in Europa nicht so einfach patentiert werden. Dass es so ist, ist zwar umstritten, doch bis jetzt gilt: „Das Patentgesetz schließt (…) Programme für Datenverarbeitungsanlagen ,als solche‘ explizit vom Patentschutz aus“, schreibt das DPMA. Dort heißt es weiter: „Für eine computerimplementierte Erfindung kann also dann ein Patent erteilt werden, wenn sie eine abstrakt formulierte Lösung des zugrunde liegenden technischen Problems mit technischen Mitteln angibt, welche neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht.“ Klingt kompliziert, ist es offenbar auch. Aktuell sind nur etwa zehn Prozent der beim DPMA eingereichten Patentanmeldungen softwarebezogene Erfindungen. Deswegen ist Software jedoch nicht ohne Schutz: Auch wenn eine Software nicht patentiert ist, so kann sie dennoch ein urheberrechtlich geschütztes Werk sein.

Neben den Schutzrechten gibt es natürlich weitere Vorkehrungen, die getroffen werden können, um zu verhindern, dass Ideen und Geschäftsgeheimnisse geklaut werden. Das fängt schon beim Aufbau des Teams und der Gestaltung der Arbeitsverträge an. „Die Risiken können auch in den eigenen Reihen lauern“, sagt Breite. „Wenn jemand im Team das Potenzial einer Idee sieht und sie selbst verwerten will.“ Daher rät der Anwalt, in die Verträge unbedingt eine Geheimhaltungsverpflichtung und ein Wettbewerbsverbot aufzunehmen. Seit 2016 gilt in der EU die Geheimnisschutzrichtlinie, die der deutsche Gesetzgeber noch in nationales Recht umsetzen muss. Diese Richtlinie soll für Geschäftsgeheimnisse einen europaweit einheitlichen Mindestschutz bieten.

Neu ist darin vor allem, dass Unternehmen zukünftig konkrete Maßnahmen ergreifen müssen, um überhaupt Geheimnisschutz erlangen zu können. Solche technischen und organisatorischen Maßnahmen können sein: Zugangs- und Zugriffskontrollen sowie die Verschlüsselung geheim zu haltender Informationen beim Datenaustausch. Im Streitfall müssen Startups nachweisen, welche Schutzmaßnahmen sie ergriffen haben, um bei einer Verletzung ihres Geschäftsgeheimnisses Ansprüche geltend machen zu können. „Man kann seine Idee nicht grundsätzlich gegen alles schützen“, sagt Breite. „Aber natürlich kann man versuchen, organisatorische Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, die sich nicht nur in den Schutzrechten widerspiegeln.“

Ein NDA für den VC?

Nicht nur die eigenen Leute, sondern auch Gesprächs- und Geschäftspartner kann man zur Geheimhaltung verpflichten, indem man mit ihnen eine entsprechende Vereinbarung, ein Non-Disclosure Agreement (NDA), abschließt. Theoretisch ist das auch möglich, bevor man seine Idee zum Beispiel bei einem Wettbewerb vor Publikum pitcht. „Die Möglichkeit besteht natürlich, das ist in Deutschland aber eher unüblich“, sagt Breite. In den USA sei es dagegen gang und gäbe, vor Pitches zu allen möglichen Punkten Geheimhaltungsverpflichtungen abzuschließen.

„Das bedeutet aber nicht, dass man es hierzulande nicht zur Sprache bringen sollte“, meint Breite. Auch für die Organisatoren sei der Wunsch nach Geheimhaltung ein Hinweis, dass eine Idee einen enormen wirtschaftlichen Wert hat und zumindest für die Veranstaltung geschützt werden sollte. „Das weckt auch eher die Neugier beim Gesprächspartner, als wenn man frei von der Leber weg über seine Idee spricht.“ Breite hält es für eine strategische Frage, die Verhandlungssache sei. Dabei hänge es davon ab, wer der Organisator des Pitches ist und wer die Teilnehmer.

Eine Situation, in der Gründer regelmäßig die Hosen runterlassen, sind Investorengespräche. Hier werden regelmäßig sensible Informationen preisgegeben. Anders kommt man mit einem VC nicht ins Geschäft. „Gründer sollten unbedingt ihre Ideen nicht blind streuen“, warnt Michael Münnix von Target Partners. Sein Rat: „Einfach den VC direkt ansprechen, der relevante Sektorexpertise und eine gute Referenz hat.“ Seiner Meinung nach müssen Gründer aber nicht befürchten, dass ein VC eine Idee abgelehnt, diese aber dann an ein anderes Startup im Portfolio weitergibt.

„Es ist ein absolutes Tabu, wenn etwas durchsickert“, sagt Münnix. „Und das habe ich bislang auch nicht erlebt, auch nicht bei anderen VCs. Dennoch würde ich nicht gerade den VC wählen, der in einen direkten Konkurrenten investiert ist.“ Er ist überzeugt: „Das ganze Ökosystem beruht auf Vertrauen und natürlich gibt es NDAs, falls gewünscht. Unsere Erfahrung zeigt, dass nur etwa fünf Prozent der Gründer danach fragen.“

Ungleiche Machtverhältnisse

Anders sieht es bei Konzernen aus, die mit Startups zusammenarbeiten wollen – und dann einfach die -Ideen klauen. Im Netz gibt es jedenfalls eine Reihe von Berichten, wonach sich Handelskonzerne Produkte von Start-ups präsentieren ließen, sie ablehnten und dann in Eigenregie auf den Markt brachten. „Man muss sich bewusst sein, dass es immer ein Moment des Risikos ist, wenn man sein neues Produkt präsentiert“, sagt Breite. Dennoch müsse man natürlich nicht zwangsläufig damit rechnen, dass einmal vorgetragene Ideen vom Gegenüber rechtswidrig selbst genutzt würden, ohne sich eine Erlaubnis zu holen. Als Startup ist man jedoch kaum in der Position, vor jeder Unternehmenspräsentation ein NDA unterschreiben zu lassen. „Für den Moment ist es rein strategisch oder verhandlungstaktisch nicht klug, in eine Präsentation mit einem Corporate hineinzugehen und erst einmal einen Vertrag vorzulegen“, sagt Breite.

Man kann sich wehren

Wenn man Patent oder Marke angemeldet hat, steht man bei einem Ideenklau jedenfalls nicht vollständig hilflos da. Ist man mit dem eigenen Produkt bereits am Markt und kopiert ein Konkurrent dieses Produkt, so greift auch das Wettbewerbsrecht (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, UWG). Man kann sich gegen die unlautere Handlung wehren. Dazu muss zuerst der Nachahmer über die Rechtsverletzung in Kenntnis gesetzt werden. Er wird abgemahnt und zur Unterlassung aufgefordert, eventuell kann auch Schadenersatz geltend gemacht werden. Das Ganze kann bis zu einem gerichtlichen Verfahren gehen. Da hilft es natürlich, wenn man nachweisen kann, dass das Produkt tatsächlich eine eigene Entwicklung ist. Man steht immer besser da, wenn man sich mit der Problematik beschäftigt und Vorkehrungen getroffen hat.

Ganz verhindern kann man es nicht, dass gute Ideen Copycats anziehen. „Es ist in jedem Fall wichtig, sich des Risikos bewusst zu sein und dafür ein Gespür zu entwickeln“, findet Breite. Das Risiko des Ideenklaus könne man nicht auf null setzen, es sei immer da. Man könne Vorkehrungen treffen, aber eine Risikominimierung auf null gebe es nicht. „Eine Startup-Gründung ist natürlich risikobehaftet“, sagt Breite. „Die Risiken schwingen immer mit, man muss sie einkalkulieren.“

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