Techstars-Mitgründer David Brown:

„Beim Team geht’s vor allem um Leidenschaft“

02/09/2016
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David, Techstars hat zwei Programme in Berlin: eines mit Metro und ein eigenes. Warum?

David Brown: Wir finden es sehr hilfreich, mehrere Programme in einer Stadt zu haben, weil wir so mit Mentoren und Investoren die Community besser einbeziehen können. Wenn ein Programm drei Monate dauert, dann muss man neun Monate bis zum nächsten Programm warten. Also ist es großartig, zwei Programme zu haben: einmal das Metro-Programm mit Olaf Koch und dann das City-Programm. Beide ergänzen sich gut. Das Metro-Programm fokussiert sich auf den Sektor Hotels, Restaurants und Catering. Das Berlin-Programm ist offen für Firmen aller Art. Etwas mehr als die Hälfte aller unserer Programme sind wie das Metro-Programm, also vertikal spezialisiert. Neun entsprechen dem, was wir horizontales Programm oder City-Programm nennen. 

Das City Programm ist offen für alle. Wie viele wollten daran teilnehmen?

David Brown: Wir checken gar nicht wirklich die Bewerbungen pro Programm, weil sich manchmal Firmen mehrfach zur gleichen Zeit bewerben. Wir bekommen 15.000 Bewerbungen von Firmen jedes Jahr und wir akzeptieren um die zehn pro Programm. Wir haben 22 Programme, also 220 von 15.000 werden akzeptiert. Somit liegt die Akzeptanzrate niedriger als in Harvard.

Wie wählt Ihr die Firmen aus?

David Brown: Es klingt wie ein Witz, aber unsere sechs Kriterien sind: „Team, Team, Team, Markt, Fortschritt, Idee.“ Die Menschen im Team bedeuten so viel. Deshalb sind das die ersten drei Kriterien. Dahinter steckt die Theorie, dass großartige Menschen mit einer mittelmäßigen Idee die Idee verändern können, aber mittelmäßige Leute mit einer großartigen Idee können sich nicht selbst auswechseln. Und deshalb haben wir lieber fantastische Menschen als fantastische Ideen. Damit wäre „Team, Team, Team“ erklärt. Beim „Markt“ geht es darum, wie groß etwas sein kann. Kannst du davon nur fünf Stück verkaufen oder kann das richtig groß skalieren. „Fortschritt“ zeigt, wie deine Firma vorwärtskommt. Es ist egal, wo du stehst, wenn du zu uns kommst. Vielleicht fängst du ja gerade erst an, hast nur eine Webseite und sonst nichts. Aber wenn das nach fünf Jahren immer noch alles ist, was du hast, dann ist das nicht gut. Wenn du gerade angefangen hast, reichen eine Website, ein Minimum Viable Product, ein paar Kunden oder Einnahmen. Vergleiche deinen Status nach drei oder sechs Monaten, dann erkennst du deinen Fortschritt. Die „Idee“ steht an letzter Stelle.

„Wir haben lieber fantastische Menschen als fantastische Ideen“

Wenn Ihr mehr als 15.000 Bewerbungen im Jahr bekommt, erfüllen doch sicher viele Startups diese sechs Kriterien. Was bringt Eure Augen am Ende zum Leuchten?

David Brown: Beim Team geht’s vor allem um Leidenschaft. Das ist nichts, was du messen kannst, aber du kannst es fühlen. Manchmal finden wir Entrepreneure, die in ihrem Leben Probleme haben, die sie wirklich lösen wollen. Und du siehst sie Tag und Nacht daran arbeiten. Das ist kein Job, das ist Leidenschaft. Wenn du so jemanden siehst, dann möchtest du ihn auswählen. Das Gegenteil davon ist, wenn ein Entrepreneur etwas tut, weil er seine Zeit selbst einteilen will oder weil er Mark Zuckerberg sein möchte und eine Menge Geld machen will. Das ist nicht das, was man braucht, um ein Startup zu führen.

Wer fällt die Entscheidung zur Aufnahme in das Programm, Ihr in den USA oder das Team vor Ort?

David Brown: Das lokale Team. Wir stellen sehr versierte Managing Director an jedem Ort ein. Jens Lepinsiki leitet das Metro-Programm, Rob Jonson leitet das Berlin-Programm. Die Leiter sind in der Regel versierte Entrepreneure, die bereits Startups gegründet haben oder die bereits Investoren gewesen sind. Wir vertrauen ihnen die Auswahl an und dann ist es ihre Entscheidung, ein Team zusammenzustellen, das ihnen hilft. Das kann jemand aus den USA sein oder ein anderer Leiter oder ein Mentor oder ein Investor, den sie kennen. Und sie bilden ein Auswahlkomitee, wie wir es nennen, um den Managing Director zu beraten. Aber am Ende ist es seine Entscheidung.

Das heißt, dass der Charakter der einzelnen Startups und Programme sehr unterschiedlich ist?

David Brown: Ja, sie nehmen den Charakter des Managing Directors an. Manche glauben stark an Technologie, also hast du Technologie-Firmen, die an dem Programm teilnehmen. Oder aber ein MD glaubt an SaaS oder Bitcoin. Wenn wir einen Managing Director im folgenden Jahr austauschen, verändert sich auch das Programm.

Was ist der Charakter von Berlin?

David Brown: Das ist eine gute Frage. Ich weiß nicht, ob ich darauf eine gute Antwort habe. Jens hat vorher das Berlin-Programm geleitet und ist jetzt für das Metro-Programm verantwortlich. Rob hat vorher Metro gemacht und leitet jetzt Berlin.

Was macht Rob aus?

David Brown: Rob ist ein sehr schlauer, sehr engagierter Startup-Typ. Er ist sehr leidenschaftlich. Er ist kein Deutscher, aber meiner Meinung nach hat er eine Menge deutscher Eigenschaften.

Die da wären?

David Brown: Präzision. Sein Prozess, um eine Auswahl zu treffen, ist sehr sorgfältig. Und ich würde erwarten, dass die Firmen, die er für das Programm auswählt, dem entsprechen.

Das Berlin-Programm geht in die zweite Runde. Kannst Du ein Fazit zur ersten Runde abgeben?

David Brown: Ich denke, das erste Programm war ein großer Erfolg. Manchmal kann es schwierig sein, ein neues Programm in einer neuen Stadt zu starten. Das Berlin-Programm kam vor dem Metro-Programm. Und wenn du mit etwas beginnst, gerade als amerikanische Firma, hast du vielleicht noch nicht eine Marke mit Wiedererkennungswert, noch keinen Pool von Mentoren, deine Investoren haben deinen Demo Day vorher noch nicht gesehen. Das erste Programm kann also etwas härter sein. Aber beim zweiten Programm verstehen es alle.

Welche Unterschied siehst Du zwischen der Startup-Szene in New York und Berlin?

David Brown: Unser Eindruck ist, dass es eine Menge Startups in Europa und auch in den Vereinigten Staaten gibt, die nach Berlin ziehen wollen. Berlin ist eine großartige Stadt, die man sich leisten kann, es gibt eine gute Startup-Kultur und ein gutes Ökosystem. Wenn du nicht aus Berlin kommst, ist es ein guter Weg, an einem Accelerator teilzunehmen. In New York würde ich sagen, ist unser Programm viel mehr etabliert. Wir haben dort inzwischen sechs oder sieben verschiedene City-Programme, zusätzlich haben wir ein Barclays-Programm, ein AdTech- und ein IoT-Programm. Insgesamt kommen wir wahrscheinlich auf 15 verschiedene. Die Mentoren und Investoren dort wissen genau, was sie zu erwarten haben. Und New York ist das Zuhause von vielen Finanzdienstleistern, großen Konzernen und Medienunternehmen. Es gibt eine Menge Firmen, aus der ganzen Welt, die gerne beim New-York-Programm mitmachen wollen. Es besteht kein Zweifel, dass ein überproportional großer Teil der 15.000 Bewerber nach New York wollen.

Berlin und New York stehen im Wettbewerb mit dem Silicon Valley. Hätten beide zusammen vielleicht bessere Chancen? Berliner Politiker würden gerne eine Brück zu New York schlagen und gemeinsam stärker sein.

David Brown: Wir glauben nicht wirklich an einen Wettbewerb. Verschiedene Entrepreneure wollen an verschiedenen Plätzen leben. Mache wollen im Silicon Valley leben. Ich wollte das mein ganzes Leben nicht. Ich habe meine Firmen inklusive Techstars in Boulder, Colorado in einer Stadt mit 100.000 Einwohnern gegründet. Techstars versucht, Kommunen zu helfen, die nicht in Silicon Valley sind, aber ein starkes Netzwerk haben. Es geht nicht darum, wie das Silicon Valley zu werden, damit ist auch viel Negatives verbunden. Man muss auch nicht nach San Francisco mit ungewöhnlich hohen Mieten und ungewöhnlich hohen Gehältern gehen, um eine erfolgreiche Firma aufzubauen. Das kann man tun, wo immer man leben möchte – egal, ob in Boulder, Berlin, New York oder sonst wo. Ich glaube nicht, dass es der richtige Ansatz ist, eine Brücke zu bauen, um besser zu konkurrieren. Ich denke, man sollte von anderen Kommunen in Europa und auf der ganzen Welt lernen und sich anschauen, was sie gemacht haben, um Startups stärker zu machen. Das ist ein guter Ansatz, um etwas zu werden, das nicht Silicon Valley ist. Wir sind nicht gegen Silicon Valley, wir sind nur für überall anders! 

„Wir sind nicht gegen Silicon Valley, wir sind nur für überall anders!“ 

Sucht Ihr in Berlin noch andere Partner neben der Metro?

David Brown: Ja. Wir haben zirka acht bis zehn Firmenanfragen in der Woche aus Deutschland, aus Europa, aus Asien, aus dem mittleren Osten, aus Südamerika, aus Afrika. Wir wählen aber nur ein paar wenige aus.

Was sind die Kriterien?

David Brown: Da gibt es drei. Erstens ein gutes Ökosystem. Gibt es dort Startups, Mentoren, Investoren? Wenn du zum Beispiel in eine Stadt gehst, wo es noch kein Techstars gibt, und du fragst einen Entrepreneur: „Was passiert in deiner Stadt?“ Und er sagt: „Oh, da gibt es ein Meet-up hier und wir haben ein Startup-Wochenende da und du solltest die und die Leute treffen“ – dann gehen wir hin. Wenn er sagt: „Ich bin hier ganz alleine, ich arbeite in meinem Apartment.“ – dann nicht. Das ist das Kriterium. Für uns ist es wichtig, mit guten und motivierten Corporate Partnern zusammenzuarbeiten. Mit Metro ist es großartig. Der CEO engagiert sich. Es ist keine Marketing- oder HR-Initiative, Metro will eine transformative Veränderung in ihrer Firma und in ihrer Industrie schaffen. Das dritte Kriterium ist vertikal. Da geht es um die Frage, ob wir ausreichend gute Firmen in einem Segment finden wie im Bereich Gastronomie bei der Metro oder Fintech bei Barclays.

„Für uns ist es wichtig, mit guten und motivierten Corporate Partnern zusammenzuarbeiten.“

In welche Städte geht Ihr als nächstes?

David Brown: Ich kann nicht über Pläne reden.

Wird es noch dieses Jahr weitere Programme geben?

David Brown: Es wird in jedem Fall in diesem Jahr noch mehr Techstars Acceleratoren in Europa geben.

Auch in Deutschland?

David Brown: Ich weiß es nicht sicher, ob Deutschland dabei ist.

Gibt es so etwas wie eine „Techstars Kultur“?

David Brown: Wir sind bereit zu geben. Das ist die Kultur oder der Wert, der vermutlich am ehesten von außen sichtbar ist. Das bedeutet, dass wir in unseren Beziehungen zu Gründern und Partnern keine Gegenleistung erwarten. Wir freuen uns zu helfen. Was natürlich nicht bedeutet, dass wir später keine Gegenleistung erhoffen. Aber das ist ein guter Weg, um dein Leben zu leben und dein Business zu entwickeln. Das ist das eine. Founder-first ist ein weiterer Kernwert. Es dreht sich bei uns alles um den Gründer. Du wirst in unseren Programmen niemanden finden, der Ärger bekommt, weil er eine Entscheidung gefällt hat, solange sie für den Gründer richtig war. Bei unseren Entscheidungen denken wir zuerst an die Gründer, auch wenn wir dabei auf Investments verzichten müssen, die wir anderenfalls bekommen hätten.

„Es dreht sich bei uns alles um den Gründer.“

Wenn Du zurückschaust auf zehn Jahre Techstars: Was hat sich verändert in der Zeit?

David Brown: Wir waren anfangs nur ein Accelerator und jetzt gibt es die Startup-Programme und die Venture Funds. Außerdem sind wir ein Netzwerk geworden, was wir zu Beginn nicht waren. Nehmen wir die FounderCon: Unser jährliches Treffen bringt in den USA um die 1000 Techstar-Gründer zusammen. In diesem Jahr gab es das Event zum ersten Mal auch in Europa, verständlicherweise noch etwas bescheidener mit weniger Teilnehmern. Und dieses Netzwerk, das Gründer mit CEOs, CTOs und anderen Gründern verbindet, wird immer wertvoller. Früher waren die Gründer nach drei Monaten durch und ihr Netzwerk bestand maximal aus den neun anderen Startups des Programms. Im Laufe der Jahre haben mehr und mehr Unternehmen die Programme absolviert und damit ist auch die Bedeutung des Netzwerk gewachsen.

Was sind die nächsten Schritte?

David Brown: Unsere Vision ist es, Entrepreneure auf dem Weg von der Inspiration zum IPO zu helfen. Was bedeutet Inspiration? Vielleicht arbeitest du bei IBM und bist nicht glücklich. Also gehst zu einem Startup-Weekend, checkst Freitagnacht ein und kreierst ein Startup. Am Montagmorgen bist du so aufgeregt, dass du deinen Job kündigst und du Vollzeit für dein Startup arbeitest. Es gibt tolle Geschichten. Das ist die Inspiration. Die Accelerator-Phase kommt dann danach, wenn du etwas reifer bist, danach kommt die Venture-Capital-Phase, wenn du Geld zum Wachsen brauchst. Es gibt viele Aktivitäten, mit denen wir Unternehmen zum Wachstum verhelfen auf ihrem Weg zum Exit oder IPO. Einer der nächsten Schritte ist, davon mehr zu machen! Die Gründer sind mit uns verbunden. Wir sind Investoren und haben Anteile. Wir haben ein ureigenes Interesse daran, mit ihnen gemeinsam erfolgreich zu sein. 

Das heißt, Ihr seid auch in späteren Phasen der Unternehmen involviert?

David Brown: Genau. Einige der Unternehmen, die bereits durch den Accelerator gegangen sind, haben nun 300, 500 Mitarbeiter und stehen vor den gleichen Problemen wie mit zwei oder drei Leuten.

Und Ihr gebt dann Nachhilfe?

David Brown: Bei uns arbeitet Don Loeb als Vice President of Corporate Development. Er lebt im Silicon Valley. Und seine Aufgabe ist es, Beziehungen mit Facebook, Google und den anderen Firmen im Valley aufzubauen. Wenn dann zum Beispiel ein Startup einen Lizenzdeal haben will oder es um ein Investment oder eine Übernahme geht, dann stellen wir sicher, dass es Wege gibt, den Fuß in die Tür zu bekommen. Manchmal reicht dann schon eine E-Mail, wenn man die passenden Leute zusammenbringt. Das ist ein Beispiel, wie wir den Unternehmen später helfen können.

Welche Technik-Trends findest Du spannend?

David Brown: Artificial Intelligence oder die Bot Revolution zum Beispiel. Eine Menge Unternehmen befassen sich gerade mit dem Thema Natural Language Processing, um beispielsweise ein Uber-Car zu bestellen oder andere Dinge zu tun, ohne klicken zu müssen. Amazons Voice Recognition ist eine sehr interessante Demonstration dieser Technologie, die sehr kompliziert, aber für die Nutzer sehr interessant ist.

Das Gespräch führte Corinna Visser.

David Brown kommt aus Boulder, Colorado. Er ist Seriengründer und Co-CEO des US-amerikanischen Accelerators Techstars, den er gemeinsam mit David Cohen, Brad Feld und Jared Polis im Jahr 2006 gegründet hat. Managing Partner bei Techstars ist David seit 2013.

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