Startup-Hub Tel Aviv

Nation of Risk Takers

10/12/2015
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In Tel Aviv floriert die Startupszene

Israel liegt nur knapp dreieinhalb Flugstunden von Deutschland entfernt, aber gefühlt lag das Land für mich bislang weiter weg. Kein Wunder, denn das Motto von israelischen Startups ist: „Big is beautiful.“ Der Heimatmarkt mit 8,9 Millionen Einwohnern (von der Größe zwischen Niedersachen und Baden-Württemberg) ist für diese Ambition zu klein, deshalb nehmen sie in der Regel den US-amerikanischen Markt ins Visier. Eine vom Bundesverband Deutsche Startups (BVDS) organisierte fünftägige Reise nach Tel Aviv Mitte November war für mich ein willkommener Anlass, das Ökosystem genauer unter die Lupe zu nehmen.

Israel ist eine relativ junge Volkswirtschaft, die kontinuierlich unter Waffen steht und über keine natürlichen Rohstoffvorkommen verfügt. Circa 3400 Startups gibt es hier. Zum Vergleich: In Deutschland sind es Schätzungen des BVDS zufolge 6000. „Startup Nation“ – das ist der Titel eines lesenswerten Buches, das das Phänomen untersucht hat, wie es bislang 89 israelische Startups geschafft haben, an der Nasdaq gelistet zu werden. Darunter befinden sich einige Unicorns wie zum Beispiel Ironsource, Infinidat, Simplivity und Taboola.

Wie kommt es zu dem Erfolg und wie unterscheidet sich Tel Aviv von Berlin?

1. Entrepreneurs’ Education

Ein Hauptgrund für die hohe Tech- und Gründungsaffinität ist der für alle jungen Israelis vorgeschriebene Militärdienst. Dabei kommen viele der zukünftigen Gründer im Alter von 18 Jahren in Kontakt mit komplexen Problemstellungen und Technologien und sammeln erste Führungserfahrung. Der gemeinsame Militärdienst ist auch ein Netzwerk fürs Leben. In Israel nennen sie es „One degree of separation“: an jeden Gesprächspartner in Israel kommt man über einen gemeinsamen Kontakt ran.

2. Very hands-on

Businesspläne? Unnötig. Diese Antwort haben wir von allen Gründern und Gesprächspartnern in Tel Aviv bekommen. 70-Prozent-Lösungen genügen, um an den Markt zu gehen, die Produkte zu testen und Kunden-Feedback zu sammeln. Die beiden Gründer unserer Food-Experience-Tour im sehr sehenswerten Sarona Market haben sich dementsprechend auch nicht mit den Details eines perfekt durchgeplanten Produkts aufgehalten, dafür aber: „Feedback please!“ Und: „Rome and London – coming soon!“

3. Think bigger

Der lokale Markt mit 8,9 Millionen Einwohnern ist zu klein, die USA haben israelische Gründer immer und sehr erfolgreich im Blick. Viele der in die USA verkauften Firmen bleiben Israel anschließend in Form von Forschungszentren von Google, Facebook, Intel und Co. erhalten.

4. You suck

Israelis haben eine sehr offene und direkte Art zu kommunizieren. Selbst im Militärdienst werden Vorgesetzte beim Vornamen angesprochen und können auf Fehler hingewiesen werden. So haben wir auch alle unsere Gesprächspartner erlebt: offen, neugierig und interessiert an unseren Einschätzungen. Einer der spannendsten war Yossi Vardi: Serien-Unternehmer, Ex-Minister, Mitgründer der DLD und Godfather des israelischen Startup-Ökosystems. In den 1990er-Jahren hat er seinen Sohn mit einem kleinen Investment bei einem aussichtslosen Projekt unterstützt: ICQ, das sie 18 Monate später für 420 Millionen Dollar an AOL verkauft haben. Er sei der mit Abstand erfolgreichste Angel-Investor in Israel – und der schlechteste, wie er über sich selbst sagte, denn in seinem Portfolio von 86 Startup-Investments seien neben 24 Exits auch 28 auch Komplettausfälle. Der wichtigste Erfolgsfaktor? Glück.

5. Nation of Risk Takers

Israel hat keine ausgeprägte Industrie oder Mittelstand. Aber es gibt genügend erfolgreiche Gründer-Beispiele, die als Vorbild für junge Leute dienen. „Start-up Nation“ ist in Israel auch Teil des Lebensgefühls und dadurch ein aufregendes, selbsterhaltendes und sehenswertes System.

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