Sprachassistenten:

Kampf der Giganten

27/08/2018
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Alexa, Siri, Cortana, alle anderen Entwickler haben ihren Sprachassistenten einen Namen gegeben, nur Google nicht. Warum nicht?

Malte Will: Na ja, Google ist eine starke Marke – und so im Verständnis der Nutzer verankert. Wir stehen für Informationen – und zwar für zuverlässige Informationen – und haben deshalb meiner Meinung nach keine Notwendigkeit, einen neuen Namen zu erfinden. Amazon dagegen steht ausschließlich für E-Commerce und es wäre doch wirklich seltsam zu fragen: Hey Amazon, wie groß ist der US-Präsident? Tatsächlich beantwortet der Google Sprachassistent mehr Fragen zum Allgemeinwissen als andere Sprachassistenten und die meisten davon auch richtig.

Wie ist Google so schnell so schlau geworden?

Malte Will: So schnell ist Google eigentlich gar nicht schlau geworden. Es hat relativ lange gedauert, bis wir das alles entwickelt haben – und reicht bis hin zu Googles ursprünglicher Mission zurück: Informationen für die Welt verfügbar und nutzbar zu machen. Dabei haben wir relativ früh erkannt, dass es bei der Suche nach Informationen sehr wichtig ist, nicht nur das Internet zu durchforsten, sondern auch ein sehr gutes Verständnis darüber zu haben, wie diese – wir nennen das Entitäten – untereinander in Verbindung stehen. Nehmen wir Barack Obama als klassisches Beispiel. Hier brauchen wir ein Verständnis darüber, dass dieser Name einen US-Präsidenten repräsentiert und dass dieser US-Präsident das 45. Staatsoberhaupt in den Staaten ist. In den vergangenen Jahren haben wir sehr viel in diesen Knowledge Graph investiert, der das Verständnis über diese einzelnen Entitäten in der Welt hat, und versucht, das abzubilden.

„Wir können ja nur für den Teil verantwortlich sein, den wir auch kontrollieren“

Der Google Assistent soll aber nicht nur Fragen beantworten, sondern viel mehr machen. Was genau wird alles möglich sein?

Malte Will: Wenn ich das schon wüsste, wäre das prima. Unsere Vision ist natürlich, mit dem Sprachassistenten den Tagesablauf zu erleichtern – vor allem, wenn es um Routinen geht. Ich werde in Zukunft nicht mehr daran denken müssen, das Bügeleisen aus der Steckdose zu ziehen. Und wenn ich morgens aufwache, läuft der Kaffee schon durch. Der Assistent wird uns diese Kleinigkeiten abnehmen, damit ich mich auf Sachen konzentrieren kann, die wirklich wichtig sind. Vieles davon gibt es ja heute schon: Assistenten können das Wetter vorhersagen, Musik abspielen, einen Flug buchen und über mit Sensoren versehene Thermostate die Wohnungstemperatur regeln, wenn ich im Urlaub bin. Oft sind es sehr triviale Sachen, die aber in ihrer Vielfalt und in ihrer Zusammenarbeit ganz interessant werden. Unser Fokus für den Sprachassistenten liegt momentan auf Google Home. Aber wir sind ein offenes Ökosystem. Im Grunde kann jeder Hardware-Hersteller auf der Welt unseren Assistenten über sein Gerät verfügbar machen.

Mit so vielen verschiedenen Anbietern und Geräten gibt es aber auch viele Angriffspunkte auf das System. Was gibt es da für Sicherheitsvorkehrungen?

Malte Will: Gerade was den Smart-Home-Bereich anbelangt, ist für uns Sicherheit ein absolutes Kernthema. Als Anbieter der Plattform haben wir da auch ein sehr hohes Maß an Kontrolle. Ein Entwickler kann zwar alles hochladen, aber das heißt noch nicht, dass diese Assistant App dann verfügbar sein wird. Andererseits muss man aber natürlich auch sagen, dass wir zwar unsere Plattform kontrollieren, aber nicht die Geräte, nicht die Hardware. Wenn jetzt ein Waschmaschinen-Hersteller Blödsinn macht, dann ist das nicht unser Deal. Wir können ja nur für den Teil verantwortlich sein, den wir auch kontrollieren. Wir bauen Teile der Hardware, wir machen Smartphones, aber wir bauen keine Waschmaschinen oder ähnliche Geräte. Das müssen andere übernehmen.

In Sachen Hardware scheint gerade ein Kopf-anKopf-Rennen stattzufinden. Laut Voicebot.ai, einem auf Voice spezialisierten Online-Magazin aus den USA, wird Alexa von über 12.000 Geräten unterstützt, der Google Assistent von über 5.000 Geräten. Müssen Konsumenten künftig darauf achten, welche Marke sie einkaufen, damit ihr Smart Home auch wirklich funktioniert? Und wie will Google aufholen?

Malte Will: Wir haben immer darauf geachtet, dass unsere Plattformen offen sind. Denn nur so können sie erfolgreich sein. Natürlich ist es ein wichtiger Faktor, dass die Hardware kompatibel ist und die Geräte miteinander funktionieren. Deshalb haben wir unsere Plattform Actions on Google entwickelt, ein eigenes Ökosystem, das die Entwicklung weiterer Anwendungen unterstützt sowie die Einbindung des Sprachassistenten in Hardware und Technologie ermöglicht. Actions on Google ist öffentlich. Im Grunde kann jeder Entwickler seine Hardware und Angebote unkompliziert rein und auch raus integrieren. Es muss sich also niemand binden.

Offene Plattform für den Google Sprachassistenten

Wie muss ich denn genau vorgehen, wenn ich mich mit meinem Startup, oder mit meinem Unternehmen, auf dieser Plattform für den Sprachassistenten positionieren möchte?

Malte Will: Im Grunde ist das Prinzip ähnlich, wie etwa eine App zu bauen, die ich dann im Google Play Store, im Apple Store oder auf einer anderen Plattform verfügbar mache. Deshalb nennen wir die Sprachassistenten, die auf der Actions-on-Google-Plattform entwickelt werden, auch Assistant Apps. Eigentlich eine relative triviale Sache, die man innerhalb einer Stunde machen kann. Es kommt natürlich immer darauf an, wie groß das Projekt ist, wie groß die Geschäftslogik ist, die ich da abbilden möchte. Der Entwickler baut einfach, schließt dies an die Systeme an, die ihm zu seinem Unternehmen vorliegen, und lädt dann alles hoch. Natürlich durchlaufen die Assistant Apps bei uns einen Review-Prozess, ähnlich wie auch im Play Store. So stellen wir sicher, dass da keine illegalen Sachen passieren. Sobald der Review-Prozess abgeschlossen ist, sind die Funktionen für jeden Nutzer verfügbar. Von welchem Endgerät aus die Funktion genutzt werden kann, entscheidet der Entwickler. Wenn die Funktion etwa mit sehr vielen Bildern arbeitet, ergibt es Sinn, sie nur auf dem Smartphone verfügbar zu machen. Wenn es andersherum um Spracherkennung geht, wird die Funktion auf Google Home oder auf einem Speaker verfügbar – oder gegebenenfalls auch beides.

Aktuellen Statistiken zufolge liegt Amazons Echo mit 25.000 Skills in den USA in Sachen Funktionalität an der Spitze – in Deutschland sind 3.118 verfügbar. Für den Google Assistenten wurden 1.719 Funktionen gezählt, für Cortana 235.*

Malte Will: Also es gibt schon einige große, namhafte Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten. Beispiele sind ADAC, FlixBus, Media Markt, Otto, car2go. Man kann sich das auch auf der Webseite für unseren Assistenten anschauen. Wir haben insgesamt 14 Kategorien, unter anderem für die Smart-Home-Steuerung, für Bildung und Information, Nachrichten, Lokales, Musik und Audio, Shopping, Reisen und Verkehr, Spiel und Spaß, soziale Netzwerke, Sport, Wetter, Wirtschaft und Finanzen.

Darf ich denn fragen, wofür Sie den Google Assistenten benutzen?

Malte Will: Ich habe zum Beispiel so einen Sprachassistenten im Badezimmer stehen und wenn ich morgens ins Badezimmer gehe, frage ich: „Hey Google, was ist heute los?“ Dann bekomme ich erst einmal die Nachrichten, fünf, sechs Minuten Deutschlandfunk und im Anschluss geht meine Spotify-Playlist an, die dann wahrscheinlich für so 30, 40 Minuten dudelt, bis ich nach dem Wetter frage, um zu entscheiden, ob ich das Rad nehme oder mit dem öffentlich Nahverkehr fahre. Das hilft mir, gut in den Tag zu starten. Allerdings muss ich ganz ehrlich sagen, dass ich den Sprachassistenten bei der Arbeit selbst noch nicht sehr häufig verwende, außer wenn ich Dinge recherchiere oder ein car2go reserviere. Zu Hause nutze ich denSprachassistenten, um die Beleuchtung zu bedienen. Mittlerweile kann man auch einfach sagen: „Hey Google, gute Nacht“ und dann geht das Licht aus, die Musik, alles schaltet sich ab und ich kann mich einfach hinlegen. Also, ich sehe schon, wie so ein Assistent den Tagesablauf begleiten und auch hier und da helfen kann. In den nächsten Monaten und Jahren wird es noch wesentlich mehr Funktionen geben. Dazu brauchen wir natürlich noch mehr Partner auf der Plattform.

In allen Farben gibt es die Home Speaker für den Sprachassisstenten. Foto: Google

Wie sieht denn das Geschäftsmodell aus, wenn ich das fragen darf? Wie wird Google den Assistenten monetarisieren?

Malte Will: Also, dafür gibt es heute tatsächlich noch keine Pläne, keine konkreten Ideen. Google geht es darum, neue Touchpoints, neue Berührungspunkte zu den Konsumenten zu generieren. In der Vergangenheit sind die Monetarisierungsmodelle auch immer im Anschluss an die neue Funktion entwickelt worden. Wie das für den Assistenten aussieht, weiß ich nicht genau, das wissen, glaube ich, noch nicht viele sehr genau. Das ist auch erst einmal zweitrangig oder sogar drittrangig.

„Der Nutzer steht immer am Anfang. Und das müssen wir erst einmal richtig gut hinbekommen“

Und was ist erstrangig?

Malte Will: Erstrangig ist für uns immer, und das ist auch eines unserer Mantras: „Focus on the user and everything else will follow.“ Der Konsument, der Nutzer steht immer am Anfang. Und das müssen wir erst einmal richtig gut hinbekommen. Man sieht es ja auch im täglichen Leben mit dem Sprachassistenten. Der ist zwar schon ganz gut, aber eben noch nicht perfekt. Da muss noch eine ganze Menge passieren, dass er wirklich all diese Erwartungen erfüllt. Und das ist momentan unser Fokus. Wenn der Assistent einmal tatsächlich sinnvoll im täglichen Leben hilft, vielleicht nicht mehr daraus wegzudenken ist, dann kann ich über andere Sachen nachdenken.

Und was passiert mit den Daten, also mit den persönlichen Daten, mit denen Nutzer den Assistenten füttern?

Malte Will: Jeder Nutzer, der den Assistenten verwendet, hat im Normalfall ein Google Konto, über das er den „terms of service“ zugestimmt hat. Darin ist unter anderem ausgeführt, dass die Dinge, die ich über den Assistenten tue, unter „My account“ oder „My activity“ abgespeichert werden. Über dieses Dashboard von Google kann jeder Nutzer einsehen, was er alles über die einzelnen Google Produkte gemacht hat. Der Nutzer kann das auch jederzeit löschen. Ob das jetzt weiterhilft, also ob sozusagen ein Assistent von jemandem mit mehr Daten auf dem Dashboard besser funktioniert und interagiert als einer mit weniger Daten, das weiß ich noch nicht genau. Momentan werden die Daten der Nutzer nicht zur Verbesserung des Sprachassistenten verwendet. ▪

*Quelle: voicebot.ai

Malte Will

Malte Will ist als Product Partnerships Lead – Google Assistant für die Produktpartnerschaften von Google Deutschland zuständig. Foto: Google

Malte Will arbeitet seit neun Jahren für Google. Aktuell ist er als Product Partnerships Lead – Google Assistan für die Produktpartnerschaften von Google Deutschland zuständig, nutzt den Google Assistenten selbst aber noch eher selten bei der Arbeit. assistant.google.com

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