Sabine Petzsch von The Hundert:

„Wir wollten zurück zu den Anfängen“

19/11/2017
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Sabine, gerade ist die zehnte Ausgabe von The Hundert erschienen. Du bist Projektleiterin. Was ist euer Konzept?

Sabine Petzsch: Wir präsentieren in jedem Heft 100 Startups. Das ist die Grundidee. Aber kein Magazin ist wie das andere. Wir beleuchten jedes Mal entweder einen neuen Aspekt eines Ökosystems oder ein ganz neues Ökosystem mit den 100 Top-Startups.

Wie hat sich das Konzept von The Hundert seit dem Jahr 2013 gewandelt?

Sabine Petzsch: In der ersten Ausgabe hat unser Gründer Jan Thomas Meinungen von Experten zum Ökosystem in Berlin gesammelt. Ab der zweiten Ausgabe haben wir dann Startups porträtiert. Anfangs war das Magazin thematisch auf Berlin ausgerichtet. Ab dem achten Heft sind wir über Berlin hinausgegangen und haben 100 Gründerinnen aus ganz Europa vorgestellt. Mit dem neunten Magazin haben wir auch Europa verlassen und die Top-100-Startups aus New York porträtiert. Bis zur neunten Ausgabe kamen die Texte immer von den Startups selbst, die zehnte Ausgabe wollten wir individueller gestalten. Wir haben mit allen Startups kurze Interviews geführt.

„Wir wollen zeigen, wie sich die Szene in der Zeit verändert hat“

Warum diesmal wieder Berlin?

Sabine Petzsch: Weil wir hier angefangen haben. Im ersten Magazin ging es um Berlin und mit der Jubiläumsausgabe wollten wir wieder zurück zu den Anfängen. Seit der letzten Berlin-Ausgabe sind auch schon zwei Jahre vergangen und wir wollen zeigen, wie sich die Szene in der Zeit verändert hat. Berlin ist eines der wichtigsten Startup-Ökosysteme in Europa.

Wieso habt ihr Oliver Samwer für das Vorwort ausgesucht?

Sabine Petzsch: Wir versuchen für jede Ausgabe von The Hundert eine außergewöhnliche Person für das Vorwort zu gewinnen. Bei der NYC-Ausgabe zum Beispiel war es Kevin P. Ryan, Gründer unter anderem von Business Insider, Gilt, MongoDB und Zola. Er wird auch Godfather der Startup-Szene von New York genannt. Für unsere Jubiläums-Ausgabe haben wir uns Oliver Samwer gewünscht, also den Architekten der Berliner Startup-Szene. Es freut uns sehr, dass er diese Rolle übernommen hat.

„Am Ende hatten wir eine Liste mit insgesamt 860 Startups“

Wie habt ihr die Startups ausgewählt?

Sabine Petzsch: Wir hatten im März einen Open Call. Jedes Startup konnte sich bewerben. Gleichzeitig haben wir recherchiert, welche neuen Startups man in Berlin kennen sollte. Wir haben auch unser Netzwerk gebeten, Startups vorzuschlagen. Am Ende hatten wir eine Liste mit insgesamt 860 Startups, bei denen wir dann geprüft haben, ob sie passen.

Welche Kriterien habt ihr angelegt?

Sabine Petzsch: Die Startups durften nicht vor 2013 gegründet und nicht schon einmal in The Hundert vorgestellt worden sein. Sie müssen ihren Hauptsitz in Berlin haben. Das hat die Liste auf 760 Startups reduziert. Aus dieser Longlist haben wir als Redaktion 240 spannende Startups ausgewählt. Dafür haben wir uns zum Beispiel angeschaut, welche Investments sie bekommen haben und von wem, wie ihre mediale Präsenz ist, ob ihr Geschäftsmodell innovativ und skalierbar ist. Wir haben auch darauf geachtet, dass die Startups aus verschiedenen Branchen kommen, denn wir wollen nicht nur Fintechs oder Digital-Health-Startups zeigen, sondern die ganze Bandbreite des Berliner Ökosystems.

Wie ging es dann weiter?

Sabine Petzsch: Die letzten 240 Startups haben wir in acht Gruppen zu je 30 Startups aufgeteilt. Wir hatten 40 Jury-Mitglieder, also haben jeweils fünf Juroren eine der acht Startup-Gruppen bewertet.

Wie habt ihr die Jury ausgewählt?

Sabine Petzsch: Wir haben Experten für Startups und für das Berliner Ökosystem gesucht. Es ist eine bunte Mischung aus Investoren, Gründern und Kennern der Berliner Szene. Wir haben auch darauf geachtet, die Balance zwischen Männern und Frauen zu halten.

Wer sitzt in der Jury?

Sabine Petzsch: Zum Beispiel Fränzi Kühne von der Digitalagentur Torben, Lucie und die gelbe Gefahr. Neben ihrem COO-Posten bei der Agentur ist sie Deutschlands jüngste Aufsichtsrätin in einem börsennotierten Unternehmen, nämlich bei Freenet. Aber auch Sonali De Rycker von Accel, Florian Heinemann von Project A sowie Rocket-Vorstand Alexander Kudlich sitzen in der Jury.

Gab es für dich Überraschungen bei der Auswahl der Jury?

Sabine Petzsch: Einige Startups, die ich persönlich als Favoriten gesehen habe und deren Projekte ich total spannend fand, haben es leider nicht unter die Top 100 geschafft. Aber natürlich bin ich auch als Redakteurin an die Sache herangegangen, die bestimmte Dinge cool findet und nicht als Investor, der darauf achtet, wie viel Potenzial die Startups haben. Es war gut, dass wir eine sehr gemischte Jury hatten, die sich die Startups mit unterschiedlichem Fokus angeschaut haben.

„The Hundert ist kein Ranking. Daher gibt es keine Nummer eins“

Gibt es denn einen Sieger?

Sabine Petzsch: The Hundert ist kein Ranking. Daher gibt es keine Nummer eins. Einige Startups haben mehr Punkte bekommen als andere, aber das veröffentlichen wir nicht.

Welche Fragen habt ihr gestellt?

Sabine Petzsch: Wir wollten zum Beispiel wissen, was die Gründer aus heutiger Sicht gern anders gemacht hätten, welche Tipps sie für andere Gründer haben oder wie sich die Berliner Startup-Szene verändert hat. Manchmal haben wir sehr persönliche Antworten bekommen.

Welche Startups findest du besonders spannend?

Sabine Petzsch: Mein Lieblings-Startup ist Rumicon. Die machen Herden-Management. Das Foto-Shooting war auch sehr witzig, weil wir sie mitten in einer Kuh-Herde fotografieren konnten. Dafür sind wir nach Brandenburg rausgefahren. Ein Startup, dessen Produkt ich selbst jeden Tag nutze, ist Noisli. Da kann man sich verschiedene Geräusche zusammenstellen und damit den Bürolärm ausblenden. Workeer gefällt mir sehr gut, weil sie Jobs in Berlin an Flüchtlinge vermitteln. Cellbricks sitzt auf dem gleichen Gelände wie wir mit NKF und macht 3D-Cellular-Printing. Ihr Ziel ist es, menschliche Organe zu drucken. Akvola Technologies hat Technologie zur Wasserreinigung entwickelt, das ist auch spannend.

Was war eure Design-Idee für das Magazin?

Sabine Petzsch: Wir wollten, dass die Ausgabe auch die Stadt zeigt und nicht nur die Startups. Die Gründer sollten als Teil der Stadt vorgestellt werden. Wir wollten in Restaurants sein, in Parks, an Seen, in den verschiedenen Kiezen. Also haben wir nach tollen Locations gesucht. In den fünf Shooting-Wochen hat es sehr viel geregnet, deswegen war das nicht ganz so leicht. Wir haben die Fotos gedruckt, an verschiedene Wände plakatiert und noch einmal fotografiert. Überall in Berlin gibt es diese abgerissenen Plakate, das wollten wir aufnehmen. Uns gefiel die Idee, das Heft ein wenig im 80er-Grunge-Style zu gestalten. Damit wollten wir die Seele der Stadt zeigen.

Ihr hattet auch eine besondere Social-Media-Kampagne.

Sabine Petzsch: Wir hatten im Mai drei Wochen lang 37 schwedische Fotografie-Studenten in Berlin. Der Kontakt kam über den Kulturspace. Die Studenten haben für uns eine Social-Media-Kampagne geplant und umgesetzt. Wir haben den Studenten unsere Magazine gegeben und verschiedene Elemente wie eine Karte von Berlin, Glitzerstifte, Ballons. Sie sind dann in Zweiergruppen zwei Wochen durch Berlin gezogen und haben am Schluss ihre Top-fünf-Bilder ausgewählt. Damit konnten wir unsere Social-Media-Kanäle bespielen und uns als Teil von Berlin präsentieren.

Wie sieht das Team von The Hundert aus?

Sabine Petzsch: Das Team hat eine wechselnde Größe. Während der Shootings hatten wir drei Fotografen, die gleichzeitig gearbeitet haben und mit jedem Fotografen war ein Praktikant unterwegs. Ich habe alles koordiniert. Jetzt sind wir insgesamt drei Leute im Team.

Wie geht es mit The Hundert weiter?

Sabine Petzsch: Nach der Berlin-Ausgabe wollen wir wieder international werden. Wir haben unsere Leser gefragt, welche Ökosysteme sie interessieren und die drei häufigsten Antworten waren: Tel Aviv, London und Lissabon. Jetzt entscheiden wir, wohin wir fahren.

Das Gespräch führte Corinna Visser.[td_block_text_with_title custom_title=”SABINE PETZSCH”]Sabine Petzsch ist Projektleiterin beim Startup-Magazin The Hundert. Sie ist in Pretoria, Südafrika, aufgewachsen und hat dort studiert. Ihren Master in Kultur, Sprache und Medien hat sie in Flensburg gemacht. Sabine ist fasziniert von der Startup-Szene, weil sie erleben kann, wie einzelne Menschen mit einer guten Idee die Welt verändern können.