Rocket Internet:

Eine Analyse der Startup-Fabrik

30/10/2015
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Rocket Internet: sparsam mit Zahlen und Einblicken

Was ist Rocket Internet? Eine einfache Frage, die nicht einfach zu beantworten ist. Im Vorfeld des Börsengangs 2014 verglich sich Rocket Internet mit dem chinesischen Internetriesen Alibaba, der ebenfalls unabhängige Tochterfirmen betreibt. Die „größte Internetplattform außerhalb von China und den USA“ wollte man werden mit Tochterfirmen, die die Erfolgsmodelle anderer Unternehmen in den Rest der Welt bringen.

Einiges an diesem Bild ist schief. Wie kann eine Holding eine Internetplattform sein? Sprich, wo sind die zur Plattform gehörenden Netzwerk­effekte? Wie können Außenstehende eine Holding beurteilen, die nicht nur mehrere Startups unterschiedlichen Alters in unterschiedlichen Indus­trien, sondern auch noch in unzähligen Volkswirtschaften (im Rest der Welt!) betreibt?

Das Alibaba für den Rest der Welt klingt schön, setzt aber auch blindes Vertrauen voraus. Denn eine Einschätzung der gesamten Holding würde voraussetzen, dass man sich jedes einzelne Geschäft ansehen kann. Rocket Internet ist aber bis heute sparsam mit Zahlen und Einblicken. Vor dem Börsengang wurde gar mit der Global Fashion Group eine neue Startup-Gruppe gebildet, unter der Fashion-Startups zusammengefasst wurden, die, kann man vermuten, möglichst nicht einzeln ausgewiesen werden sollten – schnell wurde also noch eine Kennzahlenebene eingezogen. Es passte deshalb, dass Rocket Internet im Gegensatz zu Zalando am weniger regulierten Frankfurter Entry Standard an die Börse ging.

The Good, the Bad & the Ugly

Aber Rocket Internet ist auch nicht die Luftnummer, für die es von oberflächlichen Kritikern oft gehalten wird. Die Global Fashion Group, vor einem Jahr noch eine Bad Bank von Rocket Internet, geht dieses Jahr auf die Umsatzmilliarde zu (wenn auch weiterhin unprofitabel). Die Rocket Advertising Platform, Skyrocket (Technologieplattform) und Sellercenter (Marktplatzanbindung) bilden gemeinsam einen Rocket-übergreifenden Werkzeugkasten und in Folge Netzwerk- und klassische Skaleneffekte, die die Existenz der Holding über den Startups rechtfertigen können.

Was Rocket und die Samwers vor allem auszeichnete und vom Rest des deutschen, ja sogar des europäischen Internets unterscheidet, ist die Tatsache, dass sie Geldbeträge in Größenordnungen einsammeln konnten, die anderen, aus welchen Gründen auch immer, vorenthalten geblieben sind. Rocket konnte mit institutionellen Investoren wie Kinnevik Geldquellen öffnen, die es den Berlinern erlaubten, ein weltweites Startup-Netzwerk aufzubauen.

Dieser Aufbau benötigt Zeit. Rocket selbst und die Startups unter Rocket sind durch die Bank noch junge Unternehmen. Das heißt nicht, dass man hier Welpenschutz walten lassen sollte. Es heißt aber auch nicht, dass Profitabilität das Maß der Dinge ist, wenn sich das Geschäft noch im Aufbau befindet.

Aktuell keine überragenden Erfolge

Das erste Jahr nach dem Börsengang hat gezeigt, dass Rocket Internet die Erfolgsgeschichte von Zalando nicht so einfach wiederholen kann. Shopwings, das deutsche Pendant zu Instacart, das eine Art Uber für Lebensmittellieferungen werden sollte, hat sich aus dem deutschen Markt komplett zurückgezogen. Helpling, eine Art Uber für Reinigungskräfte, gibt in etlichen Ländern die Geschäfte auf und entließ jüngst ein Fünftel der Belegschaft. Auch die Wohnungsvermittlungsplattform Nestpick beispielsweise musste Entlassungen verzeichnen.

Dem gegenüber stehen auch gut laufende Start­ups, aber aktuell keine überragenden Erfolgsgeschichten. Der heißeste Börsenkandidat im Rocket-Portfolio, der Kochboxen-Anbieter Hello­fresh, kann gute, aber keine spektakulären Zahlen vorweisen. Für das größte Startup-Cluster im Portfolio, die Online Takeaway Group, hat sich Rocket für mehr als eine halbe Milliarde Euro in Delivery Hero (Lieferheld) eingekauft.

Ein riesiger Heuhaufen

Nachdem Rocket Internet auf der ersten Hauptversammlung im Juni dieses Jahres kaum Einblicke in das eigene Geschäft, die Strategie und das Selbstverständnis abseits von Floskeln und wenigen Zahlen geben wollte, fragten sich Anleger und Beobachter angesichts von Delivery Hero: Ist Rocket jetzt auch ein M&A-Unternehmen? Ein von den Fragen und der Kritik von Journalisten, Analys­ten und Shareholdern spürbar genervter Oliver Samwer hat auf dem Capital Markets Day von Rocket Internet im September deshalb deutlich machen müssen, dass dies eine Ausnahme war.

Auf dem Capital Markets Day hat man erstmals gespürt, dass Rocket Internet (endlich) anfängt, sich wie ein börsennotiertes Unternehmen zu präsentieren. Oliver Samwer bezeichnete Rocket treffend als „Operating Platform Company“; man denke etwa an den oben erwähnten Rocket-übergreifenden Werkzeugkasten. In zwölf Monaten wolle man in den strikter regulierten Prime-Standard. Damit einher geht mehr Transparenz. Das ist gut.

Kann Rocket Internet nach Zalando einen zweiten, dritten, vierten Hit produzieren? Können sie dort nachhaltige Unternehmen aufbauen? Ohne bessere Einsichten lassen sich diese Fragen schwerlich beantworten. Noch immer.

Rocket Internet ist noch ein riesiger Heuhaufen, bei dem das Rocket-Management bis vor Kurzem nicht verraten wollte, wie viele und welche Nadeln sich darin befinden. Es lässt sich also, und das ist vor allem eine Folge von Rockets Öffentlichkeitsarbeit, noch kein objektiv positives oder negatives Urteil über Rocket fällen. Es wird Zeit, dass Rocket Internet erwachsen wird und in seine neue Rolle als öffentlich notiertes Unternehmen hinein wächst. Dann können wir weitersehen.

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