Republica 2017:

„Wir brauchen einen Rocket-Mittelstand“

11/05/2017
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Mehr als 900 Speaker auf 20 Bühnen in drei Tagen. Das war die Republica 2017. Während die Initiatoren sich bereits auf das kommende Jahr vorbereiten, bleibt für die Teilnehmer und alle, die es vom 8. bis 10 Mai nicht nach Berlin geschafft haben, Zeit, sich die Veranstaltungen auf Youtube noch einmal in Ruhe anzuschauen. Aus Startup-Sicht interessant waren diese Termine.

Vom Accelerator zum Startup-Mentor

Auf der Republica ging es nicht nur um immer schnellere Entwicklungen im Netz, sondern auch um die Beschleunigung von Startups per Accelerator. Über deren Rollenwert im Lebenszyklus eines Startups sprachen Jörg Reinboldt, CEO bei Axel Springer Plug and Play, Alexander Hafner, Managing Director bei Techstars Metro und Yatan Blumenthal Vargos, Mitgründer von Hardware.co. Fazit der drei Experten: Accelerator spielen inzwischen eine weitaus größere Rolle, als nur eine Kontaktbörse zu möglichen Investoren zu sein. Unterschiedliche Meinung gab es beim Kontakt zum Unternehmen: Während Rheinboldt für eine frühzeitige Investition plädierte, warnte Hafner vor zu schnellen, engen Beziehung, da Ideen in großen Unternehmen unterzugehen drohten.

Förderung für Musik-Startups

Beim Panel „Music Tech: Wie Musik die Stadt verändert“ machte Springers Accelerator-Arm noch einmal auf das im März vorgestellte The Venue aufmerksam, einem Förderprojekt für Musiker und Startups im Musikbereich. Letztere hätten in Berlin aufgrund der lebendigen Clubkultur, die als Beta-Tester für technische Innovationen funktioniere, einen besonderen Vorteil. Allerdings seien Musiker und Musik-Startups durch steigende Preise und von Verdrängung aus dem Zentrum bedroht, so das Fazit der Panel-Teilnehmer. Initiativen wie The Venue oder das vom Senat getragene Musicboard sowie das Music-Tech-Netzwerk leisteten deshalb einen wichtigen Beitrag, den die Musikszene dringend braucht.

Stichwort: Datenschutz

Eine ganz andere Hürde für Startups diskutierten Jan Philipp Albrecht, für die Grünen Mitglied im EU-Parlament, Susanne Dehmel, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiterin des Arbeitskreises Datenschutz des Bitkom sowie Ingo Dachwitz von netzpoltik.org. Dokumentationspflichten bedeuteten vor allem für den Mittelstand einen enormen Mehraufwand. Internationale Unterschiede verhinderten zudem den einfachen Sprung auf weitere Märkte. Dehmel forderte deshalb „neue Prinzipien, wie Daten genutzt werden“. Durch diese könnten sich Unternehmen sogar einen Wettbewerbsvorteil schaffen.

Laut Albrecht sei dieser Wettbewerb aufgrund der neuen Datenschutz-Grundverordnung, die ab Mai 2018 verbindlich wird, gar nicht notwendig, da die Verordnung die Verarbeitung personenbezogener Daten EU-weit für Unternehmen vereinheitliche. Die Verordnung greife auch für nicht in Europa beheimatete Unternehmen wie Facebook und Google, die mit den Daten von EU-Bürgern arbeiten. Eine Forderung an Unternehmen hatte der Politiker dennoch parat: Er wünsche sich, dass Nutzer grundsätzlich jedem Zugriff auf ihre Daten ausdrücklich zustimmen können sollten.

Ein Rocket für den Mittelstand?

Der wirtschaftlichen Einordnung der Startup-Szene widmeten der Zeit-Kolumnist Steven Hill, die Wissenschaftlerin Anke Hassel von der Hertie School, der Arbeitswissenschaftler Max Neufeind und die Outfittery-Chefin Anna Alex ein Panel mit dem Thema „Future of Work“. Das Dilemma, stellte Neufeind fest, sei, dass Deutschland einerseits Anbieter wie Uber nicht unreguliert gewähren lassen könne, gleichzeitig aber die eigenen Startups nicht vorankommen. Laut Hill brauche es in Deutschland Unternehmen, die die Skalierfähigkeit von Startups und die Innovation des Mittelsstands vereinen – eine Art „Rocket Mittelstand“. Laut Anna Alex sei das keine gute Idee, da das Mindset der beiden Unternehmensarten einfach nicht zusammen passe.

Ein weiteres Problem, dem sich Hill annahm, ist die wachsende Zahl der Crowdworker – Selbständige, die mit anderen um Aufträge buhlen. Die große Menge sorge für geringe Preise, geringe Löhne und im Endeffekt für leere Sozialkassen. Das eigentliche Problem sei aber nicht die sogenannte Gig Economy, sondern die Agenda 2010, sagte Anke Hassel.