Neue Kollegen

aber bitte mit Kultur!

17/06/2016
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Firmenkultur und Recruiting – gehört das wirklich zusammen? Ja, und wie! Denn sämtliche Recruiting-Anstrengungen laufen ins Leere, wenn sich der Wunschkandidat nicht mit seinem neuen Arbeitgeber identifizieren kann. Die Folge: Entweder der Kandidat kündigt nach kurzer Zeit wieder, oder er fängt gar nicht erst an. Am schwerwiegendsten sind die Fälle, in denen das Unternehmen erst später entdeckt, dass das neue Teammitglied gar nicht zum Rest des Teams passen will. Auf die Erkenntnis folgt meist eine Leidensphase, an deren Ende oft die Trennung vom neuen Teammitglied steht. Das kostet Energie und Geld und vor allem wertvolle Zeit. Und genau die hat man als Startup in der Regel am wenigsten.

Das aufstrebende CRM-Startup Pipedrive aus Estland hat in sechs Jahren nur acht Mitarbeiter verloren oder entlassen – und das bei einer Mitarbeiterzahl von 160. Gründer Ragnar Sass sieht die Ursache dafür unter anderem im fünfköpfigen Gründerteam, das für Ausgewogenheit und Vielschichtigkeit steht. Differenzen werden ausdiskutiert. Pipedrive hat seine Prinzipien in sechs Firmenwerten zusammengefasst (siehe Kasten) und einen  aufwändigen fünfstufigen Bewerbungsprozess etabliert. Der Erfolg gibt ihnen recht – das Unternehmen wurde zum Arbeitgeber des Jahres in Estland gewählt und hat inzwischen 30.000 Kunden.

Warum ist der Fit zwischen Unternehmen und Mitarbeiter
so wichtig?

Die Unternehmenskultur ist das Herz jedes Unternehmens. Hinter diesem einfachen Begriff verstecken sich die Werte des Unternehmens und der Mitarbeiter. Sie ist der Klebstoff, der alles zusammenhält. Die Kultur zählt – neben anderen Faktoren wie Geld und Mission – zu den wichtigsten Gründen, sich für (oder gegen) ein Unternehmen zu entscheiden. Sie ist eine Art sozialer Vertrag zwischen Mitarbeitern und Unternehmen.

Dieser Vertrag kann auch helfen, Stress und Frust am Arbeitsplatz zu verhindern, was oft zu glücklichen Mitarbeitern, besserer Performance und weniger Fehltagen führt. Mitarbeiter möchten auch von Kollegen umgeben sein, die eine gleiche Einstellung zum Unternehmen und dessen Mission haben wie sie selbst. Viele Unternehmen achten beim Recruiting inzwischen mehr auf Soft Skills als auf Hard Skills.

Wie man eine herausragende Unternehmenskultur etabliert

Beim Thema Company Culture haben die meisten bereits eine klare Vorstellung, worum es dabei geht. Und doch stellt die Etablierung einer gesunden Unternehmenskultur das Führungsteam oft vor größere Herausforderungen. Um hier richtig zu handeln, muss man zunächst definieren, welche Art der Kultur wichtig ist. Wofür soll das Unternehmen stehen? Es gibt zahlreiche Indikatoren, im Kleinen wie im Großen. Idealerweise wird die Unternehmenskultur mit ihren Werten schon zur Gründung des Unternehmens festgelegt. Hierbei geht es nicht zwangsläufig um bunte Büros, Tischfußball, Yoga-Kurse, regelmäßige gemeinsame Mittagessen oder ein cooles Logo. Die Unternehmenskultur geht weiter und tiefer. Sie ist ein Commitment, ein authentisches Identifikationselement für die Mitarbeiter.

Das New Yorker Unternehmen CultureIQ ist Herausgeber einer Software für Unternehmenskultur. Dort hat man die wichtigsten Kriterien für eine funktionierende Unternehmenskultur zusammengetragen: Am wichtigsten ist demnach, dass jeder Mitarbeiter ein gleiches Verständnis von der Kultur hat und sich mit den Unternehmenszielen identifizieren kann. Dies beginnt logischerweise schon beim Recruiting. Als Unternehmen sollte man darauf achten, kultivierte Kandidaten einzustellen, die an das Unternehmen und seine Mission glauben. Denn die Mitarbeiter leben die Kultur nicht nur, sie prägen sie auch mit und tragen sie weiter. Doch nicht nur das: Als Unternehmen muss man auch die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter konstant im Blick haben. Denn nur glückliche Mitarbeiter bringen das Unternehmen weiter. Sie sorgen für glückliche Kunden und tragen ihren Spirit in die Community. Anders gesagt: „Teamwork makes the dream work.“

Das beste Beispiel hierfür ist der – sehr erfolgreiche – US-Schuhhändler und Zalando-Vorbild Zappos. Hier steht der Spaß im Mittelpunkt. Zappos bietet seinen Mitarbeitern nicht nur einen Job, sondern Unterhaltung. Denn auch eine frohe Belegschaft bedeutet im harten E-Commerce-Geschäft den Unterschied.

Auch im Recruiting macht Zappos vieles bewusst anders. So spielt zum Beispiel der Fahrer, der die neuen Kandidaten vom Flughafen abholt, eine entscheidende Rolle. Sollte ihm der Kandidat unsympathisch erscheinen, hat dieser keine Chance, den Job zu bekommen. Zappos bietet seinen Mitarbeitern nach der Probezeit sogar 5000 Dollar an, damit sie das Unternehmen wieder verlassen. Dadurch werden wankelmütige Kandidaten, die nicht 100-prozentig zum Unternehmen stehen, herausgefiltert. Amazon, das Zappos vor einigen Jahren übernommen hat, hat die 5000-Dollar-Frage übrigens adaptiert. Zappos Firmenchef Tony Hsieh hat seine Philosophien in dem sehr lesenswerten Buch „Delivering Happiness“ dokumentiert.

Auch Hubspot-Mitgründer Dharmesh Shah hat ein Buch geschrieben. In „Culture Code“ umreißt er ebenfalls die essenziellen Bausteine der Hubspot-Unternehmenskultur. So versucht Hubspot beispielsweise das Glück seiner Mitarbeiter konstant zu messen. Dieser Glücks-Index wird vierteljährlich als Report veröffentlicht: „Es begann mit der Entscheidung unserer Gründer, ein Arbeitsumfeld zu erschaffen, das zum Arbeiten und Leben unserer Mitarbeiter passt.“ Dazu gehören für Hubspot unter anderem auch Transparenz und die Selbstbestimmung der Mitarbeiter sowie die Garantie, dass Mitarbeiter-Feedback ernst genommen wird.

Wie findet man heraus, ob ein Kandidat zur Kultur passt?

Im ersten Schritt muss man versuchen, seine eigene Firmenkultur zu definieren. Das ist speziell für Startups nicht einfach. Ein Mission Statement ist ein guter Anfang. Auch Kollegen um ihre Meinung zu bitten, hat Sinn. Anschließend sollte sich die Unternehmenskultur unbedingt in den Jobanzeigen wiederfinden. So stellt man sicher, dass sich die richtigen Kandidaten angesprochen fühlen beziehungsweise Kandidaten sich nicht bewerben, wenn die Identifikation fehlt. Apple hat beispielsweise sehr früh mit „Think different“ seine Firmenphilosophie in seinem Claim manifestiert und damit klar signalisiert, welche Art von Mitarbeitern (und Kunden) man sich wünscht. Auch Googles Image ist eindeutig: Hier arbeiten die schlausten Köpfe und verändern gemeinsam die Welt. Nicht nur die Marktführerschaft und konstante Innovationen, auch die verspielten Büros und Zeit für eigene Projekte unterstreichen dies. Beide Unternehmen zielen geschickt auf Mitarbeiter, die sich verwirklichen wollen.

Diese Mitarbeiter zählen zu den engagiertesten und loyalsten, aber auch anspruchsvollsten. Sie suchen gezielt nach innovativen Umfeldern und einer Kultur der Neugierde und des konstanten Lernens. Kollaboration und Agilität sind ihnen genauso wichtig wie Verantwortung und die Arbeitsumgebung. Gelingt es Unternehmen, diese Kandidaten von sich zu überzeugen, spielt das Gehalt oftmals eine untergeordnete Rolle. Am Beispiel von Apple und Google gibt ihnen der Erfolg recht.