Online-Marketing:

Mit #Einhornkotze die Massen erreichen

26/09/2018
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„Sag ja zur Orangenhaut.“ Was wie ein Albtraum-Spruch für die Kosmetikindustrie klingt, ist der aktuelle Slogan für True Fruits´ neue Smoothie-Kreation. Frech und zweideutig, so katapultierte Mitgründer und Online-Marketing Chef Nic Lecloux gesundes Fruchtmus zur sexy Marke im Kühlregal.

Online-Marketing: Content ist King

Content-Marketing von seiner besten Seite. Mittlerweile werden die Glasflaschen mit den wechselnden Keramikaufdrucken, die mit Texten wie „Gesamt und Geschüttelt“ oder #Einhornkotze gerne mal irritieren und provozieren als Sammlerstücke gehandelt. Der Jahresumsatz 2017 lag bei 43 Millionen und machte knapp ein Viertel des Gesamtumsatzes auf dem deutschen Smoothie-Markt aus.

Ein großes Budget brauchte True Fruits dafür nicht. Frechheit siegt. Auch wenn einige Kampagnen einen echten Shitstorm hinter sich herzogen, der viralen Reichweite tat das keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil ernteten die frechen Früchte damit gratis PR. Fazit: Guter Content ist – und bleibt in den nächsten Jahren – das Geheimrezept für erfolgreiches Online-Marketing.

Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie „Digitale Marketing Trends 2018“ des Beratungsunternehmens Absolit. 81 Prozent der 1.120 befragten Unternehmen gaben an, sich damit zu beschäftigen, 2017 waren es noch 75 Prozent. Der Grund für die gestiegene Relevanz guten Contents: Marketer versprechen sich davon die größte Steigerung von Umsatz und Leads.

Gute Inhalte und dann?

Fruchtbar zeigt sich diese Strategie beim Berliner Startup Einhorn, das seit 2015 mit veganen Kondomen den Verhütungsmittel-Markt aufmischt. Der schrill-bunten Welt voll frecher Sprüche rund ums Thema Sex folgen mittlerweile 16.500 Fans auf Instagram (2017 waren es 7.000), 27.550 auf Facebook (2017 waren es 18.000) – und das bei „Online-Marketing-Ausgaben um die 2.000 Euro pro Monat“, erklärt Waldemar Zeiler, Mitgründer von Einhorn.

„Unsere Idee von Online-Marketing ist es, selbst keines zu machen. Wir verwenden keine teuren Tools. Google Adwords machen wir gar nicht. Unser SEO-Ranking ist aber sehr gut, denn wir schaffen Reichweite mit Content, Presse und der damit verbundenen Viralität.” Beweis ist die explodierende Presse-Ecke auf der Einhorn-Website. Alle haben – und wollen – über das Startup und dessen „horny” Aktionen berichten.

„Eigentlich haben wir aus der Not heraus damit angefangen, weil wir kein Budget hatten und keine Investoren wollten”, erinnert sich Waldemar. „Mittlerweile hat sich daraus ein Alleinstellungsmerkmal entwickelt, das niemand anderes hat.” Das Ergebnis: 2016, also ein Jahr nach der Gründung, knackten die Einhörner die Millionen-Marke und 2017 lag der Umsatz bei 1,7 Millionen Euro. Knallhart wirtschaftlich gerechnet wird man damit zwar nicht unbedingt reich, aber dafür sind alle Einhörner nach eigener Aussage glücklich – einfach deshalb, weil sie ihre Story leben. Und so was schafft natürlich viele Fans.

95 Prozent aller Unternehmen nutzen Social Media

95 Prozent bespielen Social Media 44 Prozent der von Absolit befragten Marketer gaben an, mehr Budget in die Verbreitung der Inhalte über Social Media stecken zu wollen. Inzwischen bespielen 95 Prozent aller Unternehmen die sozialen Kanäle – und zwar unabhängig von Branche und Unternehmensgröße.

Insgesamt wurden 2017 in Deutschland 5,24 Milliarden Euro für Online-Marketing ausgegeben, das ist knapp zehn Mal so viel, wie die Deutsche Bundesliga laut Weltverband FIFA 2017 für neue Spieler ausgegeben hat. Was nicht funktioniert, wird wohl für immer im Dunklen bleiben, aber wir alle kennen sie, die strahlenden Sterne am Online-Marketing-Himmel.

Edeka rührt uns zu Tränen und gibt es noch jemanden, der die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) trotz vollgepackter U-Bahnen und ausgefallener Busse nicht doch ins Herz geschlossen hat? Selbst bei der Bundestagswahl wurde ein großer Teil des Budgets in Online-Marketing gesteckt, bei den Grünen laut Politikberater Martin Fuchs sogar die Hälfte des Gesamtbudgets in Höhe von fünf Millionen Euro.

Finde deine Nische

Auch Startups wie Asana Rebel und Hellofresh setzen auf die Reichweitenstärke von Social Media. Dabei hängen Wahl und Erfolg des Kanals auch eng mit den verbreiteten Inhalten zusammen. So brillieren gesponserte Posts appetitliche Gerichte und sexy Yogaposen auf Instagram (Hellofresh: 49.100, Asana Rebel: 519.000). Urban Sports Club baut neben der erfolgreichen Facebook-Seite (48.500 Follower) jetzt noch Facebook-Communitys in einzelnen Städten auf.

Auch Einhorn etablieren gerade erste geschlossene „Facebook-Geheimgruppen”. Wer will da nicht mal durchs Schlüsselloch peepen? Auch wenn eure Geschäftsidee nicht so betörend anziehend ist, Facebook-Gruppen sind ein schlauer Schachzug. Denn die Klagen, dass Facebook-Anzeigen für Unternehmensseiten nicht mehr so gut laufen, werden immer lauter.

Weebly, ein in San Francisco beheimateter Anbieter von sehr einfach zu erstellenden Webseiten für E-Commerce- und Kleinunternehmen, wollte es genauer wissen und befragte 2017 knapp 2.500 seiner Kunden. 89 Prozent davon nutzen Facebook tatsächlich als Werbeplattform, 62 Prozent sind jedoch davon überzeugt, dass ihre dort geschalteten Anzeigen nicht die Zielgruppe erreichen. Und das, obwohl Facebook im Grunde der Vorreiter in Sachen Zielgruppentargeting ist.

Online-Marketing lohnt sich

Möglichst exakte Personas und cleveres Targeting sind mittlerweile im Online-Marketing Standardrepertoire. Denn Erfolg ist denen beschert, die für ihr Produkt die richtige Nische finden. Ecosia, eine Suchmaschine, die den Großteil ihrer Einnahmen in das Pflanzen von Bäumen investiert, hat es geschafft. Sieben Millionen aktive Nutzer, knapp 900.000 Facebook-Fans, Beiträge bekommen bis zu 20.000 Likes und werden von Tausenden geteilt.

Interessant ist, dass mit einem Marketing-Budget von knapp zehn Prozent die monatlichen Einnahmen von rund 100.000 Euro im Januar 2015 auf über 600.000 Euro im März 2017 gesteigert werden konnten. Es lohnt sich also durchaus für Startups, einen guten Teil des Werbebudgets hier zu lassen.

Online-Marketing-Guru Andre Alpar vergleicht die Nutzung von Social Media mit dem Fischen in einem großen Teich (siehe Interview). Ist eine Stelle leergefischt, angelt der findiger Marketer einfach an der nächsten – und um neue Potenziale aufzudecken. Und damit fängt der Spaß erst richtig an.

Low-Budget-Tipps für online Marketer

Low-Budget-Tipps, mit denen sich Inhalte erfolgreich verbreiten lassen, sind Kooperationen mit anderen Startups, die eine ähnliche Zielgruppe haben, die Zusammenarbeit mit Influencern oder den Moderatoren von reichweitenstarken Facebook-Gruppen – und Growth-Hacking-Kampagnen.

Fünf Growth-Hacks, die funktionieren

  1. Mit der Freemium-Version holte Slack in einem Jahr täglich 500.000 aktive Nutzer auf die Plattform. Heute sind es fünf Millionen, eineinhalb Millionen bezahlen.
  2. Airbnb nutzte Craigslist, eine Kleinanzeigenseite mit gigantischer Reichweite, um seine Listings zu bewerben.
  3. Dropbox machte sich beliebt, indem es Nutzern gratis Speicherplatz bot, wenn diese ihre Files und Informationen über Dropbox auf Social Media teilten.
  4. PayPal bezahlte aktive Kunden dafür, den Service weiterzuempfehlen – und zwar 60 Millionen US-Dollar. Klingt wie eine Menge? Nicht, wenn man weiß, dass PayPal heute 100 Milliarden US-Dollar wert ist.
  5. RjMetrics gaben nur 50 US-Dollar für ihren GrowthHack aus. Sie verlosten zehn Mal ein Dutzend Cupcakes unter den Teilnehmern einer Mini-Studie. Innerhalb von zwei Wochen gab es 1,5 Mal mehr Einsendungen. Mit einem iPad als Gewinn hatte es zuvor nicht funktioniert.

Kurz: Nutzer müssen an ein Angebot glauben, die Kampagne so witzig oder den Mehrwert so bereichernd finden, dass eine Weiterempfehlungs-Lawine ins Rollen kommt. Ein Tipp sind Coupons und Gutscheine. Denn darüber freuen sich laut einer Umfrage des weltweit größten Gutschein-Marktplatzes Retailmenot 71 Prozent der Empfänger, rund ein Drittel vergisst jedoch, diese einzulösen. Übrigens: Ihr dürft alles, was ihr hier gelesen habt, gerne teilen!

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