Herzlich willkommen im Ruhrgebiet – auch bekannt als Ruhrpott, Revier, Kohlenpott, Ruhrstadt, Metropole Ruhr, Ruhr Valley oder der neuesten Variante: Stadt der Städte. Das Ruhrgebiet hat nicht nur viele Bezeichnungen. Es hat von vielem viel: viele Städte (53), viele Einwohner (5,5 Millionen), viel Verkehr auf vielen Autobahnen, viele Hochschulen (22!) mit vielen Studierenden, viele Probleme (ja …), viel Potenzial (ja!) und gerade ganz viel Aufbruchstimmung (JA!).
Wovon das Ruhrgebiet zugegebenermaßen noch zu wenig hat, ist Gründergeist, große Geschichten erfolgreicher Startups, ein gut ausgebautes und vernetztes Ökosystem. Noch! Denn hier tut sich gerade etwas. Wie gesagt, es herrscht Aufbruchstimmung.
BOCHUM
Einwohner 2016: | 364.742 |
Einwohner je km2: | 2.504,10 |
Durchschnittsalter: | 45 Jahre |
Studenten: | 57.149 |
Arbeitslosenquote: | 10,00 Prozent |

Aber es hat sich eben auch lange Zeit nichts oder nur sehr wenig getan. Für Startup-begeisterte Ruhrgebietsbewohner zum Kopfschütteln unbegreiflich; denn eigentlich hat die Region, übrigens die fünftgrößte Metropolregion in Europa und die größte in Deutschland – in vieler Hinsicht gute Voraussetzungen: Neben der Hochschuldichte haben Dax-Konzerne wie RWE, Eon oder Thyssenkrupp genauso ihren Stammsitz im Ruhrgebiet wie zahlreiche mittelständische Industrieunternehmen. 155.000 Unternehmen sorgen hier für einen Jahresumsatz von 330 Milliarden Euro. Was die Infrastruktur betrifft, gilt das Ruhrgebiet als die am besten erschlossene Metropolregion in Europa.
DORTMUND
Einwohner 2016: | 568.181 |
Einwohner je km2: | 2.088,20 |
Durchschnittsalter: | 43 Jahre |
Studenten: | 51.680 |
Arbeitslosenquote: | 11,20 Prozent |

Doch warum hat es bisher nicht geklappt, eine ruhrgebietsweite Gründerkultur zu schaffen? Einer der Gründe hierfür ist, dass das Ruhrgebiet eine etwas andere Metropolregion ist als beispielsweise Paris, London oder Berlin. Hier gibt es nicht die eine zentrale Stadt der Region. Die Metropole Ruhr besteht aus mehr als 50 Städten – großen wie kleinen. Und jede dieser Städte hat ihren Bürgermeister und Verwaltungsapparat. An einem großen Metropolen-Strang wird selten gezogen. Jede Stadt sorgt sich zunächst um ihr eigenes Wohl.
DUISBURG
Einwohner 2016: | 491.231 |
Einwohner je km2: | 2.110,10 |
Durchschnittsalter: | 44 Jahre |
Studenten: | 20.274 |
Arbeitslosenquote: | 12,40 Prozent |

Doch das Engagement einzelner Städte wie Dortmund zum Beispiel, eine Gründerkultur zu fördern, reicht nicht, um einen solchen Aufschwung in der gesamten Region zu bewirken. Das Kirchturmdenken der einzelnen Städte war und ist einer der Hemmschuhe für die Entwicklung eines übergreifenden Startup-Ökosystems Ruhr, auch wenn es hier und da und immer mal wieder Anzeichen für eine Annäherung, für eine Zusammenarbeit gibt. Beispiele sind die gemeinsame Bewerbung der großen Ruhrgebietsstädte für einen vom Land geförderten Digital-Hub, der heute als Ruhr Hub seinen Sitz in Essen hat, oder die neue Image-Kampagne „Stadt der Städte“, die sich vor allem an Investoren und Fachkräfte richtet, initiiert von der ruhrgebietsweiten Wirtschaftsförderung Business Metropole Ruhr. Hier geht es vor allem darum, den Kohlenstaub der vergangenen Bergbauära abzuschütteln. Der klebt nämlich immer noch hartnäckig am Image, das die Außenwelt vom Ruhrgebiet hat.
BOTTROP
Einwohner 2016: | 117.143 |
Einwohner je km2: | 1.164,30 |
Durchschnittsalter: | 45 Jahre |
Studenten: | 1.300 |
Arbeitslosenquote: | 7,60 Prozent |

„DAS RUHRGEBIET BESINNT SICH AUF SEINE KERN-KOMPETENZEN: INDUSTRIE, HOCHTECHNOLOGIE UND HARTE ARBEIT“
Herbert Grönemeyers Ode an seine Geburtsstadt Bochum scheint mit der Eingangszeile „Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt“ größeren Bestand zu haben als all die Bemühungen des Ruhrgebiets, sich von einer neuen Seite zu zeigen. Ob als Kulturhauptstadt 2010 mit deutschlandweit renommierten Theater- und Opernhäusern oder als grüne Vorreiter mit Großprojekten wie der Renaturierung der Emscher, einstmals Kloake des Ruhrgebiets, jetzt Naherholungsgebiet und weltweites Vorzeigeprojekt in Sachen Flussumbauten. Spielt alles keine Rolle, wie unlängst eine Studie des Regionalverbands Ruhr zeigte. Mit Innovation und Lebensqualität wird das Ruhrgebiet immer noch nicht in Verbindung gebracht. Natürlich gibt es noch genügend graue und hässliche Ecken. Doch wo gibt’s die nicht? Oder um Ruhrgebiets-Autor Frank Goosen beziehungsweise dessen „Oppa“ zu zitieren: „Woanders is auch scheiße“.
Zum schlechten Image trägt zudem die scheinbar unendliche Geschichte des Strukturwandels bei, mit der sich die Region seit Jahrzehnten herumplagt. Dabei hat sich hier inzwischen einiges getan. Nach Versuchen, das Ruhrgebiet in eine Dienstleistungsgesellschaft oder Brutstätte der Kreativwirtschaft zu verwandeln, besinnt sich die hiesige Wirtschaft zunehmend wieder auf ihre Kernkompetenzen: Industrie, Hochtechnologie und harte Arbeit.
ESSEN
Einwohner 2016: | 582.624 |
Einwohner je km2: | 2.769,90 |
Durchschnittsalter: | 44 Jahre |
Studenten: | 70.741 |
Arbeitslosenquote: | 11,30 Prozent |

Für innovative Hightech-Startups zeigen hier vor allem zwei Branchen besonderes Potenzial, zum einen Logistik, wobei allein schon der Duisburger Hafen als größter Binnenhafen Europas eine wichtige Rolle spielt und auch das Hochschulangebot in diesem Bereich wächst, zum anderen Energie- und Umweltwirtschaft. In Sachen energieeffizienter Industrie nimmt das Ruhrgebiet inzwischen deutschlandweit eine Vorreiterrolle ein und ist bereits jetzt Standort Nummer eins für Umweltwirtschaft in Nordrhein-Westfalen.
Quelle: EY Startup-Barometer
Bei der Gründung von Startups in diesen Bereichen spielen die hiesigen Hochschulen natürlich eine wichtige Rolle. Wurde dort das Thema Gründen bisher eher vernachlässigt, zeigt sich ein Wandel. An der Universität Duisburg-Essen beispielsweise gibt es den neuen und fachübergreifenden Studiengang Innopreneurship. Und auch die Technische Universität Dortmund hat ihr Engagement mit dem Centrum für Entrepreneurship & Transfer weiter gestärkt.
GELSENKIRCHEN
Einwohner 2016: | 260.368 |
Einwohner je km2: | 2.481,10 |
Durchschnittsalter: | 44 Jahre |
Studenten: | 17.440 |
Arbeitslosenquote: | 14,10 Prozent |

Die Aufbruchstimmung jedoch, der eigentliche Nährboden für ein wachsendes Startup-Ökosystem, kommt vor allem direkt von der Basis, also den Gründern selbst. Das eigene Ding zu starten, ob direkt nach der Uni oder den ersten Jahren im Konzern, bleibt für immer mehr Gründungsinteressierte nicht nur eine Idee, sondern wird immer öfter auch in die Tat umgesetzt. Dabei kommen erfolgreiche Beispiele nicht unbedingt aus den angesprochenen Hightech-Branchen, sondern aus unterschiedlichen Bereichen. Seien es die Schnäppchen-Portale der Uniq GmbH aus Holzwickede, angefangen mit Urlaubsguru, die innerhalb von fünf Jahren ein Unternehmen mit 180 Mitarbeitern hochgezogen haben.
Quelle: eigene Recherchen
Oder Employour aus Bochum, das mit Karriereportalen wie Ausbildung.de, den großen Medienkonzernen zuerst den Rang ablief und 2015 schließlich an Gruner + Jahr verkauft wurde. Oder auch das Duisburger Startup Mifitto, das sowohl mit Software als auch mit Hardware E-Commerce revolutionieren will.
„DIE ENTWICKLUNG DES ÖKOSYSTEMS IST NOCH SEHR FRISCH“
HERNE
Einwohner 2016: | 155.851 |
Einwohner je km2: | 3.030,90 |
Durchschnittsalter: | 45 Jahre |
Studenten: | – |
Arbeitslosenquote: | 12,20 Prozent |

Die Vernetzung und den Austausch untereinander und zunehmend auch mit dem hiesigen Mittelstand und der Industrie wurden und werden maßgeblich von Seiten junger Unternehmen aus angefacht, sei es das Tabu-Thema Scheitern mit den Fuckup Nights auf die Bühnen des Ruhrgebiets zu bringen oder mit dem Ruhrsummit im vergangenen Jahr erstmals eine große Startup-Konferenz zu organisieren, auf der hochkarätige Teilnehmer aus der gesamtdeutschen Startup-Szene zu Gast waren. Finanzielle und vernetzende Unterstützung findet dieses Engagement der Gründer verstärkt in der etablierten Wirtschaft.
MÜLHEIM
Einwohner 2016: | 169.278 |
Einwohner je km2: | 1.854,50 |
Durchschnittsalter: | 46 Jahre |
Studenten: | 5.150 |
Arbeitslosenquote: | 8,10 Prozent |

Allen voran agiert dabei der Initiativkreis Ruhr, das Wirtschaftsbündnis aus mehr als 70 Konzernen und Unternehmen der Region, der sich die Stärkung der Gründerkultur auf die Fahnen geschrieben hat. Neben der Unterstützung von Event-Formaten oder Szene-Portalen wie Ruhrgründer hat er in Kooperation mit der NRW Bank mit dem Gründerfonds Ruhr einen Venture-Capital-Fonds für Startups der Region aufgesetzt. Darüber hinaus entstehen seit den vergangenen ein bis zwei Jahren über das ganze Ruhrgebiet verteilt immer mehr Coworking Spaces und Startup-Accelerator für unterschiedliche Branchen.
OBERHAUSEN
Einwohner 2016: | 210.934 |
Einwohner je km2: | 2.736,20 |
Durchschnittsalter: | 45 Jahre |
Studenten: | – |
Arbeitslosenquote: | 11,00 Prozent |

Diese Entwicklungen hin zu einem wachsenden Startup-Ökosystem im Ruhrgebiet sind noch sehr frisch, zu frisch, um zu beurteilen, ob der Wandel wirklich gelingen wird. Aber die Aufbruchstimmung, die Lust, etwas in der Region zu bewegen und sein eigenes Ding zu machen, ist ansteckend. Deswegen noch einmal ein herzliches Willkommen in der wenigstens schon mal gefühlten Startup-Metropole Ruhrgebiet!
WITTEN
Einwohner 2016: | 96.700 |
Einwohner je km2: | 1.335,60 |
Durchschnittsalter: | 45 Jahre |
Studenten: | 2.327 |
Arbeitslosenquote: | 7,10 Prozent |


Dieser Artikel erschien zuerst in BERLIN VALLEY SPEZIAL – STARTUP-SZENE RUHRGEBIET. Die Sonderbeilage analysiert auf 48 Seiten den Standort, lässt die wichtigen Player aus Old und New Economy zu Wort kommen und zeigt, wie die Menschen der Region zupacken, um den anderen Ökosystemen den Rang abzulaufen. In keiner anderen Region in Deutschland ist der Freiraum zu gestalten so groß wie in der Metropole Ruhr. BERLIN VALLEY SPEZIAL – STARTUP-SZENE RUHRGEBIET jetzt kostenlos laden und lesen
[…] für Deutschland als auch für ganz Europa. Duisburg hat den größten Binnenhafen Europas und die Infrastruktur ist sehr gut ausgebaut. Konzerne wie Ikea oder Amazon haben deshalb große Lager hier. Außerdem haben wir sowohl eine […]
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