Hamburg,

meine Perle, du wunderbare Startup-Stadt

22/06/2017
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Hamburg ist die beste Stadt für Startups in Deutschland. Punkt. Nur sprechen wir hier nicht so darüber, das nennt sich hanseatisches Understatement und gehört zu der Stadt wie Franzbrötchen und Astra.

In den späten 1990er ­Jahren war Hamburg die Internet­-Hauptstadt Deutschlands – damals waren hier die meisten der damaligen Firmen ansässig, wenn sie nicht in München waren. Dann zog Berlin mit Standgas an Hamburg vorbei, und lange nahm man das schulterzuckend zur Kenntnis, weil „ist ja nur Internetz“ und der Hamburger an sich konzentriert sich auf den Hafen. Aber mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass diese Startups ein Jobmotor sein kön­nen, und so haben unter Bürgermeister Olaf Scholz die Startups einen ganz an­ deren Stellenwert bekommen.

8.604 IT-Unternehmen gibt es in der Hansestadt

Quelle: Handelskammer Hamburg

Für Hamburg gilt allerdings immer auch das, was der damalige Innensenator und spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt seiner Heimatstadt Hamburg bereits 1962 ins Stammbuch schrieb: „Es bleibt Hamburg, diese großartige Synthese einer Stadt aus Atlantik und Alster, aus Buddenbrooks und Bebel, aus Leben und Lebenlassen. Ich liebe diese Stadt mit ih­ren kaum verhüllten Anglizismen in Form und Gebärden, mit ihrem zeremoniellen Traditionsstolz, ihrem kaufmännischen Pragmatismus und ihrer zugleich liebens­werten Provinzialität. Aber ich liebe sie mit Wehmut, denn sie schläft, meine Schöne, sie träumt; sie ist eitel mit ihren Tugenden, ohne sie recht zu nutzen; sie genießt den heutigen Tag und scheint den morgigen für selbstverständlich zu halten – sie sonnt sich ein wenig zu selbstgefällig und lässt den lieben Gott einen guten Mann sein.“

Quelle: Startup Spot Hamburg (Stand: 21. Juni 2017)Quelle: Startup Spot Hamburg (Stand: 21. Juni 2017)

Großes Potenzial

Das regt mich an Hamburg wirklich auf. Es ist eine ver­dammt reiche Stadt, aber hier wird viel zu wenig in digitale Geschäftsmodelle investiert, denn, jetzt kommt’s: „Mit dem neu­modischen Krams kenne ich mich nicht aus.“ Das darf man hier wirklich unge­straft sagen, und Männer in Goldknopfjackets nicken sich dann vielsagend zu. Es ist viel Geld in Hamburg, aber noch zieren sich zu viele Unternehmen und vor allem zu viele vermögen­de Hamburger, in Startups zu investieren.

Binnenalster im Sommer: radeln und rasten (Bild: Vallbracht)

Dabei ist das Potenzial gigantisch. Hamburg hat nicht nur den drittgrößten Hafen Europas und damit jede Menge Logistik vor Ort, sondern ist mit Airbus auch der wichtigste Luftfahrtstandort des Landes, hat darüber hinaus eine riesige Kreativbranche mit großen und kleinen Agenturen und ist mit seinen vie­len Medienhäusern der Medienstandort Nummer eins in Deutschland. Auch die IT­-Branche mit um die 10.000 Unternehmen muss sich nicht verstecken. Viele große Internetfirmen haben ihre deutschen Unternehmenszentralen in Hamburg, das reicht von Google über Facebook, Twitter bis Dropbox und vermutlich bald Snap. Hamburger Firmen wie Xing, Tipp24, Jimdo, Bigpoint, Innogames, Goodgames bis hin zum E-­Commerce­-Giganten Otto runden das Bild ab.

Vielleicht ist Otto ein Paradebeispiel da­ für, wie Hamburg funktioniert. Otto hat viel Tradition und kommt vom Katalog­geschäft, hat aber in den vergangenen Jahren sicherlich keinen Stein auf dem anderen ge­lassen und dreht den gesamten Konzern in Richtung Digitalisierung. Das verläuft überwie­gend geräuschlos, wenn man mal von About You absieht, denn die geben ziemlich laut Vollgas, aber im Otto­-Konzern selbst werden eben fast alle mitgenommen auf den Weg in das digitale Zeitalter.Quelle: EY Start-up-BarometerQuelle: EY Start-up-Barometer

Hamburg zeichnet aus, dass es als zweitgrößte Stadt des Landes mit 1,8 Millionen Einwohnern doch recht kompakt ist: So konzentriert sich die Hamburger Szene vor allem im Bereich des Schanzen-­ und Karolinenviertels, also in dem klassischen Szene­-Viertel der Stadt, hinzu kommen Ottensen und die Innenstadt sowie die Hafencity. Das sind alles Distanzen, die man bequem mit dem Fahrrad oder Bus und Bahn bewältigen kann.

Ein Kristallisationspunkt der Startup-­Branche ist sicherlich das Betahaus auf der Schanze, in dem neben Coworking viele Veranstaltungen für GründerInnen stattfinden. Aber auch das Mindspace am Rödingsmarkt entwickelt sich prächtig, genauso wie die vielen anderen Coworking Spaces, die ge­rade an jeder Ecke aufploppen. Darüber hi­naus hat Hamburg natürlich Alster und Elbe, Nordsee­ und Ostsee in der Nähe und wenn man mag, dann ist auch ein dänischer Hot Dog nicht allzu weit entfernt. Einen Regenschirm sollte man sich für Hamburg allerdings nicht anschaffen, denn wegen des Windes kommt der Regen meist von der Seite, aber dafür wird der Sommer hier von allen zelebriert, als wür­de es kein Morgen geben.

38 Unternehmen haben 2016 in Hamburg Risikokapital erhalten

Quelle: EY Start-up-Barometer

Wir holen mit dem Next Media Accelerator alle sechs Monate junge Gründerinnen und Gründer aus ganz Europa und Israel nach Hamburg, damit sie hier schneller wachsen können. Kaum eines dieser Teams hatte vorher Hamburg auf der Liste der Orte, in denen man als Startup sein Geschäft aufbauen will. Aber alle sind schon nach kurzer Zeit begeistert, und das liegt nicht am Wetter. Am Wetter liegt vermutlich die hohe Produktivitätsquote.

Wichtiger Arbeitgeber in Hamburg: der Flugzeugbauer Airbus (Bild: C. Brinkmann/Airbus)

Die Startups schätzen die Verbindlichkeit, mit der man in Hamburg Business macht. Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda, unter anderem zuständig für die Medienbranche, drückt dies so aus: „In Hamburg kommen Kreativität und Kaufmannsgeist zusammen. Hier kennt man sich mit Gründen und mit erfolgreichem Business aus. Und hier spielt die Digital­ und Kreativwirtschaft schon seit langem eine herausragende Rolle.“

In Hamburg gilt also ein Händedruck unter Kaufleuten noch etwas, und man versucht nicht, anderen Leuten Zeit zu stehlen, sondern man wird schnell konkret. Hamburg ist ein vergleichsweise teures Pflaster, hier kann es sich niemand leisten, permanent zwischen zwei Projekten zu sein, sondern hier wird zielgerichtet gearbeitet, ganz gleich ob Startup oder Konzern.

„Hamburg ist als IT- und Kreativstandort in großem Maße attraktiv für uns. Seit der Eröffnung unseres Büros in der Hansestadt vor 15 Jahren investieren wir in den Standort, die Stadt bietet uns nach wie vor beste Rahmenbedingungen“

KAY OBERBECK, Direktor Kommunikation und Mitglied der Geschäftsleitung Google Deutschland

Internationales Flair

Wir haben in Hamburg immer mehr Veranstaltungen für Startups, aber man kommt dennoch zum Arbeiten und kann sich ziemlich passgenau die Events heraussuchen, die für das eigene Unternehmen wichtig sind. Hamburg hat als Hafenstadt sowieso ein internationales Flair, aber auch im Alltag kommt man hier mit Englisch gut zurecht, was Startups und Arbeitskräfte aus ganz Europa anzieht.

Hier trifft sich die Hamburger Szene: im Karolinenviertel (Bild: Steffi Reichert/Flickr)

Der Journalist und Autor Wolf Lotter hat mal gesagt: „Hamburg – das ist Kreativwirtschaft für Erwachsene.“ Da ist sehr viel Wahres dran. Vielleicht fehlt uns manchmal das Spinnerte, aber dafür gehen wir sehr fokussiert vor in Hamburg, egal ob man eine Gründerin in Turnschuhen ist oder in einem etablierten Unternehmen arbeitet. Denn Geld für Startups ist immer noch knapp, auch wenn es besser wird.

Hamburg hat im Vergleich zu Berlin, London oder dem Silicon Valley noch zu wenig erfolgreiche Gründer hervorgebracht, die danach wieder in das lokale Ökosystem investieren und damit für nachhaltige Ansiedlungen von Startups sorgen. Es ist in Hamburg immer noch zu umständlich, als Gründer oder Gründerin an Geld heranzukommen, trotz guter städ­tischer Angebote wie Inno­-Ramp-Up, bei dem es bis zu 150.000 Euro Förderung gibt, oder Innovationsstarter Fonds, bei dem bis zu 500.000 Euro investiert werden. Gerade wenn es um die Seed­-Finanzierung geht, ist das Angebot in Hamburg überschaubar.

„In Hamburg finden wir große Medienhäuser, große Unternehmenskunden, wichtige Kreativagenturen, starke Online-Player und vielversprechende Startups vor. Dieser großartige Mix bietet unseres Erachtens ideale Voraussetzungen für jede Menge Inspiration und Business-Potenzial“

THOMAS DE BUHR, Managing Director Twitter Deutschland

Allerdings hilft es wenig, jetzt in Wehklagen auszubrechen, denn Hamburg hat noch einen ziemlich coolen Trumpf im Ärmel: Hamburg und Berlin sind mit dem ICE knapp zwei Stunden auseinander und endlich gibt es WLAN auf der Strecke. Wenn man auf Hamburg guckt, dann sollte man im Blick haben, dass Berlin quasi um die Ecke ist und dass beide Städte in vielen Punkten komplementär sind. Die Nähe kann die Startup-­Branche noch viel besser für sich nutzen. Zu wenig Kapital in Hamburg? Dann fährt man eben für Termine nach Berlin. Zu we­nig mittelständische Wirtschaft in Berlin? Dann fährt man nach Hamburg. Es ist so einfach und ein riesiger Standortvorteil für beide Städte.

Hamburg Hauptbahnhof: Wer will, hat eine schnelle Verbindung nach Berlin (Bild: Deutsche Bahn)

Wenn man in Hamburg lebt, dann weiß man, dass man ohne Übertreibung und bei aller hanseatischer Zurückhaltung in der schönsten Startup-­Stadt der Welt lebt. Aus dem Tor zur Welt wird für immer mehr Startups aus Europa und Israel das Tor zum digita­len Binnenmarkt Europas.Quelle: Mitarbeiterzahlen aus dem Jahr 2015, Hamburger Abendblatt