10 Jahre NOAH:

Gründer Marco Rodzynek blickt in die Zukunft

12/06/2019
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Was ist heute dein Hauptziel für die NOAH Conference? Hat sich das seit der Gründung verändert?

Marco Rodzynek: Wir haben die NOAH Conference vor zehn Jahren in London begonnen, um dort Geldgeber mit Ideengebern zusammenzubringen. Wir sahen hier eine große Lücke, die wir füllen wollten. Denn nirgends haben wir andere Veranstaltungen oder Plattformen gefunden, auf denen sich Start-ups effizient und effektiv vielen Investoren gleichzeitig vorstellen konnten. Die NOAH dient also in dem Sinne als Plattform für physische Meetings zwischen Investoren und den für sie passenden Unternehmen und Startups. Seit 2009 hat sich die NOAH nicht nur thematisch breiter aufgestellt, sondern auch lokaler. Seit 2015 gibt es die NOAH Conference in Berlin, seit 2017 in Tel Aviv und ab 2020 werden wir erstmalig auch in der Schweiz zu finden sein und eine Konferenz in Zürich ins Leben rufen. Die NOAH Berlin wächst dabei weiter. Erstmals wird es zehn verschiedene Fokusthemen geben – von Fin- und Insurtech über Revolutionary Consumer Products bis hin zu Blockchain Powered Businesses.

„Die Synergien die bei den tausenden Gesprächen und Treffen vor Ort freigesetzt werden sind enorm“

Die Teilnehmerzahl hat sich seit eurer Gründung mehr als verzehnfacht. Wie erklärst du dir den Erfolg?

Marco Rodzynek: Die NOAH bietet eine einzigartige Plattform für Investoren, etablierte Unternehmen und Startups. Dort können Sie sich zu vernetzen und Geschäftsbeziehungen beginnen. Nirgendwo sonst findet man auf einem einzigen Fleck so viele spannende Unternehmen und Personen. Die NOAH ist bekannt für ihre Speaker aus hochkarätigen Unternehmen und die hochrangigen Investoren. Mit minimalem Aufwand können sich die Teilnehmer über die aktuellen Trends in der europäischen Digitalwirtschaft informieren, die Visionen von Gründern und ihren Einhörnern erfahren und unzählige spannende Unternehmer und Investoren treffen, die sonst kaum zu fassen zu bekommen sind. Die Synergien die bei den tausenden Gesprächen und Treffen vor Ort freigesetzt werden sind enorm. Das merken die Teilnehmer und gehen inspiriert und gut vernetzt nach Hause.

„Wer versucht, nur von anderen zu profitieren, ohne selbst etwas zu geben, der wird es mittelfristig schwer haben, ein stabiles Netzwerk um sich herum aufzubauen“

Warum ist Networking so wichtig? Und wie vernetzt man sich richtig?

Marco Rodzynek: Im ersten Schritt geht es erst einmal darum, es überhaupt zu machen. Die größte Herausforderung besteht nämlich meist darin, damit zu beginnen und sich darauf einzulassen. Manch einer meidet von Beginn an Veranstaltungen mit einem hohen Grad an Netzwerkaktivitäten, andere halten sich lieber abseits und gehen nicht auf Leute zu. Ist man aber auf einer Veranstaltung und möchte sich vernetzen, ist eine gewissenhafte Vorbereitung das A und O. Natürlich sollte man unerwarteten Kontakten und Bekanntschaften gegenüber nicht verschlossen sein, denn manchmal ist es der Zufall, der die spannendsten Kontakte und Partnerschaften hervorbringt. Aber es hilft der Sache enorm, wenn man sich vorher über die anderen Teilnehmer oder Gäste informiert. So ist es leichter, gezielt vorzugehen und insbesondere die für einen selbst interessanten Leute zu kontaktieren. Letzten Endes sollte nicht vergessen werden, dass es auch schon beim Netzwerken nicht nur darum geht, sich mit Informationen, Kontakten und Wissen zu versorgen. Wer versucht, nur von anderen zu profitieren, ohne selbst etwas zu geben, der wird es mittelfristig schwer haben, ein stabiles Netzwerk um sich herum aufzubauen.

Habt ihr ein Geheimnis, wie ihr genau die richtigen Partner zusammenbringt?

Marco Rodzynek: Die NOAH Conference ist Europas wichtigste und größte Startup- und Digital-Konferenz. Auf ihr treffen Gründer erstklassiger Startups auf Investoren und große Konzerne. Diese einmalige Konstellation der Teilnehmer schafft einen großen Pool an relevanten und möglichen Partnern. Die ganze Plattform hat einen Partnerschaftsgedanken und das Konzept der Veranstaltung ist konsequent darauf ausgerichtet. Letzten Endes ist das Konzept also das Geheimnis – wenn auch nicht sonderlich gut gehütet.

Im Vorfeld der Konferenz haben wir natürlich auch oft unsere Hände im Spiel. Wir haben nach all den Jahren eine ungeheuer große Basis an interessanten Kontakten und oft ergeben sich ganz natürlich sinnstiftende Verbindungen, die wir dann in die Wege leiten.

Ein weiteres Geheimnis liegt meiner Meinung nach in der Motivation der Teilnehmer, das Beste aus ihrer Zeit auf dem Event herauszuholen. Sie kommen mit der entsprechenden Offenheit und Grundhaltung und bereiten sich entsprechend vor. Sie sind zielorientiert, wissen in der Regel, wen sie sprechen wollen. Herankommen tun sie an den richtigen Kontakt und eventuell künftigen Partner dann über Empfehlungen, gemeinsame andere Kontakte und deren Intros oder aber sie kontaktieren sich über die NOAH App, die es allen Teilnehmern so einfach wie möglich machen soll, den richtigen Ansprechpartner zu adressieren.

Spielen hier auch datengetriebene Modelle, die Digitalisierung eine Rolle?

Marco Rodzynek: Natürlich nutzen wir die Klaviatur, die uns die Technologie heutzutage bietet. Wir möchten Digitalisierung ja nicht nur predigen, sondern mit gutem Beispiel vorangehen. In den letzten Jahren haben wir beispielsweise viel Zeit und Mühe in die NOAH Connect Plattform und die dazugehörige App gesteckt. Sie ist zu einem Herzstück unserer Konferenz geworden, die ja davon lebt, dass die richtigen Personen zusammenkommen. Über die App können Speaker-Profile eingesehen werde oder Treffen arrangiert werden. Zusätzlich können sich die Teilnehmer über den Chat austauschen.  

„Ich denke, es werden sich mehr und mehr Unternehmen zusammenschließen, weil sie Synergien sehen und alleine keinen nachhaltigen Erfolg haben würden“

Thema Fintech: Wohin wird sich die Finanzbranche entwickeln? Braucht unser aktuelles Finanzsystem Konkurrenz?

Marco Rodzynek: Fintechs sind natürlich auch in Berlin ein großes Thema, weshalb wir einige Fintechs auf der Bühne haben werden – von N26 bis Revolut. Das sind auch gleich zwei gute Beispiele für Unternehmen, die die traditionelle Bankenbranche von Grund auf revolutionieren. Diese beiden Unternehmen generieren zwischen 10.000 und 20.000 Neukunden pro Tag, indem sie Digitalisierung leben und Core-Banking-Funktionen nutzerfreundlich gestalten. Gerade in der Finanzbranche ist momentan viel Bewegung. Es gibt neue und junge Mitbewerber. Traditionelle Banken kaufen Fintechs auf, um sich von innen her zu verjüngen und digitalisieren, beispielsweise die spanische BBVA die finnische Digitalbank Holvi. Andere Unternehmen konsolidieren sich, weil sie merken, dass sie gemeinsam stärker sind und besser auf dem Markt bestehen können. Das ist auch die Richtung, in die sich die Finanzbranche entwickeln wird. Ich denke, es werden sich mehr und mehr Unternehmen zusammenschließen, weil sie Synergien sehen und alleine keinen nachhaltigen Erfolg haben würden. Und, ja das Finanzsystem benötigt Konkurrenz. Erst die vielen neuen Fintechs und Wettbewerber in diesem Feld haben die alteingesessenen Unternehmen dazu bewegen können, sich mit ihrer Erneuerung auseinanderzusetzen, sich wieder auf die Bedarfe der Kunden zu fokussieren und Digitalisierung voranzutreiben

Wohin entwickelt sich die Startup-Welt aus deiner Sicht? Welche Geschäftsmodelle werden sich durchsetzen? Was muss ein junges Unternehmen heute mitbringen, um zukunftsfähig zu sein?

Marco Rodzynek: Der Mobility-Sektor kommt für mich direkt nach dem Fintech-Markt. Auch hier gibt es unheimlich spannende Tendenzen und Entwicklungen. Der Besitz von Autos wird weiter abnehmen, Sharing-Modelle werden die Branche weiter wandeln. Aber auch im Software as a Service-Sektor wird eine große Welle auf uns zu kommen. Von Start-ups gehen schlussendlich die größten Disruptionen im Markt aus. Die disruptivsten Player der Branchen sind deswegen nicht etwa große Konzerne, sondern innovative Startups.Sie agieren dabei aber zunehmend professioneller und effizienter, denn der Wettbewerb ist hart. Zukunftsfähige Startups richten ihre Business-Models also konsequent nach Anforderungen der Kunden und des Marktes aus.

Thema globale Märkte. Wie kann Deutschland es schaffen, hier nicht (weiter) zurückzufallen? Welche Rolle wird in diesem Zusammenhang Europa spielen?

Marco Rodzynek: Wir haben derzeit drei Supermächte: Die USA, Asien und Europa. Im Vergleich hinkt Europa bei der breiten Digitalisierung der Wirtschaft hinterher und hat die digitale Welt noch nicht so gut durchschaut und für sich vereinnahmt wie beispielsweise Amerika. Das liegt nicht zuletzt daran, dass auch die Gesetze deutsche Unternehmen erheblich mehr herausfordern – Stichwort Besteuerung. Das heißt aber nicht, dass deutsche Unternehmen per se weniger innovationsfreudig sind als die anderer Länder. Die Deutschen sind beispielsweise sehr stark im Marketing, aber Digitalisierung und SaaS müssen konsequenter umgesetzt und genutzt werden – auch und insbesondere von traditionellen Unternehmen und Mittelständlern. Der europäische Markt sollte sich zudem mehr auf die Produkte konzentrieren. Aber auch die europäische Politik muss nachziehen und in stetigem Austausch mit der Wirtschaft bleiben, um Wettbewerbsvorteile zu erhalten und auszubauen. Das funktioniert leider immer noch nicht in ausreichendem Maße.

Ein Problem ist ja hier auch immer das Thema Finanzierung. Seht ihr hier mögliche Lösungsansätze?

Marco Rodzynek: Privatwirtschaftliche und staatlich Programme sollten hier Hand in Hand gehen, um junge Unternehmen besser zu fördern und im Wettbewerb ausichtsreicher zu positionieren.

Es gibt beispielsweise zwar ein paar öffentliche Förderprogramme, aber es ist sehr bürokratisch und ein Full-Time-Job, diese Gelder am Ende auch zu erhalten. Die Prozesse werden dadurch erschwert, dass unser öffentliches Leben noch nicht digital ist. Deutschland kann – neben China – viel von Ländern wie Estland oder Israel lernen, wenn es Gründer wirklich ernsthaft unterstützen möchte.

Welche Rolle könnte das Modell OurCrowd in diesem Zusammenhang einnehmen?

Marco Rodzynek: Durch die Partnerschaft mit OurCrowd wollen wir die Startup-Investitionen für Europa fördern und somit Israel und Europa näher zusammenbringen. Natürlich wollen wir damit unseren Teil dazu beitragen, dass Kapital auch für europäische Startups leichter zugänglich ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

Marco Rodzynek ist CEO und Gründer der NOAH Advisors. Seit der Gründung im Jahr 2009 hat NOAH 26 Transaktionen durchgeführt, darunter waren hochkarätige digitale europäische Unternehmen wie Fotolia, Bigpoint, Yad2, Facile, Trovit, Flixbus, Parship und viele mehr. Die NOAH-Konferenz fand ebenfalls erstmals 2009 statt und feiert dieses Jahr Jubliäum. Marco begann seine Karriere Anfang 1998 bei den Lehman Brothers. Mit über 18 Jahren Erfahrung im Investmentbanking war er an über 80 angekündigten M&A-Deals mit einem Transaktionsvolumen von insgesamt über 110 Milliarden US-Dollar beteiligt und arbeitete an 10 Kapitalmarkttransaktionen, die insgesamt 16 Milliarden US-Dollar einbrachten.