NKF Summit Vol. 2: Corporates und Startups müssen aufeinander zugehen

09/09/2017
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Dass Erfolg kein Kissen ist, auf dem sich ausruhen kann, musste Florian Langenscheidt schmerzlich erfahren. Erst als Vorstand, dann als Aufsichtsrat verantwortete er von 1998 bis 2009 die Geschicke der Brockhaus AG. „92 Prozent der Deutschen kannten unsere Marke, wir hatten große Zeiten und haben noch in den 90er Jahren unendlich viel Geld verdient“, erzählt Langenscheidt. „Plötzlich kamen Google und Wikipedia und wir dachten, das sei Quatsch.“ Er habe sich nicht vorstellen können, dass ein Projekt, an dem alle mitschreiben können, erfolgreicher sein könne, als die für den Brockhaus arbeitenden Wissenschaftler und Professoren. Schließlich war die 21. Auflage von 2006 die letzte gedruckte Version des Nachschlagewerks.

Von diesem einschneidenden Erlebnis berichtete Langenscheidt zum Auftakt des zweiten NKF Summit am 8. September 2017 in Berlin. Die eintägige Konferenz im Radialsystem V war als „Startup-Crashkurs für Corporates“ betitelt. Vor rund 500 Teilnehmern forderte Langenscheidt die etablierten Unternehmen auf, die Startups, die Challenger, nicht als Konkurrenz zu begreifen. Es sei überlebenswichtig, Skepsis abzulegen und sich Neuem zu öffnen.

Diesem Auftakt folgte ein Line-up von ausgewählten Speakern. In Vorträgen, Diskussionsrunden und anderen Formaten stellten Vertreter von Old und New Economy ihre Case Studies und Geschäftsmodelle vor. Daimler beispielsweise verfolgt sein zehn Jahren mit dem Bereich Business Innovation – jetzt Lab 1886 – das Ziel, das Kerngeschäft der Automobilproduktion um kreative Lösungen und neue Geschäftsideen zu bereichern. Leiterin Susanne Hahn berichtete auf dem Summit, wie Daimler zusammen mit innovativen Startups in eine neue Mobilitätsära starten will.

Aber nicht jedes Unternehmen weiß, wie es solche Strukturen aufsetzen soll. Deshalb befasste sich die zweite Auflage des NKF Summit auch intensiv mit dem Schaffen von Rahmenbedingungen und gab konkrete Handlungsanweisungen für Corporates. Das Beratungsunternehmen EY etwa unterstützt Corporates beim professionellen Scouting von Startups zur Identifikation von fehlenden Kompetenzfeldern.

„Rückt näher zusammen“: BVDS-Vorstandsmitglied Stephanie Renda (l.) in der Diskussion mit Sebastian Schäfer (Managing Director, Techquartier), Andrea Peters (Vorstandsvorsitzende Media:net Berlinbrandenburg), Kirstin Hegner (Managing Director Digital Hub Mobility, UnternehmerTUM) und Moderator Nils Seger (Managing Director und Gründer RCKT) beim NKF Summit Vol. 2 (Foto: Philipp Primus)

Auf einem der zahlreichen Panel diskutierten unter anderem Andrea Peters, Vorstand von Media:net Berlinbrandenburg, und Stephanie Renda, Vorstandsmitglied beim Bundesverband Deutsche Startups, die „Digitale Hub Initiative“ der Bundesregierung, die mittlerweile 12 Anlaufstellen für Corporates und Startups in Deutschland geschaffen hat. „Lernt Euch kennen, lernt die unterschiedlichen Sprachen kennen und kommt so näher zusammen“, appellierte Renda an die Teilnehmer und schlug wechselseitige Aufsichtsratsposten vor. Eine weitere Runde befasste sich mit der Frage nach den entscheidenden Kriterien für ein Investment. „Team, Team, Team!“, antwortete Anton Waitz, General Partner bei Project A Ventures.

Mit- statt gegeneinander

Insgesamt standen beim NKF Summit rund 40 Speaker in 20 Sessions auf der Bühne. Parallel bot der Deep Dive Room Workshops, unter anderem von Xing und I-potentials sowie zahlreiche Startup-Pitches zum Reinschnuppern. Weiterer Programmpunkt: Ein Speed-Networking mit 12 Investoren, darunter Join Capital, G+J Digital Ventures, Westtech Ventures, Eventures, Point Nine Capital, Partech und Cavalry Ventures. Indes wehte durch den Eingangsbereich der Duft von frisch geröstetem Kaffee. Das Startup Bonaverde hat mit der Unterstützung der Crowd die erste Kaffeemaschine auf den Markt gebracht, die nicht nur mahlt und brüht, sondern den Kaffee vorher auch noch röstet.

Deep Dive Room: Networking beim NKF Summit Vol. 2 (Foto: Philipp Primus)

Auch andere Startups hatten Gelegenheit, sich zu präsentieren, darunter Opinary, Delivery Hero und Optiopay. Anhand ihrer Lösungen erfuhren die Teilnehmer, wie man vorgeht, um bestehende Strukturen in Frage zu stellen und neu zu denken. Das Beispiel von Movinga zeigte aber auch, dass Startups noch vieles lernen müssen, was für Corporates selbstverständlich ist. Movinga war angetreten, den fragmentierten Umzugsmarkt zu digitalisieren. Doch auf das Strohfeuer folgte der Absturz. Die Gründer mussten das Unternehmen verlassen. Geschäftsführer Finn Hänsel erzählte auf dem NKF Summit die ungeschönte Geschichte des Startups und weiß: „Man sollte nicht wachsen, bevor man nicht eine Plattform hat, die dem auch gewachsen ist.“

Unterhaltsam wurde es, als Philip Siefer von seinen Erlebnissen bei der Wiener Brauerei Ottakringer erzählte. Der CEO des Berliner Kondom-Startups Einhorn hatte für eine Woche den Chefposten mit dem CEO des Traditionsunternehmens getauscht. Der wusste nach dem Experiment: „Es ist nichts mehr unmöglich!“

In Bewegung bleiben: eines der Hauptthemen beim NKF Summit Vol. 2. (Foto: Philipp Primus)

Jens Pippig, Gründer des Prosiebensat.1-Accelerator, formulierte als Fazit: „Es ist in jeden Fall besser, mit statt gegen Startups zu arbeiten.“ Und Martin Wild, CDO der Mediamarktsaturn Retail Group, hält das gegenseitige Verständnis für „die Brücke zwischen Startups und etablierten Unternehmen.“ Events, Meet-ups und nicht zuletzt Konferenzen wie der NKF Summit sind dafür unverzichtbar. Eine dritte Ausgabe ist bereits in Planung und findet voraussichtlich im April 2018 in Düsseldorf statt.

Eine ausführliche Zusammenfassung des NKF Summit Vol. 2 finden Sie hier und hier sowie im Liveblog.