Michael Amtmann:

Die langfristige Denke unterscheidet uns

25/09/2018
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Kannst du uns die Struktur von Müller Medien erläutern?

Michael Amtmann: Müller Medien ist keine juristische Einheit, sondern eine mittelständische Unternehmensfamilie, die sich zu einhundert Prozent im Besitz der Familie Oschmann befindet. Der Urgroßvater der heutigen Geschäftsführer hat die Firma vor fast 70 Jahren im Alter von 65 Jahren bei sich im Wohnzimmer gegründet. Heute ist die Unternehmensfamilie in verschiedenen Branchen unternehmerisch tätig.

Und was ist deine Rolle?

Michael Amtmann: Ich bin 2004 über ein Trainee-Programm ins Unternehmen gekommen und dann schnell in den damals noch jungen Online-Bereich eingestiegen. Heute bin ich Geschäftsführer von elf Unternehmen und nehme die Interessen der Gesellschafter wahr. In drei Firmen habe ich auch operative Aufgaben, insbesondere beim Marktplatz-Mittelstand, der vor kurzem auch die Digitalen Seiten erworben hat.

Wo seht ihr eure Kernkompetenzen?

Michael Amtmann: Das Verzeichnisgeschäft ist natürlich sehr vertriebslastig. Eine unserer Kernkompetenzen ist es, vor Ort beim Kunden zu beraten, also quasi die Weiterführung des etablierten Geschäfts, das kleineren Unternehmen dabei hilft, mehr zu verkaufen. Ihr operiert insgesamt recht verschlossen.

Wie viele Beteiligungen habt ihr und in welcher Größenordnung investiert ihr?

Michael Amtmann: Bei Müller Medien wollen wir nicht die Unternehmensfamilie in den Mittelpunkt stellen, sondern dass die einzelnen Unternehmen mit ihren Führungskräften und den zahlreichen Mitunternehmern erfolgreich sind. Im New-Business-Bereich haben wir etwas mehr als 40 direkte Beteiligungen. Dadurch, dass wir oft frühphasig investieren, liegt das typische Investmentvolumen um eine Million Euro. Im Later-Stage-Bereich oder wenn wir in reifere Märkte investieren möchten, kann das im Einzelfall höher ausfallen, wie wir dies auch in den anderen Geschäftsbereichen öfter realisiert haben. Leider klappt das nicht immer, so erhielt Gunther Oschmann trotz eines tollen Angebots für MyHammer nicht den Zuschlag der Altaktionäre.

Gibt es eine Investmentthese von Müller Medien?

Michael Amtmann: Eigentlich sind zwei Dinge wichtig: Einerseits die Zielgruppe der kleinen Unternehmen, also Anwälte, Steuerberater, Ärzte, Hotels, Restaurants und Freiberufler. Das liegt an unserer Historie im Verzeichnisbereich. Außerdem haben wir uns sehr stark bei Online-Buchungsdiensten verschiedener Services engagiert. Anwalt.de war eines der ersten Verticals, an denen wir uns beteiligt haben. Heute sind wir Mehrheitsgesellschafter und die Plattform ist Category Leader bei der „Suche und Vermittlung von Anwaltsdienstleistungen im Internet“. Ebenso Arzttermine, wo wir auch sehr früh europäischer Marktführer waren und inzwischen auch der Mehrheitsgesellschafter sind. Parallel zu Arzttermine hatten wir auch in Doxter investiert, wobei wir diese Beteiligung inzwischen verkauft haben. Andere Beispiele sind zum Beispiel Taxi.de, resmio, speisekarte oder auch Blauarbeit. Wir interessieren uns auch zunehmend für Unternehmen, die unserem Kundenklientel des kleineren Mittelstands nicht nur per Werbung mehr verkaufen helfen, sondern auch das unternehmerische Leben erleichtern: Beispiele hierfür sind Ebuero oder Billomat.

Aus Franken in die Welt

Seht ihr euch als Exitkanal für Unternehmen oder – wie im Fall von Doxter – eher als Zwischenstation?

Michael Amtmann: Wir verstehen uns als Partner der Führungskräfte und verfolgen gerne auch eine langfristige Strategie. Daher können wir beides: Growthfinanzierung, Exit an Dritte oder uns oder gemeinsam eine gute Dividende erzielen und weiter am Unternehmen arbeiten. Doxter wurde von Doctena gekauft, die dem Unternehmen eine europäische Perspektive in diesem Markt geboten haben. Eine ähnliche Entscheidung haben wir mit den Gründern von Salonmeister getroffen, als ein Angebot von treatwell vorlag. Unser Vorteil ist, dass wir keiner internen Vorgabe unterliegen, sondern case-by-case mit unseren Partnern die Alternativen diskutieren und entscheiden können.

Waren Arzttermine und Doxter nicht Konkurrenten?

Michael Amtmann: Teilweise. Für uns ist das Thema „Arzt buchen“ allerdings sehr wichtig und der Markt war insgesamt noch in einer sehr frühen Phase. Da wir die beiden Unternehmen in der Betreuung und dem Controlling strickt getrennt haben, können unsere Mitgesellschafter sicher sein, dass sich hier keine Interessenskollisionen ergeben. In vielen Fällen vermitteln wir den Kontakt direkt zwischen den jeweiligen Unternehmen und unserer Erfahrung nach ergeben sich häufig in sich bildenden Märkten unterschiedliche Positionierungen.

Mit wem würdet ihr euch vergleichen?

Michael Amtmann: Eigentlich sind durch unsere Struktur und unsere Herkunft vor allem das gemeinsame Unternehmen und der Austausch zwischen Unternehmerinnen und Unternehmern unsere Kernaufgaben. Insofern ist es schwer sich hier zu vergleichen. Sicher ist es auch ein Vorteil für uns je nach Situation entscheiden zu können, wie hoch - die Beteiligung der Unternehmensfamilie ausfallen sollte – so sind wir nicht abhängig davon, alles zu konsolidieren und somit zum Beispiel unbedingt über 50 Prozent der Anteile halten zu müssen.

Wie weit geht ihr mit?

Michael Amtmann: Auch hier können wir individuell entscheiden. Wir könnten dauerhaft an Bord bleiben. Es ist aber in manchen Fällen ebenso sinnvoll, einen Exit in einer Finanzierungsstufe zu verfolgen. Unser Ziel ist es, dass Unternehmen den Break-Even erreichen können und irgendwann Cashflow-positiv sind. Wenn jemand nur etwas aufbaut, um es schnellstmöglich zu verkaufen, sind wir nicht der richtige Partner. Mit einem erfolgreichen Geschäftsmodell beurteilt man die Alternativen in jeder Phase des Branchenzyklus entspannter.

Ihr habt News.de von Unister gekauft. Seid ihr also auch opportunitätsgetrieben motiviert?

Michael Amtmann: Ganz klar ja. Wir können uns schnell in die Situation der Führungskräfte und des Unternehmens reindenken und durch die Familie schnell handeln.

Wie passt das zu euch? Wenn man sich eure Investmentthese ansieht, trifft es nicht ganz den Kern.

Michael Amtmann: Ja, das ist richtig. Aber es gibt noch eine Sparte, die ich noch nicht erwähnt habe und das ist der Bereich „Print-Media“. Wir haben, größtenteils in Bayern, Anzeigenblätter, die gedruckt erscheinen. Streng genommen also Transportmedien, um Werbesendungen über den Briefkasten zu verteilen. Bei kostenlosen Zeitungen gehören wir in Bayern zu den größeren Anbietern. Zu diesem Segment gehört auch das Unternehmen Offerista, bei dem wir als größerer Gesellschafter sehr gern mit einem tollen Team zusammenarbeiten. Es fokussiert sich auf digitale Prospektverteilung.

Also das Bonial-Konzept?

Michael Amtmann: Genau. Die sind auch ähnlich früh gestartet. Bonial gehört ja zu Axel Springer. Durch die Fusion von Marktjagd, bei denen wir Beteiligungen haben, mit der Barcode-Scanning-App Barcoo, einer anderen Berliner Beteiligung, kam der Durchbruch in der Kombination von Reichweite, Verkauf und Marke. Das kombinierte Unternehmen heißt Offerista Group und ist eigentlich ein idealer Fit. Marktjagd hatte die Kunden, aber es fehlte an Reichweite. Barcoo hingegen hatte eine sehr große Reichweite, aber noch kein stabiles Geschäftsmodell. Durch die Zusammenführung können beide ihr Potenzial entfalten und das Team weiter ausbauen.

Und eure Rolle in so einem Prozess? Habt ihr diese Fusion initiiert?

Wenn wir identifizieren, dass einem Unternehmen ein Baustein fehlt, den ein anderes Unternehmen beisteuern könnte, dann regen wir auf jeden Fall ein Gespräch zwischen den Führungskräften an. Natürlich sind die Gründer die Experten der Geschäftsmodelle. Sie kennen sich in ihrer Branche am besten aus und haben in diesem Fall die jeweiligen Schwächen ihrer Modelle bereits verortet. Hinzu kommt, dass bei Marktjagd Teile des ursprünglichen Gründerteams ausgeschieden sind, weswegen wir aktiv geholfen haben, ein Management mit Gründungserfahrung zu suchen. Es kommt ja immer wieder vor, dass ein Unternehmen der Startup-Phase entwachsen ist und sich etwas Neuem zuwenden möchte.

Ihr seid auch schon lange bei billiger.de beteiligt. Wie hat es sich unter euch entwickelt?

Michael Amtmann: Billiger.de ist der zweitgrößte deutsche Preisvergleich hinter idealo. Sie entwickeln sich sehr stabil, haben ein tolles Team und eine Reihe sehr interessanter Ideen, wie man sich trotz einer nicht immer ganz einfachen Behandlung durch einen großen Spieler toll entwickelt. Mit Marktjagd und billiger.de habt ihr also direkte Konkurrenten zu Springer-Beteiligungen.

Seid ihr ein Konkurrent von Axel Springer, vielleicht ohne es zu wissen?

Michael Amtmann: Ich glaube, hier sind zwei völlig unterschiedliche Ligen angesprochen.

Von Fehlschlägen und Glücksgriffen

Auf welche Transaktionen seid ihr denn am stolzesten? Welche Unternehmen haben sich am besten entwickelt?

Michael Amtmann: Hier würden wir einen Fehler machen einen unserer Partner besonders hervorzuheben, jeder in unserer Branche weiß, wie schnell sich Rahmenbedingungen, Geschäftsmodelle und andere Einflussfaktoren ändern können. So sind die Stars von heute eventuell schnell unter Druck und umgekehrt können Unternehmen an einem Pivotpunkt sehr schnell an Profitabilität gewinnen. Wir haben den Vorteil, dass wir schon viel gesehen und erlebt haben und in jeder Phase ein guter Partner sein können.

Gibt es Unternehmen, wo ihr rückblickend Kritik an euch selbst üben würdet? Wo ihr danebengegriffen habt oder wo eure Rolle nicht richtig definiert war?

Michael Amtmann: Oh, da gäbe es sehr viel zu erzählen und wir berufen uns da auch gerne darauf, dass wir als Familienunternehmen nicht alles veröffentlichen müssen. Wir versuchen diese Fälle aufzuarbeiten, damit wir Platz haben, neue Fehlschläge zu ertragen.

Und wie ist es bei Dialo? Hier ist der Traffic stark rückläufig. Ist das so ein Fall, wo ihr Pech hattet?

Michael Amtmann: Das ist ein ganz gutes Beispiel: Dialo war ursprünglich als Bewertungsportal konzipiert, ähnlich wie Yelp. Aber es ist uns nicht gelungen, es erfolgreich zu etablieren. Vielleicht, weil unsere Kernkompetenz damals stärker im B2B lag und wir den Nutzer vernachlässigt haben. Dialo hingegen ist ein klassischer B2C-Ansatz, wo man eine Community aufbauen und pflegen muss. Das ist aber auch in Ordnung, denn wir haben dadurch Know-how gewonnen, das in anderem Kontext sehr wertvoll für uns ist.

„Eine unserer Kernkompetenzen ist es, vor Ort beim Kunden zu beraten“

Ihr hattet auch die inzwischen eingestellte Reservierungsplattform Gourmeo übernommen. Zählt das auch zu den Fehlschlägen?

Michael Amtmann: Gourmeo war bereits vor der Übernahme eingestellt. Wir haben nur ein paar Assets übernommen, die uns interessiert haben und die Marke klingt ja nicht schlecht. Allerdings haben wir eine Einführung hinten angestellt; Wir sind parallel in Resmio investiert, einem Tische-buchen-Dienst aus Berlin. Und wir waren früh beim europäischen Marktführer Bookatable beteiligt, weil wir das Thema „Restaurants“ sehr früh gesehen haben. Da gab es dann aber einen Exit an die Michelin-Gruppe.

Also braucht man für die ideale Wertschöpfungskette sowohl ein Verzeichnis als auch ein Buchungssystem?

Michael Amtmann: Unserer Erfahrung nach ist es wichtig, mehrere Geschäftsmodelle anzutesten: Wir kommen aus sehr stabilen etabliert wiederkehrenden Geschäftsbeziehungen, die wir nun durch transaktionalere Elemente erweitern können. Das Thema „Buchung“ ist eine Ausprägung der Transaktion, muss sich aber erst noch bei den KMU etablieren und befindet sich im Wachstum. Im Ärztesegment ist das aus verschiedensten Gründen nicht ganz so trivial wie in anderen Branchen wie beispielsweise Restaurants. Aber man sieht an vielen Beispielen, dass eine eigene Reichweite, eine gute Markenbekanntheit oder ein organisches Suchmaschinen-Ranking hilfreich ist, um so eine Ergänzung zum Modell aufbauen zu können. Eine gute Brücke zu Digitale Seiten, die ihr im April 2017 erworben habt. Da dürfte die Herausforderung ähnlich sein. Bei Verticals muss man in den jeweiligen Branchen über eine relevante Reichweite verfügen. Man muss die branchenspezifischen Nutzerbedürfnisse sehr genau adressieren können. Das funktioniert in rein generischen Verzeichnissen mit SEO Fokus immer weniger. Neue Technologien und Nutzerbedürfnisse sorgen dafür, dass Prozessketten aufgesplittet werden, wobei immer mehr Prozesse in Richtung Software und mobile Services oder Plattformen abwandern. Viele Lösungen sind branchenindividuell. Und so muss man für diese einzelnen Branchen Portale oder Marken herausbilden, die bessere Suchkriterien haben oder mehr Möglichkeiten der Interaktion bieten.

Wie seht ihr die internationale Konkurrenz? Prozesse auf Zahlungsebene sind beispielsweise in ausländischer Hand. Und wahrscheinlich gibt es auch in den Verzeichnisbereichen starke internationale Player?

Michael Amtmann: Wir alle leben in den vor allem durch US-amerikanisch geprägten Ökosystemen von Search, Appstores, Social, Instant Messaging etc. Ein Verzeichnis ist ein Thema der lokalen Suche und sieht in jedem dieser Rahmen unterschiedlich aus, weswegen man seinen Platz individuell definieren muss. Die lokale Verbundenheit mit unserem „Vor-Ort-Service” sehen wir in unseren Märkten weiterhin als Stärke und Vorteil. Betrachtet man die Erfolge unserer Kunden in den einzelnen Produkten, dann schneiden Gelbe Seiten, Das Örtliche und Das Telefonbuch in vielen Leistungswerten besser ab als die großen US Systeme. Unsere Erfahrungen mit den großen Tech-Unternehmen geben wir sehr gerne an unsere KMU Kunden weiter, sodass diese ordentlich digital vertreten sind und mehr verkaufen können.

Zurück zu Digitale Seiten. Das Unternehmen dürfte hervorragend zu euch passen. Quasi eine Multiplizierung der Vertikalisierung.

Michael Amtmann: Genau. Wir haben mit anwalt.de die Erfahrungen gemacht, dass man sehr stark in die einzelnen Verticals und Branchen reingehen muss. Digitale Seiten haben wir uns schon länger angeschaut, haben aber auch gesehen, dass es im Handwerksbereich schwieriger ist als in anderen Branchen. Ende 2016 haben wir die Verhandlungen aufgenommen und sind dort auf offene Ohren gestoßen.

Geht ihr immer proaktiv auf Unternehmen zu?

Michael Amtmann: Natürlich kommen auch viele Unternehmen auf uns zu. Aber die Erfahrung zeigt, dass es wichtig ist, sich auch außerhalb konkreter Deals als Mensch kennenzulernen. Die besten Deals und Opportunitäten kommen in der Regel aus dem Netzwerk. Oder dadurch, dass man Marktthesen entwickelt und proaktiv wird. So hatten wir das beispielsweise auch bei Billomat gemacht, einer Buchhaltungssoftware für kleine Unternehmen. Hier sind wir sehr früh eingestiegen, eigentlich pre-Seed, nachdem wir über das Projekt gelesen hatten. Aus unserer Sicht ist das Thema „Buchhaltung“ für alle kleinen Unternehmen wichtig, weswegen wir unsere Beteiligung sukzessive ausgebaut und schließlich die Anteile von den Gründern übernommen haben.

Es fällt auf, dass ihr eigentlich nie die Transaktionsvolumen oder Kennzahlen kommuniziert. Wie kommt das?

Michael Amtmann: Bei den Digitalen Seiten haben wir uns gegenseitig dazu verpflichtet, dass wir nichts verlauten lassen. Ich kann so viel sagen, dass Digitale Seiten 20 Branchen-Verticals mit circa einer Millionen Besuchern im Monat betreibt. Mit dachdecker.com, elektriker.net und gartenbau.org sind einige für die jeweiligen Branchen sehr relevante Plattformen dabei, die teilweise in ihrer Branche marktführend sind. Wir generieren auf den Seiten mehrere tausend Leads pro Monat. Ansonsten verbringen wir lieber Zeit damit, mit unseren Partnern Ideen und Geschäftsmodelle zu diskutieren oder Kunden zu besuchen – als an der Außenkommunikation unserer Entwicklung zu feilen.

„Wir verstehen uns als Partner der Führungskräfte und verfolgen eine langfristige Strategie“

Wahrscheinlich war Digitale Seiten noch nicht profitabel. Sie stammen aus dem Kader von Team Europe, die ihren Fokus bereits vor längerer Zeit auf Delivery Hero gelegt haben. War es also ein Firesale?

Michael Amtmann: Nein, es war mit Sicherheit kein Firesale. Aber das Thema hat sich anders entwickelt als ein klassischer VC-Case. Es ist kein Hockeystick-Thema, wo man schnell hohe Wachstumsraten hinbekommt. Man muss mühsam jeden Handwerker akquirieren. Dafür braucht es die notwendige Erfahrung. Die bringen wir mit. Wir kennen die Märkte und haben die Geduld, so etwas langfristig zu entwickeln. Außerdem haben wir mit dem klassischen Verzeichnisgeschäft auch ein passendes Asset. Wenn man einem Handwerker, der gerade eine Anzeige in den Gelben Seiten gebucht hat, nun noch eine Digitalpräsenz auf dachdecker.com verkaufen möchte, dann muss man ihm die Welt nicht neu erklären.

Digitale Seiten ist also noch defizitär? Wenn man es richtig aufzieht, müsste es doch eine Gelddruckmaschine sein? Waren das Managementfehler?

Michael Amtmann: Das sagt sich einfach – wenn wir uns die KMU oder SaaS Geschäftsmodelle ansehen, ist Geduld neben der Strategie eine wichtige Erfolgskomponente – es dauert einfach ein wenig länger und uns steht es nicht zu, hier über diese Gesellschaft zu urteilen. Wenn die Gründer nicht den Mut bewiesen hätten, die Gesellschaft zu gründen, würde vielen KMU eine wichtige Plattform zur Kundenpflege und Neukundenakquise fehlen.

Ihr besitzt mit Blauarbeit ein weiteres Handwerksportal. Baut ihr da eine interne Konkurrenz auf?

Michael Amtmann: Das wäre der falsche Schluss. Wir sehen unterschiedliche Ansätze zur Bedienung zweier unterschiedlicher Zielgruppen. Im Gegensatz zu Dackdecker.com setzt Blauarbeit nicht nur auf Innungsbetriebe und Meisterbetriebe, sondern ist bereits ein fortgeschrittener Plattformservice. Für viele Aufgaben ist nicht unbedingt der Meisterbrief hilfreich. Diese Anbieter findet man auf Blauarbeit, wo sich verschiedene Betriebe um einen eingestellten Auftrag bewerben und in der Regel der beste Preis gewinnt. Mit den digitalen Verzeichnissen schaffen wir hingegen die Möglichkeit, eine Reihe an Handwerksbetrieben aus der eigenen Region zu kontaktieren, die sich durch eine andere Qualitätsebene wie zum Beispiel eine große Tradition, einen Meisterbrief oder als Innungsbetrieb auszeichnen.

Durch eure Aktivitäten seid ihr im Leadgenerierungssegment sehr erfahren. Kannst du uns Einblicke geben, wie wertvoll ein Nutzer bzw. Traffic ist? Und wie bewertet ihr einzelne Märkte?

Michael Amtmann: Wir schauen uns an, wie stark Traffic und Marke sind. Wie hoch sind die wiederkehrenden Nutzer und wie resultiert der Traffic in Conversions? Wichtig ist auch, wie viele Leads generiert werden und wie sich diese verteilen. Leads in Städten können zum Beispiel in manchen Branchen mehr wert sein als auf dem Land. Zudem schauen wir uns die Sichtbarkeit der organischen Rankings an. Ist sie rückläufig oder nur auf den Verkauf getrimmt worden oder ist sie organisch gewachsen? Die Zukunft bepreisen wir kaum. Es wäre uns gegenüber nicht fair, wenn wir das, was wir an Impact oder Know-how mitbringen, in eine Akquisition mit rein rechnen würden.

Ihr investiert vermehrt in Innovationsthemen, zum Beispiel in einen Robotext-Service (AX Semantics) und in einen Chatbot-Service (Whatsbroadcast). Weshalb?

Michael Amtmann: Das ist einerseits getrieben durch die unternehmerische Neugier. Wir haben an neuen Technologien und Modellen ein besonderes Interesse. Zum anderen passiert gerade im Messaging-Bereich viel und dabei dreht es sich oft um Serviceleistungen. Hier liegen Chancen der Prozesseffizienz und Verbesserung in der Kundenkommunikation für alle unsere Kunden. Vielleicht entwickelt sich daraus ein weiterer spannender Kanal für unsere KMU.

Gehört Crowd Guru auch in diese Riege?

Michael Amtmann: Hier sind wir zwar der größte Anteilseigner, aber es ist keine Mehrheitsbeteiligung. Crowd Guru fokussiert sich auf das „Trainieren von AI-Systemen“. Jeder spricht im Moment von künstlicher Intelligenz und neuronalen Netzwerken sowie Deep Learning, aber viele von diesen Applikationen müssen erst mal auf den speziellen Anwendungszweck trainiert werden. Selbst die schlauesten Systeme funktionieren nicht aus dem Stand, sondern müssen trainiert werden. Crowd Guru trainiert diese Algorithmen auf entsprechende Anwendungsfälle. Das ist neben der erfolgreichen Bearbeitung von verteilten Tätigkeiten ein interessanter Bereich.

Vielleicht kannst du abschließend noch kurz ein paar Sätze zu Nürnberg als Standort sagen?

Michael Amtmann: Um Nürnberg gibt es natürlich viel weniger Hype als um Berlin. Aber interessanterweise baut die bekannte Direktbank ING-Diba in Hannover Arbeitsplätze im Bereich „Verwaltung“ ab und baut sie stattdessen am Standort Nürnberg auf. Denn Nürnberg ist ein sehr starker IT-Standort und bietet bessere Zukunftsperspektiven. Das hängt sicher auch mit der DATEV zusammen, die dort sitzt. Aber es gab und gibt auch viele erfolgreiche Online-Unternehmen, die aus Nürnberg kommen. Beispielsweise hotel.de, Immowelt oder Anwalt.de. Und es gab schon immer eine sehr starke IT-Szene im „Linux-Umfeld“, speziell SUSE Linux. Der Wettbewerb um Arbeitskräfte ist zwar überall eine große Herausforderung, aber er ist in Berlin wahrscheinlich deutlich härter als in Nürnberg. Außerdem müssen wir noch am Thema Fussball Bundesliga arbeiten.

Michael Amtmann

Michael Amtmann, Müller Medien Foto: Johannes F. Rübel

hat Finance & Controlling an der Georg Simon Ohm TH in Nürnberg studiert und ist 2004 bei Müller Medien als Trainee eingestiegen. Nach verschiedenen Stationen als Projektleiter und Geschäftsführer ist er seit 2012 für den New-Business-Bereich von Müller Medien verantwortlich. Zum Unternehmen gehören die fünf Geschäftsbereiche Directories, Broadcast, Print Media, Book und New Business mit mehr als 60 regionalen Fernseh- und Rundfunkanbietern in Deutschland und Österreich. Außerdem Telefonbuch-, Zeitungs- und Kinderbuchverlage. Müller Medien beschäftigt über 2.000 Mitarbeiter. Es gibt Standorte auf der ganzen Welt in Europa, Asien und Amerika.