Max Koziolek von Spectrm:

„Online-Journalismus hat ein Verteilungsproblem”

13/09/2016
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Firmen wie HP, 1-800-Flowers und weitere Marken und Verleger wittern schon seit einiger Zeit großes Potential in der aufkeimenden Bot-Wirtschaft. Wie das Reuters Institut in seinem Digital News Report schreibt, übersteigt die Zahl der Chat-Nutzer (drei Milliarden) seit Juni die der Nutzer sozialer Netzwerke (2.5 Milliarden). Auch beim Volumen von geteilten Video und Foto-Inhalten liegen Messaging-Plattformen mittlerweile vorn. Die Beliebtheit gepaart mit dem Fortschritt im Bereich der künstlichen Intelligenz treiben den Chatbot-Trend im Moment massiv an, weshalb viele Experten glauben, dass die automatisierte Verbreitung von Nachrichten ähnlich wie Virtual Reality dieses Jahr den Durchbruch schafft.

Trends im Nutzerverhalten erkennen

An der Informationsfülle, die durch Millionen solcher digitalen Dialoge entsteht, lassen sich laut Koziolek bereits Muster erkennen. „Zum ersten Mal können wir dank des schnellen Wachstums in der Auslieferung von Content auf Messaging-Plattformen Trends im Nutzerverhalten feststellen”, sagte der Wahl-Berliner.

„Medienfirmen und Werber müssen sich deshalb ernsthaft darüber Gedanken machen, wie sie die neue Generation erreichen wollen.”

So überraschte die Gründer von Spectrm beispielsweise das hohe Maß an Interaktion mit Inhalten: Ungefähr zwei Drittel aller Nutzer würden nach mehr Stoff zum gleichen Thema fragen. Auch kämen Nischen-Artikel, die es nur bei einer bestimmten Publikation gibt, besser an als allgemeine Nachrichten. „Es sieht so aus, als ob Nutzer Themen von allgemeinem Interesse nur überfliegen”, sagt Koziolek, der im April auf Facebooks Entwicklerkonferenz F8 das Social Media-Unternehmen als Partner gewinnen konnte. „Einzigartige und spezialisierte Themen bekommen die Clicks.”

Bild und Business Insider nutzen Spectrm bereits

Auch konsumierten Nutzer News eher tagsüber als am Morgen. Und: Sie seien eher bereit, Inhalte zu teilen. Nach Angaben von Koziolek machen Inhalte von Messaging-Plattformen bis zu 20 Prozent des Traffics auf den Websites von Spectrm Kunden aus, zu denen neben BILD, Business Insider und NowThis in den „kommenden Monaten” noch mehr als 100 weitere Kunden in Deutschland und den USA hinzukommen sollen.

Die Verbreitung von personalisierten News per Chatbots wird von vielen großen Medienunternehmen ernst genommen. Zwei Beispiele: CNN war im April eine der ersten Publikationen, die einen Chatbot vorstellte, und The Guardian experimentiert seit zwei Monaten mit „Sous-Chef”, einem Chatbot für Facebook Messenger. Die Erkenntnisse der Testphase des Guardian-Bots verdeutlichen, dass automatisierte Unterhaltungen in vielerlei Hinsicht noch unausgereift sind und dass Nutzer sich erst daran gewöhnen müssen. So kam es beispielsweise weder gut an, wenn der Chatbot zu formal und roboterhaft agierte, noch wenn er „versuchte”, zu menschlich zu sein.

VCs aus den USA investieren in Spectrm

Spectrm wurde 2015 von Koziolek (26), Jendrik Höft (26) und Manfred Stellenberg (33) beim Hamburger Next Media Accelerator gegründet. Das Trio erhielt frühe finanzielle Unterstützung durch die Google Digital News Initiative (DNI) und sammelte anschließend 1.5 Millionen Dollar von North Base Media, Lerer Hippeau Ventures, Axel Springer, BDMI und dem Deutschen Angel-Investor Jens Schumann ein.

„Spectrm hat ein smartes Team mit Unternehmergeist, das einen Bedarf bedient, den Medienorganisationen und andere Firmen bald haben werden”, sagt North Base Media Mitgründer Marcus Brauchli. „Nämlich wie man auf Messaging-Plattformen, wo Publikum und Kunden mehr und mehr Zeit verbringen, effektiv mit ihnen interagiert.” Und Philippe Hertzberg, ein international aktiver Berater für Empirical Media, ist überzeugt, dass Plattformen wie WhatsApp, Line, WeChat und Messenger erstklassige Geschäftskanäle sind, die es Verlegern ermöglichen, eigene Erzählformate zu kreieren und sich direkt mit Nutzern auszutauschen.

Wie gut das bei Spectrm klappt, und wie genau das Geschäftsmodel aussieht, verraten die drei Gründer nicht. Trotz des Hypes um interaktive Nachrichten auf Messaging-Plattformen bezweifeln einige Experten jedoch, dass sich der Trend durchsetzen wird. Der Dänische Medienberater Thomas Baekdal etwa bescheinigt dem Trend zwar Potenzial, er gibt sich aber betont skeptisch was den Nutzen angeht.Email: hallo@spectrm.de

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