Math 42:

Was machen die Gründer heute?

28/11/2018
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Wie war das eigentlich, als ihr den Millionen-Deal gemacht und Cogeon, die Firma hinter Math 42, an Chegg verkauft habt?

Maxim: Wir haben ziemlich genau vor einem Jahr, am Freitag, dem 13. Oktober, unterschrieben, ganz ahnungslos. Dann hat die dpa eine Pressemitteilung raus - geschickt, Spiegel Online hat berichtet – und der Rummel ging los. Raphael: Zwei Wochen lang hat sich ganz Deutschland für uns interessiert. Jetzt ist alles wieder normal.

Immerhin seid ihr jetzt Millionäre. Hat sich dadurch nichts verändert?

Maxim: Das ist doch der Erfolg der ganzen Familie, nicht nur von uns beiden. Raphael: Ich würde schon sagen, dass sich unsere Lebenssituation verändert hat. Man kann sich halt manch - mal was leisten. Maxim: Es sind die kleinen Sachen im Leben, die einfacher werden. Ich ziehe etwa um, in eine schönere Wohnung. Wir gehen gerne auf Konzerte. Aber wenn ich jetzt rein unsere Familie anschaue und ein Jahr zurück denke, dann sehe ich keinen Unterschied.

Habt ihr nicht euer Mathe-Studium beendet, um für Chegg weiter an Math 42 zu arbeiten?

Maxim: Es wurde einfach zu viel. Wenn man ein Startup aufzieht, macht jeder ohnehin schon gefühlt zwei Jobs. Für das Studium blieb einfach keine Zeit und da haben wir uns dazu entschieden, uns ganz auf Math 42 zu fokussieren. So eine Chance bekommt man ja auch nicht ganz so oft im Leben.

Macht es nicht mehr Sinn, erst zu studieren und dann zu gründen?

Maxim: Ich finde, es spielt keine Rolle, in welcher Reihenfolge man das macht. Direkt nach der Schule zu studieren, ist schon eine deutsche Obsession. Wir haben halt einfach was Interessantes gemacht und richtig Spaß daran gehabt. Okay, es gab auch schwierige Zeiten, aber am Ende hat es geklappt.
Raphael: Es gab für uns ja kein großes Risiko. Was soll schon passieren, wenn du während deiner Schulzeit etwas gründest oder kurz danach? Viel schlimmer wäre es, wenn du nach dem Studium scheiterst, denn dann musst du diesen Fehlschlag auf deinem Lebenslauf erklären.

Ihr wart 14 und 15 Jahre alt, als ihr Math 42 programmiert habt. Was hat euch dazu inspiriert?

Maxim: Da wir in einem Mathematiker-Haushalt aufgewachsen sind, hatten wir selbst nie echte Probleme damit und haben viel Nachhilfe gegeben. Dabei mussten wir häufig die gleichen Fragen zehnmal beantworten. Gleichzeitig haben wir einen Vater, der alles automatisiert und etwa den Schachcomputer Mephisto programmiert hat. Da fanden Raphael und ich die Idee für eine Mathe-App natürlich nicht abwegig.

Hat euer Vater euch unterstützt?

Maxim: Also am Anfang hielt er es für eine Schnapsidee. Aber nachdem wir ihn mit Marktdaten (alleine in Deutschland wird jährlich 1 Milliarde Euro für Nachhilfe ausgegeben) und einem Businessplan überzeugt hatten, hat er vieles in die Hand genommen. Auch unsere Mutter Oxana hat uns unterstützt.
Raphael: Genau. Das geht in der Presse immer unter, wahrscheinlich, weil es keine so sexy Geschichte ist.

Wie kam es eigentlich zu dem Deal mit Chegg?

Maxim: Das lief über drei Ecken und David Klett, der Math 42 auf einer großen Bildungskonferenz in den USA erwähnt hatte. So wurde der Geschäftsführer von Chegg Studies auf uns aufmerksam. Gleichzeitig hat David uns Chegg gezeigt. Es gab zwar richtig gute Textbücher, die wie auch Math 42 den exakten Lösungsweg für Matheaufgaben zeigen, allerdings händisch. Und außer Nachhilfe per Chat, Forum und Video gab es keine wirklich innovativen digitalen Lösungen. Wir haben ihnen dann unsere App vorgestellt und kurz darauf durften wir unsere Technologie bei einem Treffen in New York detaillierter erklären. Die Verhandlungen dauerten dann aber immer noch ein Jahr.

2017 hat der US-Konzern Chegg euer Unternehmen gekauft – und euch angestellt. Was macht ihr genau?

Raphael: Also, ich leite das Projekt auf der technischen Seite. Wir haben das Know-how, wie man so eine App baut – und darauf ist Chegg angewiesen. Maxim: Genau, Rapha hat die ganze architektonische Gestaltung des Systems und der Technologie übernommen. Er leitet das Berliner Team. Und ich habe mich interimsweise zuerst auf das Produkt konzentriert; darauf, wie es aussehen soll und wie die Schüler am Ende interagieren können. Dafür haben wir aber jetzt ein eigenes Team, deshalb kann ich mich mehr auf die geschäftliche Seite konzentrieren.

„Ich sehe den Verkauf als eine Chance, die Idee wirklich groß zu machen“

Maxim (rechts) und Raphael Nitsche, Gründer von Math 42. Foto: Franziska Turner

Wie ist das, mit 22 und 23 für ein Team beziehungsweise ein Unternehmen verantwortlich zu sein?

Maxim: Ich habe mich auch bei Math 42 schon viel um das Geschäftliche gekümmert, obwohl wir natürlich alle Gespräche zu dritt oder viert geführt haben. Dadurch habe ich gelernt, dass ich mich in diesem Bereich am wohlsten fühle: Teams koordinieren, planen, wie bestimmte finanzielle Ziele erreicht werden können, das ist super spannend. Es macht Spaß, ist aber momentan 100 Prozent Learning by Doing, obwohl ich natürlich Unterstützung von einigen tollen Mentoren bekomme.
Raphael: Allgemein ist die Arbeitsatmosphäre sehr angenehm, weil niemand apodiktisch vorgibt, sondern sich vieles aus der Diskussion heraus ergibt.

Hättet ihr es denn auch verkauft, wenn ihr dann danach kein Mitspracherecht mehr gehabt hättet?

Raphael: Also letztlich verkauft man eine Firma und besteht dann nicht auf weitere Rechte, aber es ist natürlich schön, dass wir das Produkt jetzt noch weiterentwickeln können. Und es ist ja auch im Sinne der Firma.
Maxim: Ich sehe den Verkauf an Chegg als eine Chance, die Idee jetzt wirklich groß zu machen. Natürlich gab es am Anfang eine Phase, in der beide Seiten erst mal sehen mussten, ob es funktioniert.

Und? Funktioniert es?

Maxim: Es scheint so, sonst wären wir ja nicht mehr hier. Mit 100 Milliarden Euro jährlich ist der weltweite Markt für Mathe-Nachhilfe riesig, was zum einen eine wahnsinnige Geschäftschance ist für Chegg. Zum anderen ist da aber natürlich auch ein riesiges Problem, das gelöst werden muss, wenn Leute bereit sind, 100 Milliarden dafür auszugeben. Das Schöne an Chegg ist, dass sie unsere Vision teilen und zuerst an die Schüler denken. Wir müssen also kein Lehrprodukt entwickeln, das sich an den Lehrplänen der Kultusministerien orientiert – oder irgendetwas machen, weil es sich dann besser verkauft. Natürlich wollen wir das Produkt verkaufen, gehen dabei aber von dem Grundsatz aus: Wenn das Produkt für den Schüler besser ist, verkauft es sich besser. Ganz einfach.
Raphael: Das ist das Schöne an dem, was mir machen: Wir holen die Schüler individuell da ab, wo sie gerade sind. Das bedeutet, dass ich auch in einer komplett heterogenen Klasse jedem individuell weiterhelfen kann. Etwas, was im Frontalunterricht bisher prinzipiell nicht möglich ist. Das ist das Schlimme an der Schule: Es gibt ja nicht nur Kinder, die Nachhilfe brauchen. Es gibt auch viele Kinder, die im Unterricht sitzen müssen, obwohl sie schon alles verstanden haben. Ich würde sagen, dass da auch eine Menge Gehirnkapital verschwendet wird.

Die Math 42-Gründer. Foto: Franziska Turner

MAXIM UND RAPHAEL NITSCHE (22 UND 23)
Gerade einmal 14 und 15 Jahre alt waren Maxim und Raphael Nitsche, als sie die App Math 42 (benannt nach der Lösung aus dem Kultklassiker „Per Anhalter durch die Galaxis”) programmierten. Dem Auftritt bei der Höhle des Löwen folgte der Verkauf des Unternehmens an Chegg. Heute sind beide in führenden Positionen bei Chegg angestellt. math-42.de APP, chegg.com