Wir müssen die Lücke an Wagniskapital nach der Frühphase schließen

21/06/2017
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Das Jahr 2017 ist ein Super-Wahljahr. Anlass genug, Bilanz zu ziehen: Wo steht der deutsche Venture-Capital-Markt heute? Was hat sich in den vergangenen knapp vier Jahren getan? Und vor allem mit Blick in die Zukunft: Was wollen wir bis 2021 erreichen?

Venture-Capital-Investitionen sind zu Recht auch stets ein Gradmesser für die Innovations- und Zukunftsfähigkeit eines Landes. 2016 wurden in Deutschland 930 Millionen Euro Wagniskapital investiert. Trotz einer deutlichen Steigerung im Vergleich zum Vorjahr erreichen wir damit nicht einmal 0,03 Prozent gemessen an unserem Bruttoinlandsprodukt. Das zeigt: Es besteht reichlich Luft nach oben! Klar ist aber auch: Wir erhöhen die Investitionen sicher nicht, indem wir uns als Branche selbst marginalisieren!

„Trotz einer deutlichen Steigerung im Vergleich zum Vorjahr erreichen wir damit nicht einmal 0,03 Prozent gemessen an unserem Bruttoinlandsprodukt“

Woran liegt es, dass wir insbesondere im Vergleich zu Ländern wie den USA oder auch Israel fast hoffnungslos hinterherhinken? In Diskussionen nach dem Warum scheint die Ursache schnell ausgemacht: Wir Deutschen scheuen das Risiko. Schuld ist demnach unsere Mentalität.

Sicher ist diese Analyse nicht ganz von der Hand zu weisen. Entscheidend ist aber, welche Schlüsse wir daraus ziehen! Weder sollte dieser Befund dazu führen, dass wir den Kopf in den Sand stecken, noch sollte er politische Entscheidungsträger aus der Verantwortung entlassen, sich um eine Verbesserung der Rahmenbedingungen zu kümmern. Selbstmitleid hilft nicht weiter. Dafür sind die Herausforderungen der Digitalisierung zu groß. „Die digitale Revolution fällt wegen Geldmangels aus. Startups verkümmern, weil Liquidität fehlt“, schreibt Christoph Keese in seinem lesenswerten Buch „Silicon Germany“. Mit diesem Zustand dürfen wir uns nicht abfinden. Denn: Scheitern wir, die Herausforderungen der fortschreitenden Digitalisierungen zu meistern, scheitert Deutschland – zumindest werden wir auf Dauer nicht den Rang als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt halten können. So wichtig eine Kultur des Scheiterns für eine dauerhafte Innovationsfähigkeit sein mag, so wenig darf das Postulat für die Bewältigung unserer Herausforderungen als Wirtschaftsstandort gelten. Scheitern ist hier keine Option!

„Scheitern wir, die Herausforderungen der fortschreitenden Digitalisierungen zu meistern, scheitert Deutschland“

Die oft gehörte Forderung nach einer Kultur des Scheiterns erscheint mir ohnehin zu kurz gesprungen. Scheitern an sich ist kein Selbstzweck. Es geht nicht darum zu scheitern, allein um des Scheiterns willen, sondern vielmehr darum, dass Erkenntnisse aus dem Scheitern oftmals wertvoller sind als Erfahrungen von Erfolgen. Daher ist es falsch, das Scheitern und insbesondere mit einer Unternehmensidee Gescheiterte zu stigmatisieren. Das sollte aber nicht dazu führen, Scheitern selbst zum Erfolgskonzept zu erheben. Eine Kultur der zweiten – oder auch dritten – Chance empfinde ich daher als Forderung treffender.

Eine Kultur der zweiten Chance

Als Branche stimmt es uns natürlich nicht zufrieden, wenn die Bedeutung von Venture Capital für die Volkswirtschaft allein in politischen Sonntagsreden besonders betont wird. Umgekehrt gilt aber, dass das Wissen um die herausragend wichtige Rolle von hinreichend Wagniskapital Voraussetzung des geforderten Mentalitätswandels ist. Einsicht ist bekanntlich der erste Schritt zur Besserung! Unabhängig von der Notwendigkeit eines Mentalitätswandels sollte nicht übersehen werden, dass die Bundesregierung in den vergangenen Monaten und Jahren im Bereich Venture Capital viel auf den Weg gebracht hat: Mit der Neuregelung der Verlustverrechnung bei Anteilseignerwechsel hat die große Koalition ein bisher bestehendes Investitionshemmnis im Steuerrecht zwar nicht vollständig beseitigt, aber zumindest minimiert. Durch das 2015 begonnene KfW-Engagement als Fondsinvestor werden bis zum Jahr 2019 400 Millionen Euro in Venture- Capital-Fonds investiert. Neue Finanzierungsmöglichkeiten für Startups bietet der im Frühjahr 2016 gestartete Co-Investitionsfonds Coparion, der über ein Volumen von 225 Million Euro verfügt. Die Auflage des High-Tech-Gründerfonds III führt ein bewährtes Förderinstrument in der Frühphasenfinanzierung fort und die Ausweitung sowie Steuerfreistellung des Invest-Zuschusses für Wagniskapital schafft neue Investitionsanreize für Business Angels.

So richtig und wichtig diese Maßnahmen auch sind, eines schaffen sie bedauerlicherweise nicht: Mehr Investments von institutionellen Investoren in Venture-Capital-Fonds. Diese sind aber erforderlich, um die bestehende Lücke an Wagniskapital im Bereich der Anschlussfinanzierung zu schließen.

In der Phase der Seed-Finanzierung ist Deutschland recht gut aufgestellt. Eine Vielzahl öffentlicher, oftmals regionaler, Förderprogramme verschafft Startups eine gute Ausgangslage. Wird der Kapitalbedarf des Unternehmens aber größer, scheiden öffentliche Fördertöpfe aus. Auch Business Angels können den erhöhten Kapitalbedarf meist nicht stemmen. Und eine Kreditfinanzierung kommt mangels Sicherheiten ohnehin nicht in Frage. Diese Situation wirkt sich gleich dreifach fatal aus: Für die Gründer selbst, weil eine Fortentwicklung ihres Unternehmens erheblich erschwert wird. Für die Steuerzahler, weil öffentliche Fördergelder aus der Frühphasenfinanzierung zu verpuffen drohen. Und für die gesamte Volkswirtschaft, weil hierzulande nötige Innovationen nicht weiterverfolgt, sondern gegebenenfalls im Ausland kommerzialisiert werden.

„Wird der Kapitalbedarf des Unternehmens aber größer, scheiden öffentliche Fördertöpfe aus“

Dänemark als Vorbild

Die Überlegungen zur Errichtung eines Tech Growth Funds weisen in die richtige Richtung. Schließlich könnte damit Unternehmen in der Wachstumsphase aus dem beschriebenen Tal des Todes herausgeholfen werden. Deswegen erscheint es lohnenswert, eine marktnahe Umsetzung dieses Instrumentariums zu forcieren. Der Erfolg des Modells wird maßgeblich davon abhängen, ob es gelingt, Kapital institutioneller Investoren in die Anlageklasse Wagniskapital zu kanalisieren. Eventuell bedürfen die diskutierten Vorschläge zum Tech Growth Fund insofern einer Weiterentwicklung.

Hierbei kann der Blick ins europäische Ausland helfen: In Dänemark wurde 2011 ein neuartiges Dachfonds-Modell etabliert, das zusätzliche Anreize für Versicherungen schafft, in Venture Capital zu investieren. Damit wird nicht nur ein Höchstmaß an Diversifizierung erreicht, sondern auch die Möglichkeit geschaffen, dass sich Versicherungen an kleineren Venture-Capital-Fonds beteiligen. Bisher scheitern entsprechende Engagements oft bereits an den geringen Volumina der VC-Fonds im Verhältnis zu den hohen Einzel-Investments der Versicherer. In Dänemark kann den Investoren unter anderem durch die breite Risikostreuung eine Rendite zugesichert werden. Auch dadurch wird die Attraktivität für Investitionen der Versicherer deutlich erhöht. Zu einer Umsetzung in Deutschland bedürfte es noch nicht einmal gesetzlicher Änderungen. Eine Etablierung eines vergleichbaren Modells sollte daher in der kommenden Legislaturperiode in Angriff genommen werden. Gelingt das, so würde der deutsche Venture-Capital-Markt signifikant gestärkt. Auch in den nächsten vier Jahren werden wir uns als Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften dafür weiterhin konsequent einsetzen! Die Uhr läuft bereits, Zeit haben wir nicht zu verlieren.

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