Das Ende der Netzneutralität

Die Folgen für die Startup-Szene

10/12/2015
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Das Ende der Netzneutralität und die Folgen für die Startup-Szene

Wolfgang Schäuble könnte Ende Oktober einmal durchgeatmet haben. Über Nacht hat er die Rolle als Dr. Evil der Startup-Szene abgegeben, die er sich mit seinem Entwurf für ein Anti-Angel-Gesetz in der Sommerpause redlich verdient hatte. Sein Nachfolger: Telekom-Chef Timotheus Höttges. Höttges behauptet, dass die nun verabschiedete Einschränkung der Netzneutralität die „Zukunftsgarantie“ eines „freien, offenen und diskriminierungsfreien“ Internets sei. Das gleicht der Behauptung, die Abholzung der Wälder sei die Voraussetzung für eine freie Forstwirtschaft.

Was mich besorgt, sind jedoch nicht die rhetorischen Fähigkeiten des Telekom-Chefs. Was mich besorgt, ist die Zukunft realer deutscher Unternehmen. Hier geht es nicht um Worte, hier geht es um Arbeitsplätze, die in Deutschland entstehen oder nicht entstehen, Innovationen, die hier reifen können oder nicht reifen können.

Startups auf der Landstraße

Deutsche Startups, das bemängeln wir schon lange, haben im internationalen Vergleich schlechtere Ausgangsbedingungen. Sie haben weniger Kapital, größere bürokratische Hürden, und nun sollen sie – die vom Internet abhängen mehr als alle anderen – auch noch für Internetleistungen zahlen. Jede Einschränkung des Zugangs zur Datenautobahn hat direkten Einfluss auf Entstehung und Wachstum junger Unternehmen und damit auch auf die Innovationsfähigkeit Deutschlands. Während für große und etablierte Firmen gegen Gebühr die linke Fahrspur reserviert wird, schieben sich Startups in Zukunft über die Landstraße. Es ist naiv zu glauben, dass dies ohne Wirkung bleibt. Manche Startups werden nur ausgebremst, andere werden im internationalen Wettbewerb nicht bestehen können oder – zumindest in Deutschland – gar nicht erst gegründet.

Die Telekom ist selbst sehr aktiv darin, die Innovationen der Startups für sich nutzbar zu machen. Hat etwa ein mangelnder Erfolg dieses Bestrebens zu dem Schluss geführt, sich nun auf anderem Wege an den Startups zu bereichern: als digitaler Wegelagerer?

Das Ende der Netzneutralität provoziert den offenen Bruch

Wie das funktioniert, wenn es keine Regeln gibt, hat die Telekom mit Spotify bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Im Rahmen der 2012 gestarteten Kooperation wird das Spotify-Datenaufkommen dem Inklusivvolumen des Tarifs nicht angerechnet – im bereits nichtneutralen Mobilfunknetz kein Problem. Trotzdem gibt es einen offenen Wettbewerb mit zahlreichen Startups im Musikstreaming-Markt, oder? Die gleiche Entwicklung steht nun allen Startups bevor: Wir werden zu Startups von Höttges’ Gnaden. Im besten Fall wird der Telekom-Chef nur zum Auktionator, der dem Meistbietenden den Weg zum Kunden freiräumt. Vielleicht tritt er aber auch in die Fußstapfen von Gaius Iulius Caesar, der mit einer einfachen Bewegung des Daumens über Wohl und Wehe von Startups entscheidet.

Die Freundschaft zwischen Telekom und Startup-Szene musste zuletzt schon Belastungen ertragen. Mit der Neuformierung von T-Venture mit der Verlagerung des Investmentfokusses in die USA konnte man hadern. Aber eine Telekom, die nur noch in den USA in Startups investiert und in Deutschland bei diesen abkassiert, provoziert den offenen Bruch.

Herr Höttges, wir sollten reden!