Fotograf Kai Löffelbein folgt den Wegen unseres Elektroschrotts

25/03/2019
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Du hast schon als Student damit begonnen, unserem Elektroschrott hinterherzureisen. Wie bist du auf das Thema gekommen?
Kai Löffelbein: Ich beschäftige mich schon immer mit Geschichten, die direkt mit uns zu tun haben – globalisierte Geschichten nenne ich das. Und gerade bei dem Thema Elektroschrott gibt es ja eine ganz klare, direkte Verbindung mit unserem Lifestyle. Als Fotograf arbeite ich natürlich berufsbedingt viel mit Computern und Kameras und verschleiße auch viele Geräte. Irgendwann habe ich begonnen, mich zu fragen, was eigentlich mit dem ganzen Zeug passiert.

Für deine Fotos warst du in China, Ghana und Indien unterwegs. Stammen denn die meisten der Geräte dort aus Europa?
Kai Löffelbein: In Ghana etwa ist jedes Gerät importiert, weil das Land selbst gar keine Elektrogeräte produziert. Die Geräte haben oft noch Sticker dran, an denen man erkennen kann, woher sie stammen. Die kamen zum Beispiel von einer Bank aus England oder einer Uni aus Nordrhein-Westfalen. Die Leute vor Ort haben mir auch Festplatten gezeigt, die voll mit Urlaubsfotos von Weißen sind.

 Die Arbeiterinnen in dieser chinesischen Fabrikhalle haben zwar geregelte Arbeitszeiten – doch auch für sie ist die Arbeit mit dem Elektroschrott extrem gesundheitsschädlich. Foto: Kai Löffelbein

Läuft die Verschrottung denn überall gleich ab?
Kai Löffelbein: In Ghana haben die Menschen oftmals nicht mal richtige Werkzeuge. Die Fernseher werden einfach mit Steinen aufgebrochen oder so lange auf den Boden geschlagen, bis sie aufbrechen, um an die Metalle zu kommen. In China benutzen sie dafür Werkzeuge.

Ist die Verschrottung in China also institutionalisierter?
Kai Löffelbein: Das würde ich nicht unbedingt sagen, das ist ja nicht staatlich gesteuert. Die Leute arbeiten dort in kleinen Familienwerkstätten bis hin zu riesigen Fabrikhallen. Es gibt dort zwar feste Arbeitszeiten und Mittagspausen. Aber für Mensch und Umwelt ist der Prozess genauso verheerend wie in Ghana – vielleicht sogar noch schlechter, weil in China auch Chemikalien eingesetzt werden.

Eigentlich ist die Ausfuhr von Elektroschrott verboten. Wie gelangt unser Müll trotzdem ins Ausland?
Kai Löffelbein: Die Ausfuhr von gebrauchten Geräten ist ja legal, das ist dann oftmals falsch deklariert. Der Zoll hat auch gar nicht die Kapazität, alles zu kontrollieren. Ich war mal bei einer Zollkontrolle im Hamburger Hafen dabei. Die picken sich einzelne Container raus und testen die Fernseher in der ersten Reihe auf ihre Funktionstüchtigkeit. Die Verschiffer sind ja auch nicht doof, die wertigen Geräte werden dann in die vorderen Reihen gepackt. Du beschäftigst dich jetzt seit Jahren mit dem Thema. Was könnte man tun? Ich will durch meine Arbeit als Fotograf in erster Linie das Problem aufzeigen und die Leute dazu anregen, über ihr Konsumverhalten nachzudenken. Aber es gäbe da sicherlich viele Möglichkeiten: Bessere Kontrollen, bessere Ausstattung für den Zoll, eine strengere Gesetzgebung.

 In den Hinterhofläden von Neu Delhi zerlegen die Männer Elektroschrott, um an wertvolle Rohstoffe zu kommen. Foto: Kai Löffelbein

Betrachtest du jetzt Elektronik anders?
Kai Löffelbein: Klar, wenn es bei mir nichts ausgelöst hätte, von wem könnte ich das sonst erwarten? Wenn nun eine Entscheidung ansteht, mir neue Elektronik zu kaufen, überlege ich mir genau, ob ich das wirklich brauche. Wir können das Rad der Zeit nicht zurückdrehen, aber ich sehe auch, dass manche Bedürfnisse erst künstlich geschaffen werden. Wenn bestimmte Apps auf wenige Jahre alten Telefonen nicht mehr laufen zum Beispiel. Oder wenn die wenigsten unserer elektronischen Geräte heutzutage überhaupt noch reparierbar sind. Unternehmen, die das ändern wollen, wie zum Beispiel Fairphone, könnten steuerliche Entlastungen bekommen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Berlin Valley Nr. 33.

Kai Löffelbein
1981 in Siegen geboren, studierte Löffelbein Politikwissenschaften und später Dokumentarfotografie. Seit 2009 arbeitet er international als freier Fotograf. Zentrale Themen seines fotografischen Schaffens sind Globalisierung und soziale Gerechtigkeit. kailoeffelbein.com