"Beste Standortbedingungen für die digitale Szene schaffen"

04/04/2018
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Herr Kerkmann, sie sind seit 2009 Amtsleiter der Wirtschaftsförderung Düsseldorf. Welche Learnings hinsichtlich können Sie aus diesen Jahren teilen?

Uwe Kerkmann: Das wichtigste im Bereich der Wirtschaftsförderung ist, dass man immer versucht auf der Höhe der Zeit zu sein, und sich mit den Themen beschäftigt, die Wirtschaft heute treiben. Konkret in Düsseldorf haben wir immer darauf geachtet, welche Dienstleistungen wir für die lokale Wirtschaft dazu erbringen können. Wir haben uns immer wieder die Frage gestellt, ob es auch nötig ist, die Wirtschaftsförderung zu verändern, Teams umzubauen, Schwerpunkte neu zu setzen. Der letzte große Wurf war bei uns die Gründung der Startup-Unit 2015, mit dem Ziel uns mit den Themen Startup, Innovation, Digitalisierung ganz deutlich verstärkt zu beschäftigen.

Erklärt das auch das immense Wachstum der Startup-Szene? Immerhin hat sich Zahl der Startups in Düsseldorf zwischen 2015 und 2018 mehr als verdoppelt.

Uwe Kerkmann: Genau. Oberbürgermeister Thomas Geisel hat ja schon im Wahlkampf die Devise ausgegebenen: Wir werden uns am Standort Düsseldorf darum kümmern, dass Startups, junge Unternehmen und innovative digitale Konzepte hier beste Standortbedingungen finden. Und wir haben strukturell in der Wirtschaftsförderung umgebaut, eine Startup-Unit gegründet, auch Finanzen zusammengeführt und andere organisatorische Themen verändert, damit wir uns mit voller Kraft darauf stürzen konnten. Das war sehr wichtig und hat sicherlich die Rahmenbedingungen für Startups in Düsseldorf verbessert.

https://youtu.be/lGLr816u_xg

Wie genau haben Standortbedingungen für die Startup-Szene verbessert?

Uwe Kerkmann: Uns war erstmal wichtig, dass Startups aus allen Branchen und Bereichen vernünftige Ansprechpartner finden können. Wir haben transparent gemacht, wer sich an einem Standort wie Düsseldorf um was kümmert. Das war auch die Geburtsstunde der Startup-Woche, weil wir ein Format schaffen wollten, bei dem sich alle, die etwas für Startups anbieten, wiederfinden. Also eine Plattform für die Partner, Unterstützer oder Dienstleister von Startups, und natürlich auch für die Startups selber, die ihre Erfahrungen teilen wollen. Das war ein Veranstaltungsformat, das sehr gut funktioniert hat.

Wirtschaftsförderung schafft Transparenz und Vernetzung

Außerdem haben wir uns sehr intensiv darum bemüht, herauszufinden, welche Themen für Startups wichtig sind. Wir haben damals als Wirtschaftsförderung mit Mckinsey zusammen gearbeitet und uns einen Plan gemacht, an welchen Schrauben wir drehen müssen. Da geht es natürlich um das Thema Vernetzung mit der lokalen oder regionalen Wirtschaft, um Finanzierungsfragen, aber auch darum, wie Startups, die in Düsseldorf aktiv sind, voneinander mehr erfahren können. Wir wollten Transparenz herstellen: Wo gibt es Formate, um sich zu treffen, wie kann man Pitch-Formate so organisieren, dass sie auch außerhalb kleiner Zirkeln wahrgenommen werden? Daneben ging es um unterschiedlichen Punkte wie Community, Vernetzung, aber auch Produktivität, im Sinne von: Wo müssen wir als Wirtschaftsförderung unterstützen. Und dann haben wir ganz konkrete Dinge angepackt.

Wo mussten sie genau unterstützen?

Uwe Kerkmann: Zuerst war es wirklich wichtig, sichtbar zu machen, was es am Standort Düsseldorf gibt. Das ist immer auch eine Motivation für viele, sich überhaupt zu melden. Dass die Zahl der Startups nach der ersten Startup Woche 2015 so unglaublich schnell in die Höhe gestiegen ist, lag selbstverständlich nicht daran, dass sich danach ganz unglaublich schnell viele Firmen gegründet haben, sondern dass sich viele Startups, viele junge Firmen, bei uns gemeldet haben, die es bereits gab, mit denen wir aber keinen Kontakt hatten.

Startup-Arbeit kann kein rein kommunales Thema sein

Uwe Kerkmann: Die Wirtschaftsförderung hat mit startup-city.de ein Communityportal aufgebaut, auf dem aufgezeigt wurde welche Startups, welche Dienstelster, Partner und Events es gibt. Im Rahmen der Landesförderung NRW war für uns auch die Gründung des Digihubs sehr wichtig, an dem die Stadt Düsseldorf - zusammen mit regionalen Partnern - sehr aktiv beteiligt ist. Denn wir sind überzeugt davon, dass Startup-Arbeit kein kommunales Thema sein kann, sondern immer die regionale Wirtschaft, der regionale Markt einbezogen werden muss.

Was genau ist der Digihub?

Uwe Kerkmann: Der „digihub Düsseldorf/Rheinland“ ist eine GmbH, die wir mit der lokalen IHK, dem Rheinkreis Neuss und der Stadt Mönchengladbach gegründet haben, aber auch mit großen Unternehmen wie Vodafone, METRO, Teekanne und vielen anderen, um Digitalisierung ganz konkret durch die Zusammenarbeit von Startups, Hochschulen und Unternehmen voranzutreiben. Der Digihub ist eine Serviceeinrichtung, die sich auf unterschiedlichen Branchenfeldern mit unterschiedlichen Firmen - auch Mittelständlern - damit beschäftigt, wie man durch die Kooperation von Startups mit Unternehmen neue Ideen generieren kann. Wir haben auch ein eigenes Inkubations-Programm und basteln jetzt an einen Acceleration-Programm. Es geht uns wirklich um sehr konkrete Hilfestellung für Startups, aber auch für Firmen, sich mit digitalen, innovativen Ideen zu beschäftigen.

Wie große ist das Interesse von Seiten der Corporates und des Mittelstands? Müssen Sie da noch Überzeugungsarbeit leisten?

Uwe Kerkmann: Ich bin sehr froh, dass wir als Wirtschaftsförderung nur sehr wenig Überzeugungsarbeit leisten müssen. Firmen, die sich heute im globalen Wettbewerb bewegen, wissen sehr genau, dass sie sich mit bestimmten Themen beschäftigen müssen. Allerdings glaube ich auch, dass nicht alle Firmen auf Anhieb sagen können, welche Schrauben sie vor dem Hintergrund des steigenden Wettbewerbs u.a. durch die Digitalisierung drehen müssen, damit ihr Geschäftsmodell, ihr Produkt, ihr Service weiterhin wettbewerbsfähig ist.

Inspirierende Begegnungen möglich machen

Uwe Kerkmann: Insofern ist es wichtig, Corporates und Mittelständler immer wieder in Kontakt zu bringen mit coolen, kreativen Startups, mit neuen Ideen, auch mit innovativen Strategien wie man im Rahmen des digitalen Wandels mit bestimmten Phänomenen umgeht und ob bestimmte Technologien für dieses Unternehmen jetzt nutz- und gewinnbringend sein können. Es ist schon wichtig, in diesen Dialog zu gehen. Deswegen ist es für uns ja auch total klasse, dass der NKF Summit nach Düsseldorf kommt, weil genau mit solchen Events diese inspirierenden Begegnungen erst ermöglicht werden.

Wie sieht es mit Finanzierungsmöglichkeiten aus?

Uwe Kerkmann: Wir sind sehr darum bemüht, verschiedene Finanzierungsformate in die Stadt zu holen. Wir haben den European Venture Contest in Düsseldorf seit vielen Jahren, um VCs mit Startups aus Stadt und Region, in diesem Fall sogar international, zusammenzubringen. Außerdem versuchen wir erade einen neuen Seed-Fond für Düsseldorf aufzulegen, natürlich auch nicht als Stadt alleine, sondern zusammen mit regionalen Partnern, wie der NRW-Bank.

Als Wirtschaftsförderung haben wir uns auch sehr stark gemacht für die Gründung eines Business Angel Chapters. Und dann geht es um Transparenz, so dass alle, die Finanzierung brauchen, auch von den Angeboten wissen. Außerdem wollen wir zusammen mit jungen Unternehmen und Startups herausfinden, wo es denn genau mit der Finanzierung hapert.

Thema für die Wirtschaftsförderung: Standortwerbung

Ein weiteres große Thema für uns als Wirtschaftsförderung ist die Werbung für unseren Startup-Standort, damit VC und Kapitalgeber darauf aufmerksam werden, dass es in Deutschland nicht nur einige wenige Standorte für Startups gibt, sondern dass die Startup-Szene gerade hier an Rhein und Ruhr ein ganz spannendes Thema ist.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit dem Mittelstand aus?

Uwe Kerkmann: Es ist tatsächlich ein bisschen komplizierter, die mittelständischen Unternehmen zu erreichen, wobei sich die großen Mittelständler schon Gedanken machen, wie sie sich im Markt in ihrer Branche positionieren. Aber generell gestaltet sich die Überzeugungsarbeit hier ein wenig individueller. Deshalb gehen wir mit dem Digihub gezielt auf mittelständische Unternehmen zu, versuchen gemeinsam mit Partnern Eventformate zu finden, die es erstmal niederschwellig einfach machen, mit Startups, mit Innovatoren, mit Hochschulen in Kontakt zu kommen.

Technologiebörse zum Schauen und Anfassen

Wir haben zum Beispiel eine wunderbare Veranstaltung, den Digital Demo Day, den der Digihub einmal im Jahr Anfang des Jahres in Düsseldorf veranstaltet. Das ist so etwas wie eine Technologiebörse zum Schauen und Anfassen. Das wird immer beliebter. Da kommen mittlerweile ein paar tausend Leute hin, auch viele Vertreter von mittelständischen Unternehmen, die sich hier erstmal ganz praktisch ein Bild machen können: Wofür wird Virtual Reality genutzt? Welche Rolle spielt Artificial Intelligence bei der Digitalisierung der Wirtschaft? Was konkret bedeutet dieses große Schlagwort „Industry 4.0“ für mich, für mein Unternehmen?

Und daher glaube ich, ist es wirklich sehr wichtig, unterschiedliche Formate anzubieten, bei denen Mittelständler, die sich dafür interessieren, Ansprechpartner finden. Gleichzeitig sollte man den Kreis kommunikativ immer weiter zu ziehen und wichtige Informationen weitergeben. Deshalb sind eben auch Magazine, wie Berlin Valley (hier alle Ausgaben zum kostenlosen Download), so wichtig, aber auch Webseiten und vor allem Events, wo man ganz praktisch erfahren kann, worum es eigentlich geht bei der Digitalisierung und technologischen Innovationen - besonders für Mittelständler.

Ich finde Startups spannend, die sich mit Themen beschäftigen, die ganz akut Lösungen brauchen

Gibt es ein paar Düsseldorfer Lieblings-Startups, die Sie gerne nennen möchten?

Uwe Kerkmann: Es ist natürlich immer schwierig, etwas herauszupicken, aber gut: Just Spices etwa ist einfach deswegen toll, weil es lecker ist und man es jeden Tag nutzen kann! Aber ich finde auch Startups toll, die sich mit großen sinnvollen Aufgaben beschäftigen, wie das Startup WMoove, die zum Thema Abfallversorgung und gleichzeitig an dezentraler Energiegewinnung arbeiten. Ich finde Startups und Innovationen spannend, die sich mit Themen beschäftigen, die ganz akut eine Lösung brauchen. Deshalb finde ich auch unser Pilotprojekt zum autonomen Fahren großartig, wo es darum geht, wie Mobilität, wie Verkehr in Zukunft aussieht, welche Themen in diesem Zusammenhang wichtig sind. Es ist ja nicht nur das Fahren alleine, auch die Infrastruktur, die ganze Stadt muss anders digital organisiert werden.

Können Sie für uns ein wenig in die Zukunft schauen? Wie werden Düsseldorfer Startups ihre Stadt verändern?

Uwe Kerkmann: Je mehr man mit innovativen, technologischen Ideen konfrontiert wird, desto mehr macht man sich Gedanken darüber, das gilt für die Stadtverwaltung genauso wie für die Unternehmen am Standort. Deshalb glaube ich, dass die Startup-Initiative auch die Stadt selber beeinflusst und beflügelt - und zwar noch weit über die lokale Startup- und Tech-Szene hinaus. Da entwickeln sich  unglaubliche, internationale Kontakte, die total inspirierende Ideen bringen, ob sie aus Tel Aviv, aus Tokyo, aus Warschau oder Moskau kommen, Städte, mit denen wir ganz intensiv verbunden sind.

Sich immer wieder inspirieren lassen

Ich glaube es ist sehr, sehr wichtig, dass man sich konfrontiert, dass man sich gegenseitig kennenlernt, dass man internationale Startups zu Pitches einlädt, um immer wieder zu sehen, woran die anderen arbeiten. Denn es gibt ja gerade im Bereich der urbanen Entwicklung ganz viele Städte, die sich mit Themen konfrontiert sehen, wie Luftverschmutzung, Verkehr, Bevölkerungsdichte, und gleichzeitig dem Bedürfnis nach mehr Lebensqualität. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, sich immer wieder inspirieren zu lassen. Und ich hoffe, dass wir mit Startup- und Innovationsarbeit hier auch unseren Beitrag leisten.

Können Sie Beispiele für die internationale Zusammenarbeit nennen?

Uwe Kerkmann: Zwei sehr wichtig sind wohl die von Mobileye aus Israel und Renesas aus Japan. Mobileye, die ja das am höchsten kapitalisierte israelische Startup waren, sind mit ihrer Deutschlandzentrale nach Düsseldorf gezogen - und ein Partner im Pilotprojekt für autonomes Fahren. Renesas sind nicht nur Mitglied im Digihub, sondern auch an vielen Projekten zur Digitalisierung beteiligt. Aber das sind nur Beispiele: Insgesamt haben wir immerhin mehr als 5000 international Firmen in Düsseldorf, das ist schon ein sehr bereichernder Faktor.

Ursprünglich haben Sie Japanologie studiert? Welche Learnings haben Sie hier für ihre jetzige Position mitgenommen?

Uwe Kerkmann: Tatsächlich ist es nicht verkehrt, einen Background zu haben, der sehr positiv eingewirkt hat auf Innovationsfreude, Technikbegeisterung und Aufgeschlossenheit. Japan wurde ja früher immer unterstellt, dort könnten sie nur kopieren. Dabei ist Japan ein sehr innovatives, kreatives, technologieaffines Land. Ich persönlich fand es toll, dass gerade die japanische Wirtschaft immer sehr kreative Lösungswege gesucht hat, jenseits abgetretener Pfade. Das hat mich durch mein gesamtes Berufsleben begleitet: immer aufgeschlossen zu sein und nicht wie es sonst häufig in Deutschland üblich ist, zuerst mal die großen Gefahren der neuen Technologien zu sehen, um dann vielleicht zu erkennen, dass sie auch einen Wert und Nutzen haben und positiv wirken können. Also zu schauen, was möglich sein könnte, ganz offen, das habe ich in der Tat aus dem Studium gelernt.

[td_block_text_with_title custom_title=”Uwe Kerkmann”]Seit 2009 ist Uwe Kerkmann Amtsleiter der Wirtschaftsföderung Düsseldorf, der zentralen Anlaufstelle für alle Unternehmen in der Landeshauptstadt. Ein besonderer Schwerpunkt sind die Vernetzung von Startups und Corporates, sowie die digitale Transformation des lokalen Unternehmertums. (Foto: Wirtschaftsförderung Düsseldorf)