Interview mit Shir Friedman von Supermeat:

„Der Effekt für die Umwelt wäre gewaltig"

21/06/2018
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Shir, wie seid ihr auf die Idee zu Supermeat gekommen und was ist euer Geschäftsmodell?

Die Clean-Meat-Idee gibt es bereits seit einem Jahrzehnt. Tatsächlich prophezeite schon Winston Churchill 1931: „Wir werden von dem Aberwitz abkommen, ein ganzes Huhn zu züchten, um die Brust oder den Flügel zu essen, und diese stattdessen in einem geeigneten Medium züchten.“ Bei Supermeat haben wir die besten Köpfe der Zellkultivierung, des Biological Manufacturing, Food Engineering und der Produktion zusammengebracht, um die Prophezeiung des Clean Meat zum Leben zu erwecken. Es gibt einige Clean-Meat-Unternehmen. Jedes verfolgt einen anderen technologischen Ansatz. In unserem Fall handelt es sich um Fleisch vom Huhn. Das unterscheidet uns von anderen Initiativen wie der von Dr. Mark Post, die mit Rind arbeiten. Unser Produkt soll zunächst als Premiumprodukt in Restaurants verkauft, später aber auch in Supermärkten angeboten werden. Langfristig wollen wir unsere Technologie lizenzieren.

„Die Magie der Biologie vollzieht sich direkt vor unseren Augen.“

Was unterscheidet Clean Meat vom jetzigen Fleisch?

Clean Meat ist sicherer und sauberer als herkömmliche Fleischprodukte. Ein Vorteil wird sein, dass es keine Antibiotika aufweist. Aber auch Salmonellen oder E-Coli werden nicht vorhanden sein. Dadurch wird es „cleaner“. Der Verzehr ist somit insgesamt gesünder.

Wie sieht der Herstellungsprozess aus?

Für den eigentlichen Prozess brauchen wir einmalig ein paar Zellen eines Huhns. Wir benötigen also keine ganzen Teile, sondern setzen das Huhn lediglich einer simplen Biopsy aus. Das Schöne am Prozess ist, dass kein Tier unter der Produktion von in-Vitro-Fleisch, also Clean Meat leiden muss. Die Zellen werden nach der Entnahme in speziellen Containern in eine Nährstofflösung gelegt. Diese enthält alles, was die Zellen brauchen, um zu wachsen und Gewebe zu bilden, wie man es im Körper des Tieres findet. Die Magie der Biologie vollzieht sich quasi direkt vor unseren Augen. Dabei verfolgen wir von Anfang an den Ansatz, unser Produkt zu skalieren. Wir behalten die Skalierung der Produktion des Clean Meat immer im Hinterkopf.

Welche Auswirkungen hätte es, wenn sich die gesamte Fleischproduktion wandeln würde?

Der Effekt für die Umwelt wäre gewaltig. Für die Produktion von Clean Meat werden wesentlich weniger Ressourcen verbraucht als für die Produktion von traditionellem Fleisch. Wir sprechen von annähernd 80 Prozent weniger Wasser und 99 Prozent weniger Land. Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass 80 Prozent weniger Treibhausgasemissionen entstehen. Die traditionelle Industrie würde in die Lage versetzt, ihre Fleischprodukte grüner, gesünder und tierfreundlich herzustellen.

Welchen Einfluss könnte In-vitro-Fleisch auf den Welthunger haben?

Fleischproduktion funktioniert nur über Tierhaltung. Das ist nicht hinlänglich. Im Vergleich zu den Ressourcen, die wir verfüttern, ist das, was wir an Nahrung daraus gewinnen, unzureichend. Ein Großteil der Nahrung, die konsumiert werden könnte, wird verschwendet. Obwohl wir ausreichend Nahrung produzieren, um 10 Milliarden Menschen zu ernähren, wird ein Großteil an Nutztiere verfüttert, die nur sehr wenig Nahrung bringen.

„Ich lebe vegan und habe kein Problem damit, Clean Meat zu konsumieren.“

Stellt In-vitro-Fleisch eine Option für Veganer dar und werden es unsere Kinder eklig finden, dass wir Fleisch von geschlachteten Tieren gegessen haben?

Bei der Frage nach Veganern, denke ich, dass es darauf ankommt, warum sie sich jeweils für den Veganismus entschieden haben. Manche Veganer glauben, dass der Mensch nicht dazu bestimmt ist, Fleisch zu konsumieren. Diese Personen werden auch kein Clean Meat essen. Wenn sie sich aber aufgrund ideologischer Einstellungen und aufgrund von Umweltaspekten für einen veganen Lebensstil entschieden haben, dann könnten sie definitiv zu Clean Meat greifen. Ich selbst lebe seit zwölf Jahren vegan und habe absolut kein Problem damit, Clean Meat zu konsumieren. Clean Meat könnte zu einem gesellschaftlichen Wandel führen. Das Szenario, dass unsere Kinder uns eklig finden, ist denkbar.

Große Fleischproduzenten investieren bereits, ihr habt gerade erst ein Investment von PHW erhalten. Sehen wir hier den Anfang des Wandels?

Fleischproduzenten sind sehr interessiert an dieser neuen Art der Fleischproduktion. Ich denke schon, dass wir das als positives Zeichen interpretieren können. Wir stehen auch mit einigen großen Produzenten in Kontakt, deren Namen ich allerdings nicht verraten darf.

Wann soll euer Fleisch auf den Markt kommen und wie sieht die Zukunft von Supermeat aus?

Supermeat soll in naher Zukunft auf den Markt kommen. Die größten Herausforderungen, die wir dabei überwinden müssen, sind die Skalierbarkeit und der Preis. Clean Meat ist die Zukunft der Fleischproduktion. Durch die Veränderung der Produktionsweise mildern wir eine große Belastung des Planeten, der Tiere und unserer eigenen Gesundheit.

Shir Friedman ist studierte Biologin , Umwelt- und Tierschützerin. Die Kombination dieser Ideologien hat sie dazu veranlasst, die Forschung im Bereich des kultivierten Fleisches zu fördern. Bevor sie Supermeat mitgegründet hat, war sie Co-Founder von The Modern Agriculture Foundation.

Das Gespräch führten Nadine Meya und Lotta Träger.

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