Trivago-Gründer Rolf Schrömgens:

„Wir machen hier immer noch unser Ding“

07/08/2017
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Rolf, hast du heute schon auf den Aktienkurs geschaut?

Rolf Schrömgens: Nein.

Welche Bedeutung hat der Kurs für dich?

Rolf Schrömgens: Wenig. Ich bekomme abends eine E-Mail, da steht er in der Headline. Deswegen kann ich das nicht übersehen. Aber abgesehen davon schaue ich nicht nach.

Trivagos Börsengang Ende Dezember 2016 war holprig, aber erfolgreich. Seit Ende Juli geht es wieder leicht bergab. (Bild: boerse.ARD.de)

Hat sich das Unternehmen seit dem Börsengang verändert?

Rolf Schrömgens: Wenn, dann nur zum Positiven. Wir haben es geschafft, durch den Börsengang ein bisschen mehr zu uns zu finden. Wir haben unsere eigene Identität zurückgewonnen.

„Wir können jetzt viel stärker unsere eigene Wachstumsstory erzählen“

Wie das?

Rolf Schrömgens: Wir haben uns vor ein paar Jahren entschieden, mit Expedia zusammenzuarbeiten und sie als Investor an Bord zu nehmen. Damals wollten wir noch keinen Börsengang. Wir wollten unter dem Mantel einer großen Firma weiterwachsen und nicht sofort als Unternehmen im Rampenlicht stehen. Dann haben wir aber festgestellt, dass wir damit eigentlich alle Nachteile einer Public Company schon hatten, weil wir Quartalsberichte veröffentlichen mussten und so weiter. Trotzdem hatten wir immer noch unsere eigene Identität, denn Trivago und Expedia sind unterschiedliche Firmen mit zwei sehr unterschiedlichen Kulturen und so ist es auch geblieben. Der Börsengang zeigt das. Und wir können jetzt viel stärker unsere eigene Wachstumsstory erzählen.

Wie bewahrt man seine Kultur, wenn ein strategischer Investor wie Expedia 60 Prozent der Anteile hält?

Rolf Schrömgens: Wie die Anteile wirtschaftlich verteilt sind, ist unabhängig davon, wie die Machtverteilung im Unternehmen ist. Mark Zuckerberg hält auch keine 60 Prozent mehr an Facebook. Ich denke, wir haben sogar noch mehr Anteile an unserer als Mark Zuckerberg an seiner Firma. Wir werden immer noch als eine unternehmergeführte Firma wahrgenommen.

Weil Expedia das zugelassen hat oder habt ihr euch das erkämpft?

Rolf Schrömgens: Die Freiheit haben wir uns erkämpft, weil Freiheit für uns als Gründerteam immer wichtig war. Deswegen haben wir so gut wie keine Finanzierungsrunden gemacht. Wir wollten keine Investoren, die uns sagen, was wir zu tun haben. Das war immer ein dominierendes Motiv. Und das ist heute noch so: Wir machen hier immer noch unser Ding. Das können die Anleger dann gern bewerten.

Ein Unicorn aus Düsseldorf: Das Team von Trivago ist inzwischen auf mehr als 1300 Mitarbeiter angewachsen. (Bild: Trivago)

Warum habt ihr Expedia ins Unternehmen geholt?

Rolf Schrömgens: Solange wir unsere Kontrolle behalten, ist es uns egal, ob wir 51 oder 40 Prozent am Unternehmen halten. Ich finde aber die weit verbreitete Haltung seltsam, auf der einen Seite extrem Exit-orientiert zu sein: ‚Wann kann ich endlich verkaufen?‘ Und es auf der anderen Seite nicht zuzulassen, dass man zwischendurch schon mal ein bisschen Geld aus dem Unternehmen mitnehmen kann. Das rate ich Gründern übrigens dringend. Es ist auch für die Motivation wichtig, sich nicht nur an diesem einen entfernten Punkt, dem Exit, zu orientieren. Am Anfang leiht man sich als Unternehmer Geld – bei Eltern, Freundin, Eltern der Freundin, Tante, Onkel und so weiter. Ich habe von jedem irgendwie Geld eingesammelt. Es ist einfach gut, wenn man zwischendurch etwas zurückzahlen und seine fundamentalen Bedürfnisse befriedigen kann. Sonst wird der Druck zu verkaufen irgendwann zu groß.

„Am Anfang haben uns die Banken für verrückt erklärt“

Wir würdest du euren Umgang mit Investoren beschreiben?

Rolf Schrömgens: In der Kommunikation mit den Kapitalmärkten waren wir immer sehr ehrlich. Wir haben sehr klar gesagt: Das könnt ihr von uns erwarten, das könnt ihr nicht erwarten. Erwartet nicht, dass wir uns nach euch richten. Wir werden euch nicht managen, sondern ehrlich und authentisch sein. Am Anfang haben uns die Banken deswegen für verrückt erklärt.

Sie haben euch geraten, freundlicher zu den Investoren zu sein?

Rolf Schrömgens: Ja, und die Erwartungen zu managen. Ich glaube aber, heute geht es eher darum, sehr transparent zu sein. Und das versuchen wir. Das gibt uns Freiheit nach innen. Wenn man nicht drei Pläne verfolgen muss – einen für sich selber, einen für die Mitarbeiter und einen für die Kapitalmärkte –, sondern nur einen Plan für alle drei, dann gibt das eine wahnsinnige Freiheit – im Kopf.

Rolf Schrömgens rät Gründern, auch vor dem großen Exit ein bisschen vom Unternehmen zu profitieren. „Es ist einfach gut, wenn man zwischendurch etwas zurückzahlen und seine fundamentalen Bedürfnisse befriedigen kann.“ (Bild: Amélie Losier)

Ihr seid an der Nasdaq notiert. Habt ihr erwogen, den Sitz in die USA zu verlegen?

Rolf Schrömgens: Es gab einfach nie einen Grund dazu.

Es ist kein Nachteil, in Düsseldorf zu sitzen?

Rolf Schrömgens: Für uns war es kein Nachteil. Wir sind da aber auch ein bisschen speziell. Wenn du eine Finanzierung suchst, ist es tatsächlich ein Nachteil, in Düsseldorf zu sitzen. Da fehlt einfach der Capital Flow.

„Föderalismus ist auf einmal eine ganz schöne Sache“

Würdest du Gründern empfehlen, in ihren Städten zu bleiben, oder sollen sie in die großen Hubs gehen?

Rolf Schrömgens: Das ist auch eine politische Frage: Bilden wir jetzt Berlin als zentralen Punkt aus oder bilden wir ein Föderalsystem? Ich glaube, es kommt auf das Timing an. Dieses föderale System, das wir ja auch in Europa haben mit seinen vielen Zentren, war über einen ganz langen Zeitraum sehr nachteilig. In den USA gab es einfach nur ein großes Zentrum. Dort wird dann die kritische Masse schnell erreicht. In Europa ist sie sehr spät erreicht worden. Ich glaube, das war in der Vergangenheit ein Nachteil. Ich bin mir aber nicht so sicher, ob das für die Zukunft in Europa immer noch so ist, weil jetzt in vielen Metropolen – London, Berlin, Paris, Stockholm, Lissabon – die kritische Masse erreicht wird. Und dann ist Föderalismus auf einmal eine ganz schöne Sache. Weil man dann nicht wie im Silicon Valley so hohe Preise hat, was ein extremer Nachteil ist.

Was rätst du Gründern, die mit ihrer Firma später mal an die Nasdaq gehen wollen?

Rolf Schrömgens: Also vielleicht erst mal, nicht das Ziel zu haben, an die Nasdaq zu gehen. Das Ziel muss erst einmal sein, ein gutes Produkt zu schaffen, das Leuten wirklich weiterhilft und ein echtes Problem löst. Das ist der Start. Dann geht es darum, ein gutes Unternehmen aufzubauen und die richtige Motivation für die Leute in der Organisation zu schaffen. Das war uns im Management irgendwann fast noch wichtiger. Wir geben die Richtung vor und wenn man viel in die Organisation investiert, kann man darauf vertrauen, dass die richtigen Inhalte dann aus ihr kommen. Eine Firma kann am Anfang vielleicht eine Zeit lang von einem genialen Gründer profitieren, der wahnsinnig gute Ideen hat und es schafft, diese Ideen konsequent in die Organisation zu pushen. Wenn er ein absolutes Genie ist, dann kriegt er das auch über einen größeren Zeitraum hin. Dafür muss man aber so jemand wie Oli Samwer oder Steve Jobs sein. Ich würde nicht darauf vertrauen, dass mir das als Unternehmer gelingt.

„Du musst eine Organisation bauen, die ihre Inhalte selbst entwickelt“

Wie muss man die Organisation bauen?

Rolf Schrömgens: Du musst eine Organisation bauen, die ihre Inhalte selbst entwickelt. In der du nicht von oben nach unten dirigierst, sondern wo gute Ideen von unten nach oben aufsteigen. Und die dann auch aufgegriffen und umgesetzt werden. Das ist viel effizienter. Der Erfolg von Trivago ist nicht zwangsläufig darin begründet, dass wir eine grandiose Idee hatten. Die Idee war nie grandios und wir sind auch nicht die Einzigen. Aber wir sind besser geworden als andere und haben uns schneller entwickelt, weil wir eine starke Organisation haben.

Durch Ideen von Unten statt Ansagen von Oben ist Trivago effizienter als andere, sagt Schrömgens. (Bild: Amélie Losier)

Siehst du dich eher als Coach oder als Boss?

Rolf Schrömgens: Die Idee ist gar nicht so schlecht, Coach. Ich glaube, dass man nur Erfolg haben kann, wenn es gelingt, die Leute intrinsisch zu motivieren. Jegliche extrinsische Motivation ist ein schlechtes Substitut und kann eigentlich kaum funktionieren. Aber intrinsische Motivation ist halt wahnsinnig schwer zu erzeugen.

„Führung funktioniert über Inspiration“

Wie habt ihr es geschafft?

Rolf Schrömgens: Man muss Freiraum lassen, damit sich die Leute intrinsisch motivieren können. Und das erfordert Mut, weil man den Leuten nicht mehr sagen kann: ‚Jetzt mach mal A oder mach mal B!‘, sondern die Frage lautet immer: ‚Was willst du jetzt machen?‘ Das erfordert auch extrem viel Disziplin im Unternehmen. Es geht um Führung ohne Kontrolle. Führung funktioniert über Inspiration.

Das Gespräch führte Corinna Visser.

[td_block_text_with_title custom_title=”ROLF SCHRÖMGENS”]Rolf Schrömgens ist Mitgründer und CEO von Trivago. Rolf ist in Mönchengladbach aufgewachsen und hat an der HHL Leipzig Graduate School of Management studiert. Bereits während des Studiums arbeitete er an seinem ersten Startup, dem Verbraucherportal Amiro.de, das später mit Ciao.com fusionierte.