Kristin Moellering von Venture Daily:

„Elon Musk läuft mir ständig über den Weg“

28/11/2017
header image

„Wir kuratieren werktäglich News aus mehr als 100 Quellen und filtern alles heraus“

Kristin, was ist Venture Daily?

Kristin Moellering: Venture Daily ist ein Newsletter über das Startup-Ökosystem, Innovation und Digitalisierung. Wir kuratieren werktäglich News aus mehr als 100 Quellen und filtern alles heraus, was für Startup-Enthusiasten wichtig ist. Das ist in der Quantität und auch in der Güte der Recherche einzigartig.

Wie unterscheidet sich Venture Daily von anderen Newslettern zum Thema?

Kristin Moellering:In Deutschland gibt es einige Newsletter von den Startup-Medien. Die meisten von ihnen verweisen aber nur auf den eigenen Content. Venture Daily bietet eine umfassendere Perspektive: Wir verlinken den Content von allen relevanten nationalen und internationalen Quellen.

Das Team um Kristin Moellering wertet täglich Nachrichten aus mehr als 100 Quellen aus. Die besten landen mit Link zur Original-Quelle im Venture-Daily-Newsletter (Bild: Florian Stein)

Wie lange machst du das schon?

Kristin Moellering: Angefangen habe ich vor ziemlich genau einem Jahr. In einer dreimonatigen Anfangsphase haben wir Venture Daily im Verlag NKF Media konzipiert. Da haben wir viele Designs, die Quellen, das Recherchesystem und verschiedene Rubriken getestet und uns immer wieder Feedback geholt.

Du scannst also seit einem Jahr jeden Tag, was in der Startup-Szene los ist. Welche News bleiben dir in Erinnerung?

Kristin Moellering:Das sind gar nicht so sehr die Mega-Finanzierungssummen, eher die News, die sich wie Episoden einer Serie lesen. Wo man wirklich mitfiebert, wie das ausgeht. Soundcloud beispielsweise ist mir gut in Erinnerung geblieben. Mitte Juli kam die Meldung, dass knapp 200 Mitarbeiter entlassen werden müssen. Zwei Wochen später hieß es dann, dass die gesamte Finanzierung vermutlich nur noch bis zum vierten Quartal reicht. Und so ging es weiter, bis die rettende Meldung kam, dass der CEO ausgetauscht wird und die Temasek Holding und Raine Group investieren.

„Elon Musk läuft mir ständig über den Weg. Seine Projekte sind ebenso gigantisch wie wahnsinnig und gerade deshalb so spannend“

Welche Menschen und Firmen begegnen dir immer wieder?

Kristin Moellering: Elon Musk läuft mir ständig über den Weg. Was er macht, fasziniert mich genauso wie den Rest der Tech-Welt, weil seine Projekte ebenso gigantisch wie wahnsinnig sind und gerade deshalb so spannend. Spacex, Hyperloop, Neurolink, mit dem er das menschliche Gehirn mit einer künstlichen Intelligenz verbinden möchte – das ist wirklich beeindruckend, visionär und bleibt hängen. Aber auch von den großen VCs, vor allem von Softbank und Andreessen Horowitz, nehme ich viel wahr. Und natürlich ist auch Uber beinahe omnipräsent – sowohl mit negativen als auch positiven Meldungen: Man denke an den Sexismus-Skandal, an die fast filmreif inszenierte Suche für die Nachfolge von Ex-CEO Travis Kalanick oder an die gigantischen Finanzierungsrunden.

Aus welchen Branchen kommen besonders viele News?

Kristin Moellering:Das Thema Mobility ist aktuell ganz groß: autonomes Fahren, Sharing, E-Mobility. Das scheint auch mit den Diesel-Skandalen zusammenzuhängen. Vor Kurzem erst hat Lilium 90 Millionen Dollar für seine Passagier-Drohne bekommen, Daimler hat in Volocopter und in Clevershuttle investiert. Auch das Thema Kryptowährungen kommt häufig vor. Hier werden etablierte Strukturen in der Finanzwelt gehackt, das ist sehr spannend. Das Phänomen ist sehr jung und wahnsinnig disruptiv. Innerhalb von wenigen Jahren entwickelte sich beispielsweise der Bitcoin von einem Nischen-Phänomen zu einer ernsthaften Investitionsmöglichkeit. Da war und ist immer viel Dynamik. Alleine seitdem ich für die Redaktion von Venture Daily verantwortlich bin, konnten wir beobachten, wie der Bitcoin von 600 Euro auf fast 4.000 Euro gestiegen ist. Und wie er nach dem Handelsverbot in China abstürzte und sich gerade wieder stabilisiert. Das finde ich sehr spannend. Aber Mobility und Kryptowährung sind nur zwei von vielen Trends, die momentan diskursrelevant sind. Auch Fintech, Insurtech und Proptech tauchen immer wieder auf. Wir arbeiten gerade daran, diese Branchen mit spezialisierten Newslettern zu bedienen.

Neben Hypes und Innovationen bleibt im Venture-Daily-Newsletter auch Raum für Good Reads – lustigem und auffälligen News zu verschiedenen Themen (Bild: Florian Stein)

Du liest jeden Tag Meldungen von mehr als 100 Medien – welche sind die wichtigsten für dich?

Kristin Moellering:Techcrunch berichtet sicher am breitesten, hier finde ich News aus fast allen Branchen und Regionen, auch aus Indien, China oder Südamerika. International sind auch The Verge, Mashable, Engadget und Wired wichtig. Ich mag aber auch The Guardian und The Atlantic, weil man hier auch öfter eine kritische Sicht der Dinge zu lesen bekommt. Technologische und wirtschaftliche Entwicklungen werden meist tiefgehend und umfassender betrachtet, vor allem, was ihre soziokulturellen Folgen anbelangt.

Hast du das Gefühl, dass in Tech-Medien unkritisch gehypt wird?

Kristin Moellering:Oft, ja. Gerade bei News zu den großen Playern wie Facebook oder Apple. Was hier teilweise als Innovation dargestellt wird, ist eigentlich nichts Bahnbrechendes. Bei dem Release des iPhone X beispielsweise haben Medien fast ausschließlich über die technischen Neuheiten des neuen iPhones berichtet. Überall erschienen Artikel zum randlosen Display oder zur Gesichtserkennungs-Technologie, über die das iPhone X verfügt. Die eigentliche Innovation, eine LTE-basierte Apple Watch, die auch ohne iPhone auskommt, trat medial völlig in den Hintergrund. Dabei könnte sie das digitale Ökosystem und die Art und Weise, wie der Mensch mit Tech-Gadgets umgeht, völlig revolutionieren. Das Mini-Display der Apple Watch könnte zum Beispiel dazu führen, dass Menschen zukünftig mehr per Sprachsteuerung kommunizieren. Wir müssen damit kritisch umgehen.

„Wenn die Gründungsidee dann noch wirklich innovativ oder sozial relevant ist, bereitet mir das auch persönlich große Freude“

Es gibt in Venture Daily unter anderem die Kategorie Investments und Exits. Wann ist ein Investment relevant?

Kristin Moellering:In Deutschland liegt der magische Wert bei einer Million Euro. Das sind eher die Later-Stage-Investments. Wir berichten aber auch über Newcomer, die einen hohen sechsstelligen Betrag eingesammelt haben. Wenn die Gründungsidee dann noch wirklich innovativ oder sozial relevant ist, bereitet mir das auch persönlich große Freude.

Und international?

Kristin Moellering:Im internationalen Kontext gelten bei Finanzierungssummen etwas andere Maßstäbe, da geht es im Grunde genommen erst bei 50 Millionen Dollar los. Neben der Summe spielt auch der Investor eine Rolle. Wenn jemand wie Andreessen Horowitz investiert, ist das für ein Startup ein Ritterschlag. Das deutsche Pendant dazu wäre wahrscheinlich der operative VC Project A.

Gegen Ende des Newsletters gibt es immer die Good Reads. Wie wählst du die aus?

Kristin Moellering:Das ist eigentlich meine Lieblingskategorie. Die Good Reads sind etwas grotesk-bizarre Dinge, die keinen News-Charakter haben müssen, so etwas wie „Alibaba- CEO Jack Ma imitiert Michael Jackson“. Ich stolpere bei der Recherche ständig über solche auffälligen News mit Tendenz zur Satire. In den Good Reads gibt es dann auch die Interviews oder Features zu verschiedenen Themen. Hier kommen vor allem auch Dinge vor, die mir persönlich wichtig sind. „Diese zehn Gründerinnen sollten Sie kennen“ zum Beispiel.

Welche Artikel werden am meisten geklickt?

Kristin Moellering:Je verrückter, desto besser. Aber Elon Musk geht wirklich immer gut. Und die Mega-Investments.

Ihr startet immer mit einer Top-Story. Wie entscheidet ihr, welche News es nach oben schaffen?

Kristin Moellering:Da geht es um Relevanz. Meistens stehen große Namen oder große Zahlen oben – im Idealfall beides. Etwas Nischiges kommt da selten vor.

Das Gespräch führte Anna-Lena Kümpel.[td_block_text_with_title custom_title=”KRISTIN MOELLERING”]Kristin Moellering leitet seit November 2016 die Redaktion des Newsletters Venture Daily. Sie ist selbst Gründerin und hat gemeinsam mit ihrem Team gerade Dō gelauncht – eine App, mit der man gemeinsam exakt zeitsynchron Musik hören kann.