Fehlende Schnittstelle:

Element bringt Versicherungen und Insurtechs zusammen

06/08/2017
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Wolff, welche Schwierigkeiten gibt es bei der Digitalisierung der Versicherungsbranche?

Wolff Graulich: Das Verhältnis deutscher Kunden zu ihren Versicherungen ist nachhaltig gestört. Das liegt unter anderem an Fehlern in der Vergangenheit bei der Gestaltung und dem Vertrieb der Produkte. Insurtechs müssen den Kunden erst mal dazu erziehen, ihre Lösungen nachzufragen. Die meisten Menschen haben nämlich keine großen Erwartungen mehr an ihre Versicherung. Die Versicherer versuchen zwar, einen guten Kundenservice zu liefern, aber die Produkte sind nicht am Kunden entlang entwickelt. Prozesse und IT sind veraltet.

„Insurtechs finden kaum die richtige Steckdose, an die sie sich anschließen können“

Welche Herausforderungen ergeben sich für Startups?

Wolff Graulich: Die ersten Insurtechs haben sich zwischen Kunde und Versicherer gestellt, um das Handling von Versicherungen zu vereinfachen. Einige – wie Clark und Knip – haben sich dann eine Vermittlerlizenz besorgt und sich so mehr Freiheit für ihr Geschäftsmodell geschaffen. Gleichzeitig haben sie sich durch die Regulierung aber auch Komplexität ins Unternehmen geholt, die Startups eigentlich nicht wollen. Die Produktlieferanten blieben außerdem die alten Versicherer mit ihren umfangreichen und unflexiblen Produkten. Insurtechs finden kaum die richtige Steckdose, an die sie sich anschließen können.

Und diese Rolle will Element übernehmen?

Wolff Graulich: Ja, wir sind die Produktlieferanten und Kooperationspartner für Insurtechs. Wir suchen nicht nach eigenen Endkunden, sondern bedienen nur die Kunden unserer Partner.

Kooperiert ihr nur mit Insurtechs oder seid ihr auch offen für andere Partner?

Wolff Graulich: Wir werden auch mit Versicherern, Maklern und digitalen Händlern zusammenarbeiten.

„Versicherungen sind nicht an den Kunden und an die technischen Möglichkeiten angepasst“

Was könnt ihr Insurtechs im Vergleich zu etablierten Versicherungen bieten?

Wolff Graulich: Wir konzentrieren uns vor allem auf moderne und flexible Produkte. Bisher sind Versicherungen sehr konservativ gestaltet. Sie sind nicht an den Kunden und an die technischen Möglichkeiten angepasst. Viele Insurtechs haben Ideen für neue Produkte, finden aber keine Versicherung, mit der sie das umsetzen können.

Was ist das Problem mit dem Aufbau von Versicherungsprodukten?

Wolff Graulich: Nehmen wir zum Beispiel die Hausratversicherung. Sie basiert auf der Idee, dass alle Haushalte gleich sind – überspitzt gesagt: Teppich, Fahrrad, Plattenspieler, Röhrenfernseher. Um all diese Dinge zu versichern, gibt es einen sehr langen und komplizierten Vertrag. Ein Student möchte vielleicht nur sein Fahrrad und sein Notebook versichern. Kunden haben oft das Gefühl, für etwas zu bezahlen, das sie gar nicht brauchen. Wir machen solche Versicherungen modular und situativ möglich.

Wird so etwas überhaupt nachgefragt?

Wolff Graulich: Im Moment ist die Nachfrage noch sehr niedrig und viele Insurtechs kämpfen mit den Gewohnheiten und Erwartungen ihrer Kunden. Diese umfangreichen Produkte haben auch etwas Bequemes. Insurtechs müssen ihre Nutzer jetzt daran gewöhnen, dass die Kommunikation einfach und das Produkt flexibel ist. Das wird sicher noch ein paar Jahre dauern.

„Die ganze Branche ist in Bewegung“

Und bis es soweit ist?

Wolff Graulich: Die ganze Branche ist in Bewegung und jedes Startup, das jetzt antritt, hat seinen Anteil daran, dass Kunden sich umgewöhnen. Startups wie Clark machen das auch schon sehr gut. Sie richten sich vor allem an junge und digitalaffine Menschen. Auf dem Weg werden sicher auch einige Unternehmen auf der Strecke bleiben, das ist völlig normal. Diese Übung muss jetzt gemacht werden.

Du bist gar nicht der klassische Startup-CEO. Wie kommst du zu Element?

Wolff Graulich: Das stimmt. Ich komme aus dem klassischen Versicherungsgeschäft und durfte in der Vergangenheit das internationale Geschäft der Arag leiten. In dem Kontext habe ich auch zwei Startups hochgezogen. Es hat mir richtig Spaß gemacht, ein Produkt nah am Kunden zu bauen. Als Finleap auf mich zukam und gefragt hat, ob ich Element machen will, dachte ich: ‚Warum nicht?’

Was sind jetzt die ersten Schritte für Element?

Wolff Graulich: Wir werden erst mal eine breite Palette anbieten: Sach-, Haftpflicht-, Unfall-, Reise-, und Rechtsschutzversicherungen. Bei Kranken- oder Lebensversicherungen bräuchten wir eine andere Lizenz, daran arbeiten andere Startups. Ende November 2016 haben wir unseren Antrag für eine Sachversicherungslizenz bei der Bafin eingereicht und sind optimistisch, in diesem Jahr starten zu können.

Das ist sehr schnell.

Wolff Graulich: Ja, das stimmt. Aber wir haben mit der Signal Iduna schon einen ersten Kooperationspartner und freuen uns auf weitere. Dabei werden wir darauf achten, dass unsere ersten Partner sehr verschieden sind. Element muss beweisen, dass es in unterschiedlichen Bereichen handlungsfähig ist.

Vertriebswege von Versicherungen 2015: Anteile der Vertriebswege am Neugeschäft in Prozent (Bild: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft)

Wie schwer ist es, die Branche von euch zu überzeugen?

Wolff Graulich: Auf der Liste ernsthaft interessierter Partner stehen schon mehr Namen, als wir 2017 umsetzen können.

Wie wollt ihr Geld verdienen?

Wolff Graulich: Ganz klassisch über den versicherungstechnischen Ertrag. Es kommt Geld über die Beiträge rein, ein Teil davon geht als Provision an den Vertrieb – die Makler, Kooperationspartner und so weiter. Dann wird natürlich der größte Teil im Schadenfall an die Versicherten ausbezahlt. Übrig bleibt meistens eine Marge zwischen fünf und acht Prozent.

Könnt ihr euch vorstellen, eure IT als Whitelabel-Lösung an andere Versicherer zu verkaufen?

Wolff Graulich: Das ist nicht so einfach. Versicherungen sind anders reguliert als Banken und wir dürfen nicht einfach einen Teil auslagern. Der historische Grund dafür ist der, dass alle Ausgaben einer Versicherung von den Beiträgen der Kunden bezahlt werden müssen. Deshalb dürfen wir nicht einfach einen Teil abtrennen und ein separates Geschäftsmodell darauf aufbauen. Die Investition müsste ebenfalls von den Geldern der Versicherten bezahlt werden, der Ertrag kommt ihnen aber nicht zugute. Wir dürfen als Versicherung nichts anbieten, bei dem wir kein Versicherungsrisiko in unsere Bücher schreiben. Es gibt allerdings die Möglichkeit, die Software als eigene GmbH auszugründen, oder das Risiko zunächst für einen anderen Versicherer zu übernehmen. Beides können wir uns vorstellen. Aber zuerst soll Element als Ganzes funktionieren, bevor wir darüber sprechen, wieder einen Teil des Gebildes herauszuschneiden.

„Insurtechs denken Versicherungen vom Kunden her statt aus einer Tradition heraus“

Welchen Eindruck hast du von der Insurtech-Szene?

Wolff Graulich: Insurtechs denken Versicherungen vom Kunden her statt aus einer Tradition heraus. Das ist auf jeden Fall ein Wertbeitrag. Man sieht Trends wie digitale Versicherungsmakler, Item Insurance und digitale Versicherungen. Bei der Item Insurance und situativen Versicherungen muss sich noch zeigen, wie erfolgreich das ist. Da fehlt bisher noch die Nachfrage. Digitale Versicherungen und Traditionsunternehmen werden auch verschmelzen. Der Wandel in einer solchen Branche vollzieht sich nicht plötzlich und die Insurtechs werden die großen Versicherer nicht einfach verdrängen. Sie werden eher zusammenarbeiten.

Das Gespräch führte Anna-Lena Kümpel.

WOLFF GRAULICH

Bevor er zu Element kam, arbeitete Wolff Graulich unter anderem für die Arag und die Axa, immer mit Fokus auf Business Development. Für die Arag war er am Aufbau zweier Startups beteiligt und fand Spaß an dieser Art des Arbeitens. Bei Element kann er das jetzt fortsetzen.