Wie Motionwerk das Henne-Ei-Problem der Elektromobilität lösen will

15/09/2017
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Dietri

Dietrich, welche Vision verfolgt ihr mit Motionwerk?

Dietrich Sümmermann: Wir wollen ein offenes Mobilitäts-System möglich machen, in dem alle Module untereinander transaktionsfähig sind. Basierend auf der Blockchain-Technologie bauen wir eine dezentrale Infrastruktur, auf die jeder zugreifen kann und mit der Mobilitäts-Services leicht bezahlt werden können. Das Schlagwort heißt Seamless Mobility as a Service – Die Leute wollen einfach gut von A nach B kommen und wir helfen dabei. Unser erstes Produkt Share & Charge ist schon auf dem Markt und wir suchen bereits nach Partnern für weitere.

„WENN LADESÄULEN FÜR JEDEN ZUGÄNGLICH SIND, KÖNNEN WIR DEN FAHRERN DIE REICHWEITEN-ANGST NEHMEN“

Welches Problem löst ihr mit Share & Charge?

Dietrich Sümmermann: Mit Share & Charge gehen wir das Problem der Ladeinfrastruktur an. Es gibt in Deutschland etwa 3700 öffentliche und mehr als 60.000 private Ladestationen. Wir können diese privaten Stationen öffentlich zugänglich machen. Bisher konzentriert sich die Ladeinfrastruktur in Deutschland vor allem auf die Stadtzentren. Private Ladesäulen gibt es aber auch in der Peripherie, zum Beispiel bei Hotels, Restaurants oder auf den Parkplätzen von mittelständischen Unternehmen. Die Verkäufe der Hersteller zeigen, dass die Anzahl der Säulen im Moment stark zunimmt. Wenn diese Ladesäulen für jeden zugänglich sind, können wir den Fahrern die Reichweiten-Angst nehmen.

Wie funktioniert das?

Dietrich Sümmermann: Share & Charge stellt sicher, dass die getankte Menge an Strom auch abgerechnet werden kann. Dazu braucht es keinen Chip, sondern nur das Smartphone mit unserer App. Wir bauen ein Modul in die Ladesäule ein, mit dem die App kommunizieren kann, oder integrieren unsere Technologie in die IT-Infrastruktur von smarten Säulen.

Können die Ladesäulen-Besitzer damit auch Geld verdienen?

Dietrich Sümmermann: Im Moment ist das Motiv unserer Kunden vor allem, die Elektromobilität voranzutreiben. Aber es wird auch möglich sein, mit Share & Charge Geld zu verdienen.

In Zukunft können Kunden durch anbieten ihrer Ladesäule auch Geld verdienen. (Bild: Motionwerk)
In Zukunft können Kunden durch anbieten ihrer Ladesäule auch Geld verdienen. (Bild: Motionwerk)
Wie viele Ladesäulen habt ihr bisher angeschlossen?

Dietrich Sümmermann: In Deutschland sind es 1200. Im Herbst rollen wir unsere Technologie zusammen mit Partnern in mehreren europäischen Ländern aus. Wir beginnen mit Skandinavien, den Niederlanden, Frankreich und Österreich.

„DAS FUNKTIONIERT WIE EINE TANKKARTE – NUR EBEN FÜR ELEKTRO-AUTOS“

Wie finanziert ihr euch?

Dietrich Sümmermann: Wir nehmen eine Transaktionsgebühr. Aber wir planen auch unsere Infrastruktur mit einem SaaS-Modell anzubieten. Ladesäulen-Hersteller können unsere Technologie beispielsweise einbauen. Es soll auch ein E-Mobility-Wallet für Unternehmen geben. Das funktioniert wie eine Tankkarte – nur eben für Elektro-Autos.

Warum nutzt ihr die Blockchain?

Dietrich Sümmermann: Natürlich ließe sich der Share-&-Charge-Service auch anders umsetzen. Aber Motionwerk ist getrieben von der Idee eines offen Mobilitäts-Systems und wir wollen dafür eine offene Infrastruktur nutzen. Diese Infrastruktur ist skalierbar, sodass wir Services über das Charging hinaus entwickeln können.

Wie gut ist die Lade-Infrastruktur in Deutschland?

Dietrich Sümmermann: Bisher leider nicht ausreichend. Das ist natürlich ein Henne-Ei-Problem: Für wenige E-Auto-Fahrer lohnen sich die Ladesäulen nicht und wenn es zu wenig Ladesäulen gibt, lohnt sich der Kauf eines Elektroautos für viele nicht, weil sie ein Problem mit der Reichweite haben. Das ist auch eine politische Herausforderung. In Norwegen oder den Niederlanden ist die Förderung deutlich besser. In den Niederlanden dürfen Elektro-Taxis sich zum Beispiel immer vorne in die Schlange einreihen. Das schafft für die Taxi-Unternehmen einen echten finanziellen Anreiz, in Elektroautos zu investieren.

Technisch anspruchsvoll: Schon jetzt legt Motionwerk mit der Blockchain-Technik das Fudament für weitere Services. (Bild: Motionwerk)
Technisch anspruchsvoll: Schon jetzt legt Motionwerk mit der Blockchain-Technik das Fudament für weitere Services. (Bild: Motionwerk)

Ist die Infrastruktur wirklich der zentrale Punkt für den Erfolg von Elektroautos? Als die ersten Autos mit Verbrennungsmotor kamen, gab es ja auch noch keine Tankstellen.

Dietrich Sümmermann: Die Ladeinfrastruktur ist eine von mehreren Herausforderungen. Auch die Batterien müssen besser werden. Die meisten Menschen fahren eher kurze Strecken – aber das Auto soll auch ausreichen, wenn sie einmal im Jahr in Urlaub fahren wollen. Das wird sich lösen müssen.

Wie schätzt du die deutsche Startup-Szene im E-Mobility-Sektor ein?

Dietrich Sümmermann: Die Szene ist recht bunt und wächst. Aber der Markt wächst langsam, das ist für Startups immer schwierig. Es könnte sogar sein, dass wir mit Share & Charge zu früh dran sind. Es reicht aber nicht, nur nach Deutschland zu schauen. Der Markt und das Problem sind global. Mobilität ist ein sehr investmentschweres Geschäft, es braucht also auch finanzkräftige Investoren.

Das Gespräch führte Anna-Lena Kümpel.

Dietrich Sümmermann will die Mobilitäts-Welt mit der Blockchain verbinden. Er kommt ursprünglich aus der Elektro-Industrie. Bevor er 2017 Motionwerk gründete, war er Head of B2C-Enablement in der Smart and Connected Business Unit von Innogy. Er ist außerdem Mitgründer des Startups Dein Tagewerk. motionwerk.com

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