Im Interview

Stefan Franzke, Geschäftsführer von Berlin Partner

01/04/2015
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Stefan Franzke von Berlin Partner über Wirtschaftsförderung für Startups

Herr Franzke, Berlin Partner kümmert sich um Wirtschafts- und Technologieförderung in der Stadt. Wie gehen Sie das genau an?

STEFAN FRANZKE: Wichtig ist zunächst ein Wegweiser. Wir unterhalten uns erst einmal mit der Zielgruppe darüber, was sie braucht. Die Bedürfnisse sind sehr unterschiedlich. Wir wollen bei Berlin Partner genau verstehen, wo die Herausforderungen und Probleme bei den Unternehmen liegen. Das ist natürlich immer dann besonders schwierig, wenn neue Themen aufkommen. Die Gründerwelle hat Berlin beispielsweise vor ganz neue Herausforderungen gestellt: Startups brauchen deshalb Berater sowohl aus der Wirtschaftsförderung als auch aus der Gründerszene selbst. Deshalb hat Berlin Partner letztes Jahr die Berlin Startup Unit ins Leben gerufen, die das Know-how von etablierten Institutionen und Gründern vereint.

Vor welchen Problemen stehen die Unternehmen?

STEFAN FRANZKE: Ein Thema, das wir bei Berlin Partner massiv angehen müssen, ist die Frage, wie wir Talente in Arbeit bekommen, die aus Nicht-EU-Ländern stammen oder aus nicht assoziierten Ländern. Vor allem junge und kleine Unternehmen sind davon verstärkt betroffen. Große Unternehmen wie Bayer oder Cisco haben zwar dieselben Probleme, aber auch eine Personalabteilung, die sich mit dem Thema auskennt. Ich war vor kurzem bei ResearchGate. Als Ijad Madisch 2008 sein Unternehmen gründete, hatte er anderes im Kopf, als sich um das Thema Arbeitserlaubnis zu kümmern. Jetzt steht er vor einer Herausforderung, weil er viele Mitarbeiter beschäftigt, die aus Nicht-EU-Ländern kommen. Auf diese neuen Herausforderungen muss sich ein wirtschaftliches Ökosystem erst einstellen. Das braucht Zeit.

Aber müsste das nicht schneller gehen?

STEFAN FRANZKE: Die Herausforderung ist ja, dass weder die Gründer noch wir als Wirtschaftsförderer erprobte Prozesse nutzen können. Vor einigen Wochen habe ich mich in Amsterdam mit Kollegen aus Stockholm, Paris, Manchester, Wien und Rotterdam zum Thema Gründerszenen ausgetauscht. Das ist für alle neu. Blaupausen gibt es nicht. Deshalb ist es wichtig, Erfahrungen zu teilen – aber nicht zu kopieren. Denn jede Stadt hat eine eigene DNA. In Berlin ist das klar zu sehen. Ist man sich der Beweggründe bewusst, weswegen junge Unternehmer hierher kommen, lassen sich weitere Unternehmen für Berlin begeistern. In Berlin sehe ich großes Potenzial darin, die Gründer mit etablierten Unternehmen zusammenzubringen. Ende Februar haben wir beispielsweise im Rahmen des B!Gründet Demo Day das erste Mal mit dem Hochschulnetzwerk Gründungen aus den Hochschulen vor großen Unternehmen pitchen lassen. Dabei geht es nicht darum, Kapital zu bekommen, sondern um die Zusammenarbeit.

Zeigt daran auch die Industrie Interesse?

STEFAN FRANZKE: Sehr starkes! Und nicht nur Unternehmen, die schon hier sind. Wir sind auch mit Unternehmen im Gespräch, die wir gern in Berlin ansiedeln möchten. Zum Beispiel Automationshersteller, die alte Robotersysteme kennen und gut in speicherprogrammierbaren Steuerungen sind. Solche Unternehmen laden wir ein, sich bei uns mit den Jungen und Kreativen über Industrie 4.0 zu unterhalten. Wir motivieren sie, sich inspirieren zu lassen und zeigen ihnen Gründe auf, sich in Berlin anzusiedeln.

Welche Unterstützung erhalten Gründer bei der Startup Unit?

STEFAN FRANZKE: Viele Themen, die für Startups wichtig sind, liegen schon bei uns als Wirtschaftsförderung. Diese haben wir in der Startup Unit nochmal stärker gebündelt. Dazu gehören unter anderem Angebote für die Location- und Talentsuche wie ein Business Immigration Service. Und für jede der insgesamt sieben Themensäulen haben wir Partner, mit denen wir das gemeinsam machen, darunter die Senatsverwaltung, die Industrie- und Handelskammer (IHK) und die Investitionsbank Berlin (IBB). Wir bündeln bei uns Informationen, die wir als Service an Startups weitergeben und vermitteln zu den passenden Kontakten bei unseren Partnern.

Das Zusammenspiel zwischen allen Akteuren muss koordiniert werden. Fehlt da nicht die harte Hand von oben?

STEFAN FRANZKE: Berlin ist sehr heterogen. Es gibt bereits viele Angebote und Anlaufstellen für Startups. Das vorhandene Wissen für die Startups zu bündeln und gemeinsam zu agieren statt in Konkurrenz zu treten ist der richtige Weg – auch wenn er Koordinierung bedarf.

In meinen Augen ist das in Berlin ein Zeitfenster. Wenn nicht geliefert wird, dann wandern die Investoren ab.

STEFAN FRANZKE: Berlin wird weltweit stark für seine Startup-Szene wahrgenommen. Aber darauf sollten wir uns nicht ausruhen. Da möchte ich mal einen Vergleich ziehen: Ich bin Maschinenbauingenieur und habe die Debatte und den Prozess zur deutschen Industriefertigung in Asien und Osteuropa begleitet. Es ging um die Fragestellung: ‚Make or buy?’ Da zeigte sich, was die wirklichen Stärken sind. Eine Massenproduktion in Deutschland ist zu teuer. Stattdessen liefert man die Anlagen. Man steigt in dieses B2B-Geschäft ein, gestaltet Fabriken weltweit und verdient damit Geld. Weil man einer der ersten war, der diesen Kostendruck hatte, war man auch der erste, der an der Effizienz seiner Prozesse gearbeitet hat, was wiederum von Vorteil war. Wir haben in der ganzen Finanz- und Wirtschaftskrise erlebt, dass Deutschland vorher schon seine Hausaufgaben gemacht hatte. Ich finde, da müssten wir mit den Startups hinkommen.

Thema Investment: Wieso werben Sie so viel im Ausland für Kapital und weniger in Deutschland?

STEFAN FRANZKE: Wir werben auch in Deutschland. Da ist aber die Struktur ein bisschen anders. Aufgrund der europäischen und deutschen Gesetzgebung darüber, mit welchem Risikokapital etwa Versicherer anlegen müssen, gibt es eigentlich keine Möglichkeiten für Investitionen in Startups. Das muss man einfach so nüchtern betrachten. Aber die ganzen Family Offices, das sind schon Leute, die Berlin Partner adressiert.

Wie sind die Reaktionen?

STEFAN FRANZKE: Es gibt viele Leute, die noch nicht verstehen, welche Dynamik Startups haben. Sie verstehen nicht, wie ein Unternehmen innerhalb eines Jahres von der Idee auf hundert Mitarbeiter wachsen kann, dann wieder auf 50 Mitarbeiter schrumpft und wieder wächst auf 250. Auch bei den traditionellen Gewerben, wie Banken, hatten wir Schlüsselerlebnisse. Am Anfang heißt es seitens der Banken: ‚Wir sehen keine Bedrohung.’ Sagt man dann aber, ‚wenn ich im Taxi mit PayPal bezahlen kann, benötige ich Ihre Kreditkarte nicht mehr’, wird die radikale Veränderung im Business registriert. In den Gesprächen erleben wir dann einen Aha-Effekt. Das zeigt wiederum, wie wichtig es ist, als Wirtschaftsförderung Gründer und Etablierte zusammen zubringen.

Riesige Chance statt riesiger Bedrohung?

STEFAN FRANZKE: Absolut! Die etablierten Unternehmen haben ja vieles richtig gemacht, sonst wären sie nicht am Markt. Deshalb versuchen sie vieles zu erhalten, weil die Kultur von früher zum Erfolg beigetragen hat. Aber das ist gleichzeitig ein Hemmnis, sich mit Neuem auseinanderzusetzen.

Vor dem Auto gab es in Deutschland Kutschenmonopole. Von denen hat genau eins überlebt. Übersieht die Industrie manchmal, wie anfällig sie ist?

STEFAN FRANZKE: Die rasante Entwicklung ist für die Industrie und große Unternehmen sehr schwer, das muss man auch sehen. Denken wir an Technologieunternehmen wie Nokia oder BlackBerry. Die Geschwindigkeit, mit der sich Dinge verändern, ist eine massive Herausforderung. Da kann sich ein Unternehmen, das zwischen zwei und 200 Mitarbeitern beschäftigt, viel schneller aufstellen als eines mit 5.000 Mitarbeitern. Aber auch Startups, die vier bis fünf Jahre erfolgreich sind, stoßen auf Herausforderungen und kämpfen mit der Wachstumsproblematik. Auch hier kann Berlin Partner als Wirtschaftsförderung unterstützen und bereits vorher zu Themen wie Locationsuche oder Personal beraten. Manche Erfahrung muss man auch selbst machen – so hart das auch ist.

Aber insgesamt ist das für Berlin und Unternehmen, die herkommen wollen, eine riesige Chance, oder?

STEFAN FRANZKE: Wir als Wirtschaftsförderung sind den Samwer-Brüdern unheimlich dankbar. Sie haben es geschafft, dass in Berlin groß investiert wird. Zwar wird das von manchen kritisch gesehen oder belächelt, das sind in meinen Augen aber Neiddiskussionen. Ich finde das super. Sie üben eine hohe Attraktivität auf Talente aus, die wiederum zum Teil selbst gründen. Ich glaube, es hatte seinen Grund, dass sich diese Entwicklung hier in Berlin und nicht in München vollzieht. Die Freiräume, die hier nach dem Fall der Mauer entstanden sind, der Mangel an Verwaltung – das hat die kreative Szene befruchtet, die wiederum Berlin für junge Talente attraktiv macht. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, trotz Wachstum auch weiterhin Freiräume in Berlin zu erhalten.

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