Startup-Schule im Silicon Valley:

„Die haben sogar Kölsch in San Francisco“

14/10/2017
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Die Non-Profit-Organisation Blackbox, zu der neben 56 anderen Partnern vor allem „Google for Entrepreneurs“ zählt, legt unterschiedliche Programme für außerhalb der USA aktive Gründer auf, um deren Chancen auf dem globalen Markt zu stärken. So treffen die streng ausgewählten Teilnehmer des Blackbox-Connect-Programms mit erfahrenen Unternehmern aus dem Silicon Valley zusammen, aber auch mit Venture-Capital-Investoren und professionellen Mentoren. Die Workshops zielen auf die Entwicklung der Gründerpersönlichkeit ab, um sie optimal auf die Führungsaufgaben in global agierenden Unternehmen vorzubereiten.

Der Zugang ist allerdings beschränkt: Grundsätzlich können sich nur Gründer für eines der Programme bewerben, die fließend englisch sprechen und mit ihrem Unternehmen bereits ein Produkt auf dem Markt lanciert haben. Nach der Selektion der schriftlichen Bewerbungen verschaffen sich die Initiatoren von Blackbox ein erstes Bild von jedem der in die engere Auswahl gekommenen Unternehmer und dessen Startup. Verspricht dieses mehr, interviewt Blackbox-Gründer Fadi Bishara den Bewerber persönlich via Skype. Hier werden nicht nur vertiefende Fragen zur Gründungsidee und zum Unternehmen gestellt, sondern auch jene zum Blackbox-Programm beantwortet. Die anschließende interne Diskussion bei Blackbox führt schließlich zur Teilnehmerliste.

Aus Deutschland haben bisher erst acht Unternehmer den Schritt in das Programm geschafft. Zuletzt Bernd Korz, CEO von Alugha. Das Mannheimer Unternehmen entwickelt und betreibt eine Plattform, auf der sich Videos in unterschiedlichen Sprachen veröffentlichen lassen. Für Berlin Valley hat Bernd seine Erfahrungen aus dem 19. Programm protokolliert.

Hello, San Francisco!

Am 13. August ging’s los: Von Worms nach Frankfurt am Main und von da mit dem Flieger nach San Francisco. Flugzeit: elf Stunden. Dank ESTA-Visum und wiederholter Einreise ging es dann schneller und ich war knapp eine Stunde nach der Landung aus dem Flughafen raus. Trotz Nebel, leichtem Regen und stürmischen Wind: San Francisco behält auch bei diesem Wetter seinen tollen Charme. Nächstes Ziel: die Factory.

(Bild: Bern Korz)
(Bild: Bernd Korz)

Die Factory ist ein altes Gebäude mit einer inspirierenden Ausstrahlung – genau ausgelegt auf diese Art von Veranstaltungen, die die Teilnehmer in den kommenden Tagen erwartet. Große Räume mit vielen Ecken zum Sitzen und Besprechen, hohe Decken, überall Sichtsteinmauerwerk und großartige Lichtelement. Die Lage ist ein Traum, direkt an einem wunderschönen Park mit unfassbar tollen Bäumen und jeden Spaziergang wert.

Nach der Ankunft: erstmal einige Fotos gemacht, die ersten Mitstreiter getroffen und dann los, um was zu essen. Vegetarisch ist in den USA so eine Sache, aber mittlerweile hat sich viel getan. Meine Empfehlung: das Horsefeather. Die haben sogar Kölsch und Radler. Für mich gab’s aber Ginger Beer und Pasta – einfach großartig, auch wenn der Preis für die Größe der Portionen etwas hoch war.

Zurück in der Factory waren mittlerweile auch weitere Teilnehmer angereist und so kam es hier und da noch zu – teilweise sehr spannendem – Smalltalk. Mein Eindruck: eine sehr diversifizierte Truppe, die viel Spannung für die kommenden 14 Tage verspricht. Um 23 Uhr San-Francisco-Zeit konnte ich dann endlich ins Bett und einige Stunden schlafen.

(Bild: Bernd Korz)
(Bild: Bernd Korz)

Ankommen, verstehen, dazugehören

Noch leicht im Jetlag bekamen wir nach dem Frühstück eine Stunde Zeit, um unseren Kram zu erledigen, kurz: E-Mails checken. Schließlich ist Deutschland uns schon neun Stunden voraus und da kann so einiges aufgelaufen sein. Um zehn Uhr geht’s dann endlich los.

Der Raum ist cool: Sitze, Sessel, Kissen, Hochstühle – jeder wie er mag, Hauptsache bequem. Ankommen, den Ablauf verstehen und seine Mitstreiter kennenlernen – das steht heute im Mittelpunkt. Die nächsten Tage sollen so effizient und reibungslos wie möglich ablaufen.

(Bild: Bernd Korz)
(Bild: Bernd Korz)

Wir erfahren Wissenswertes über die Factory: Auf einem Felsen 1906 erbaut, hat es die großen Erdbeben als eines der wenigen Gebäude nahezu schadlos überstanden. Anfangs wohnten hier vor allem Geflüchtete und Migranten, bevor das Gebäude dann zu einem Bed-and-Breakfast-Hotel umfunktioniert wurde, um letzten Endes zum perfekten Hub für Startups seine dritte Jugend zu feiern.

„DIE ENTSCHEIDUNG HIERHER ZU KOMMEN, WAR DEFINITIV DIE RICHTIGE“

Nach der Mittagspause wurde uns noch einmal genau erklärt, was wir von Blackbox erwarten dürfen. Klarer Fall: Die Entscheidung hierher zu kommen, war definitiv die Richtige. Und ich sollte es nicht bereuen.

Anschließend hat jeder sein Unternehmen vorgestellt. Während der Pitches wurde schnell klar, nach welchen Kriterien Blackbox die Teilnehmer ausgewählt hatte. Es geht um Skalierbarkeit, darum, dass die jeweilige Idee übers Internet groß gemacht werden kann. Und um Menschen beziehungsweise Gründer, die den Mut haben den nächsten Schritt zu gehen.

Später folgte noch eine Frage-Antwort-Runde mit zwei Startups, die das Programm bereits durchlaufen und anschließend in den USA Investoren gefunden hatten.  So gab es noch einmal zum Ende des Tages einige Denkanregungen, sei es zu VCs, strategischen Partnern, Kosten oder Entwicklern.

Obwohl ich um kurz nach neun bereits hundemüde war, versuchte mich noch eine Stunde wach zu halten, um dem Jetlag langsam zu entkommen. Der nächste Tag sollte es in sich haben.

(Bild: Bernd Korz)
(Bild: Bernd Korz)

Die Workshops

Gené Tears ließ in ihrem Workshop keinen Zweifel aufkommen: Das Silicon Valley ist immer noch der Dreh- und Angelpunkt der internationalen Tech- und Investorenszene. Und Crunchbase ist das Top-Tool für die Suche nach Investoren und Trends. Tears ist Head of Content bei Crunchbase und erklärte, wie die Plattform funktioniert und wie man auch außerhalb der Staaten interessante Projekte findet.

Ein paar interessante Fakten:

  • Gründer führen rund 100 Gespräche mit Investoren
  • Sie erhalten im Schnitt 1,3 Millionen Dollar für ein Seed Invest
  • Series-A-Investitionen liegen zwischen 6 und 11 Millionen Dollar
  • Later Stage: durchschnittlich 20 bis 30 Millionen Dollar
  • „ES IST MACHBAR, EIN PROJEKT AUF BEEINDRUCKENDE WEISE IN SIEBEN WORTEN ZU BESCHREIBEN“

Ebenso haben wir über Gender-Issues gesprochen, die die Tech-Branche leider noch immer hat. So sind nur 16 Prozent aller Gründer beziehungsweise Co-Founder weiblich – und der Trend stagniert. Besonders im Valley zeigt sich dieses Bild sehr stark, während in den arabischen Staaten mehr Frauen als Entwickler tätig sind.

(Bild: Bern Korz)
(Bild: Bernd Korz)

Nach dem abschließenden Q&A mit Gené ging’s ans Eingemachte. Unser Drill-Instructor über die nächsten fünf Stunden war Bill Joos von Goto Market Consulting. Bill war bei Apple und IBM als Vice President und hat über viele Jahre mit Guy Kawasaki zusammengearbeitet. Was immer ich die letzten beiden Jahre übers Pitchen gelernt habe: Wenn du es richtig machen willst, lerne von den Besten – und im Valley ist das auch so. Wir sind die Probleme durchgegangen, die fast alle Startups beim Pitchen haben. Und haben dabei gelernt, dass es machbar ist, ein Projekt auf beeindruckende Weise in sieben Worten zu beschreiben.

„BEIM TISCHGESPRÄCH MIT EINEM INVESTOR SOLLTE MAN AUF EINER SERVIETTE AUFZEICHNEN KÖNNEN, WORUM ES GEHT“

Neben einem weniger als eine Minute dauernden Elevator Pitch haben wir auch einen fiktionalen, so genannten Napkin Pitch trainiert. Napkin ist das englische Wort für „Serviette“. Und beim Tischgespräch mit einem Investor sollte man eben auf der aufzeichnen können, worum es in dem Projekt geht und welche Probleme und Gewinnmöglichkeiten realistisch sind.

Dots aufbauen, Interesse wecken, Folgegespräche anbieten: Mir wurde in wenigen Tagen bewusst, was ich seit Jahren beim Pitchen falsch gemacht habe. Ich habe zu weit und teilweise zu wenig relevant ausgeholt, Ich habe zu wenig Pausen gemacht, um das Gesagte sacken zu lassen. Ich habe nicht gefragt, ob ich weitere Informationen senden darf. Da wird einem schnell klar, warum nicht in Berlin sondern im Valley die großen Investments gemacht werden. 

(Bild: Bernd Korz)
(Bild: Bernd Korz)

Mein Elevator Pitch

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Die Probe aufs Exempel

Am Mittwoch folgte die Probe aufs Exempel: Vor den anderen Teilnehmern mussten wir das, was wir über das Pitchen gelernt hatten direkt umsetzen und zwar in einem Probe-Pitch mit unserer „Rampensau“ Bill. Ich hatte auf den Elevator-Pitch gehofft – und musste natürlich im Napkin Pitch ran. Ich stand am Flipchart, Bill neben mir und ich musste ihm die Idee hinter Alugha verkaufen. 150 Sekunden mit vielen Worten, Gesten, Emotionen. Während des Vortrags bin ich total aufgeregt und denke mir, dass das, was ich veranstalte, eine einzige Katastrophe ist.

(Bild: Bernd Korz)
(Bild: Bernd Korz)

Aber zu meiner Verwunderung gibt es danach Applaus und viel Lob. Bill sagt: „Du weißt wovon du redest, hast sehr viel Hintergrundwissen und hast alles nahezu perfekt auf den Punkt gebracht.“ Ich frage mich nur, ob wir von einem anderen Pitch reden – und beantworte glücklich die Fragen der anderen Teilnehmer. Der Pitch, mein ewiges Trauma: Ich glaube, ich habe es überwunden. Zwei Jahre habe ich nach dem perfekten Pitch gesucht. Hier in San Francisco bin ich fündig geworden.

Eingebettet wurde der Tag in einen Vortrag von Star-Blogger Robert Scoble, der uns unter dem Titel „Building Blocks Of Innovation Ecosystem“ einen beeindruckenden Ausblick in die Welt von Morgen gab. Wir mussten einen kleinen Vortrag über unsere jeweiligen Startups halten. Es war beeindruckend, wie sich Roberts Auffassungsgabe und Verständnis für die Technik in seinen Rückfragen widerspiegelte: Er hat direkt verstanden, worum es geht und wo die Möglichkeiten und auch Gefahren für unser junges Unternehmen liegen. Nicht weniger spannend war der Besuch von Allen Taylor von Endeavor. Der VC-Mitarbeiter hat uns am Abend atemberaubende Insights über Investments, Sponsoring und viele Zusammenhänge der Branche gegeben. Nach der Runde ließen wir den Tag bei einem gemeinsamen Abendessen ausklingen.