Gamecity Hamburg:

„Es wird immer marketingintensiver, ein Spiel herauszubringen“

14/07/2017
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Hamburg hat eine lebendige und international geprägte Games-Szene. Die Hansestadt hat die Industrie über lange Jahre intensiv gefördert. Heute arbeiten entlang der gesamten Wertschöpfungskette rund 4700 Menschen in der Games-Industrie der Stadt.

Oliver, was ist die Aufgabe der Gamecity Hamburg?

Oliver Redelfs: Wir sind Bestandteil der Standortinitiative Next Media Hamburg, die bei der Hamburger Wirtschaftsförderung beheimatet ist. Wir unterstützen die lokalen Unternehmen zum Beispiel bei der Vernetzung, bei der Suche nach Immobilien sowie Kooperationspartnern und Kontakten in der Politik. Außerdem organisieren wir für die lokalen Unternehmen jedes Jahr einen Gemeinschaftsstand auf der weltgrößten Spielemesse Gamescom und sind die erste Anlaufstelle für Journalisten oder Firmen, die Kontakte in die Spielebranche benötigen.

„Wir sind die erste Anlaufstelle für Journalisten oder Firmen, die Kontakte in die Spielebranche benötigen“

Wie groß ist die Games-Szene?

Oliver Redelfs: Es kommt darauf an, wie man diese Szene definiert. Wir wissen, dass an der gesamten Wertschöpfungskette insgesamt rund 4700 Mitarbeiter beteiligt sind. Das sind nicht nur Entwickler und Publisher, sondern zum Beispiel auch Kommunikationsprofis und Anwälte, die sich auf den Bereich spezialisiert haben. Die gesamte Gamesbranche steht weltweit aber seit einigen Jahren wirtschaftlich stark unter Druck, weswegen die Zahl der Mitarbeiter gerade im vergangenen Jahr leicht gesunken ist.

Wo kommt dieser Druck her?

Oliver Redelfs: Es gibt ein Überangebot von Spielen und es wird immer marketingintensiver, ein Spiel herauszubringen, um in den digitalen Stores sichtbar zu sein. Gleichzeitig verändern die Spieler ihr Nutzungsverhalten. Sie spielen weniger Spiele, diese dafür aber länger und intensiver. Dazu kommt, dass sich das Geschäftsmodell Free-to-Play (F2P) immer stärker durchsetzt. Die Nutzer erhalten das Spiel kostenlos und der Publisher verdient anschließend an In-Game-Käufen. Auch alle großen E-Sport-Titel finanzieren sich über dieses Modell. Wer sich auf das klassische einmalige Verkaufsgeschäft fokussiert, hat es im Moment recht schwer. Das ist aber kein deutsches Phänomen, sondern betrifft die ganze Branche.

Welche Bereiche sind in Hamburg besonders stark?

Oliver Redelfs: Free-to-Play für Browser- und Mobile Games ist bei uns ein riesiges Thema. Der Erfolg der Hamburger Games-Firmen Bigpoint, Innogames und Goodgame Studios, die gleichzeitig die größten Entwickler in Deutschland sind, basiert auf dem F2P-Geschäftsmodell. Das ist allein von den Umsatz- und Mitarbeiterzahlen eine Macht. Ich kenne keine andere Stadt in Europa, in der so viele große und erfolgreiche Unternehmen im Free-to-Play-Markt gegründet wurden.

Ist Hamburg in diesem Markt international konkurrenzfähig?

Oliver Redelfs: Der schwedische Medienkonzern und Großinvestor Modern Times Group hat vor kurzem den Hamburger Spielehersteller Innogames mit eine Bewertung von 230 Millionen Euro übernommen. Dies ist ein deutliches Zeichen, dass sie sowohl an den Unternehmenserfolg als auch an den Hamburger Standort glauben.

„Ich kenne keine andere Stadt in Europa, in der so viele große und erfolgreiche Unternehmen im Free-to-Play-Markt gegründet wurden“

Welche Förderung gibt es in Hamburg für Spieleentwickler?

Oliver Redelfs: Hamburg war Vorreiter und das erste Bundesland, das den Entwicklern eine dezidierte Prototypenförderung angeboten hat. Daraus sind erfolgreiche Unternehmen wie Daedalic Entertainment oder der F2P-Mobile Spezialist Xyrality entstanden. Die Förderung wurde jedoch geplant nach drei Jahren eingestellt und zurzeit gibt es keine klassische Produktionsförderung.

Warum gibt es in Hamburg keine Förderung mehr?

Oliver Redelfs: Ich kann nicht für die Politik sprechen und kenne die genauen Beweggründe nicht.

Wie sieht es mit Risikokapital aus?

Oliver Redelfs: Venture Capitalists sind eher risikoscheu, was Investitionen in Spieleproduktionen angeht. Games lassen sich nicht mit Excel-Tabellen bewerten und nicht wie bei einem E-Commerce-Shop mit ein paar Stellschrauben skalieren. Bei jeder Spieleentwicklung betritt man Neuland und der Markt ist oft unberechenbar. Dafür kann man im Erfolgsfall aber auch mit relativ geringem Einsatz unglaubliche Gewinne erzielen.

„Bei jeder Spieleentwicklung betritt man Neuland und der Markt ist oft unberechenbar“

Warum ist Hamburg im Games-Sektor trotzdem so groß?

Oliver Redelfs: Als größte deutsche Hafenstadt hat Hamburg historisch betrachtet immer schon mit der ganzen Welt gehandelt. Diese internationale Mentalität ist für die weltweit vernetzte Games-Branche sehr förderlich, denn man muss heute stets die gesamte Welt als Absatzmarkt betrachten. Hamburg ist außerdem einer der wichtigsten deutschen Medienstandorte. Vor Ort sitzen viele große Verlage, und zwei Drittel der besten Werbeagenturen sind hier zu Hause. Dazu gesellen sich alle Dienstleister: vom Vermarkter bis hin zu Film- und Audioproduktionen, die für eine moderne Multimediaproduktion nötig sind. Dies ist sehr hilfreich, denn Spiele sind zwar eine innovative High-Tech-Software, zugleich aber auch ein kreatives Medienprodukt. Die Hochschule für angewandte Wissenschaften hat bereits zahlreiche Firmengründer und Gewinner von Entwicklerpreisen hervorgebracht. Das Umfeld für Spielefirmen ist also optimal.

Ist die Szene vernetzt?

Oliver Redelfs: Mit dem Gamecity Treff gibt es den ältesten regelmäßigen stattfindenden Netzwerkevent für die Gamesbranche in Deutschland. Die „jungen Wilden“ haben als Ergänzung für die Newcomer mit dem Hamburger Indietreff in Eigenregie ein neues Veranstaltungsformat aufgebaut, bei dem sich jedes Mal rund 120 Nachwuchsentwickler austauschen. Im Juni findet das neue Messeformat Magnology – eine Mischung aus Manga- und Games-Messe – statt. Diese bereits etablierte Veranstaltung vergrößert sich gerade enorm, legt einen noch stärkeren Fokus auf Spiele und orientiert sich an einem in den USA äußerst erfolgreichen Messekonzept, das bislang in Europa so noch nicht existiert.

[td_block_text_with_title custom_title=”OLIVER REDELFS”]Oliver Redelfs ist Sprecher der Gamecity Hamburg. Die Standortinitiative unterstützt die lokale Gamesbranche seit 2003 bei der Organisation optimaler Standortbedingungen. Die Gamecity Hamburg hilft den Firmen bei Kooperationen und Kontakten, bei der Geschäftsentwicklung sowie bei der Erweiterung auf neue Geschäftsfelder. nextmedia-hamburg.de