Florian Heinemann und Uwe Horstmann von Project A Ventures:

„Geld ist nichts Besonderes“

21/10/2016
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Ihr nennt Euch bei Project A Operational VC. Wie positioniert Ihr Euch in der Investorenlandschaft?

Uwe Horstmann: Wir sehen uns grundsätzlich als Venture Capitalist und nehmen ganz klar am Kampf um die besten Unternehmer teil. Geld ist heutzutage nichts Besonderes. Investoren brauchen ein Alleinstellungsmerkmal. Für uns ist es wichtig, die Unternehmen wirklich operativ unterstützen zu können. Um das zu kommunizieren, haben wir den Begriff Operational VC erfunden.

Florian Heinemann: Wir glauben, dass die Start-Konfiguration einer Firma die spätere Entwicklung wesentlich beeinflusst. Daher ist der Grenznutzen von operativer Unterstützung in der frühen Phase deutlich höher. Wir alle glauben sehr stark an die Konfigurationstheorie, der zufolge die Anfangskonfiguration einer Firma den min/max Entwicklungspfad determiniert. Unser Ziel ist daher, das Grund-Setup einer Firma nachhaltig zu verbessern, weswegen wir uns in einem frühen Stadium involvieren, also Series A und davor. Allerdings lassen sich Startups schwer am Reißbrett konstruieren, und VC ist letztendlich ein von Wahrscheinlichkeiten geprägtes Spiel. Deswegen setzen wir auf Unternehmen, bei denen das Gründerteam eine emotionale Bindung zur Firma hat und entsprechend incentiviert ist. Den perfekten Unternehmer gibt es nicht, und Gründer bauen ihre Organisation optimalerweise so um sich herum auf, dass sie ihren Stärken und Schwächen entsprechen. Genau hier wollen wir in einer frühen Phase des Unternehmens ansetzen und operativ unterstützen, das Startup möglichst passend aufzustellen. Das unterscheidet uns von den meisten Company Buildern, die eine Firma einfach hochziehen und dann ein Führungsteam rekrutieren, das eben nicht lang genug durchhält. Große Firmen brauchen im Schnitt acht bis zwölf Jahre, bis sie wirklich eine Relevanz erreichen. Selbst Zalando, wo alles extrem schnell ging, hat ja sechs, sieben Jahre gebraucht, bis es wirklich eine relevante Firma war.

Euer Vorbild ist wahrscheinlich Andreesen Horowitz. Wie seht Ihr Euch im Vergleich?

Florian Heinemann: Der wesentliche Unterschied sind die Assets under Management. Außerdem muss man verstehen, dass unser Business ein Outlier-Business ist. Das heißt, du musst schauen, dass du bei den international erfolgreichsten Firmen mit dabei bist. Die international erfolgreichsten Startups gehen eher zu den Leuten, die eine sehr starke Reputation haben, und das sind eben primär amerikanische VCs und dann vielleicht noch angloamerikanische. Diese Reputation fehlt uns, und man kann sie sich nur über die Zeit aufbauen. Ein Marc Andreessen hat sie verdienterweise qua Persona. Oder auch Ben Horowitz. Wir müssen sie uns eben verdienen, aber das ist ja auch nicht schlimm. Außerdem arbeitet Andreessen Horowitz hauptsächlich mit seniorigen Leuten. Wir auch, aber wir haben auch viele Juniors dabei. Ich persönlich finde eine juniorigere Personalstruktur nicht so schlecht, weil wir damit stärker am Puls der Zeit sind. Ob ein senioriger Experte, der nur noch sehr high level berät, in der frühen Phase das richtige Setting ist, weiß ich nicht.

Jochen Krisch von Exciting Commerce hat die These aufgestellt, dass Project A zwar noch in der Findungsphase ist, zeitgleich aber kurz vorm Durchbruch steht?

Uwe Horstmann:Wir haben 2012 angefangen und hatten vor anderthalb Jahren den ersten großen Aufschlag. Seitdem haben wir uns gefunden und einen Masterplan definiert, den wir sehr schnell exekutieren. Es kommt zwar immer wieder die Frage, ‚Wo ist Euer Zalando?‘, aber inzwischen haben die meisten verstanden, dass wir viele B2B-Firmen im Portfolio haben, die nach außen wenig präsent sind. Ich vermute, dass der Durchbruch kommt, sobald unsere Ventures in der Außendarstellung sehr stark werden.

Ist Project A so ein bisschen wie das frühe Rocket Internet?

Uwe Horstmann: Ich finde, wir haben uns viel stärker in die VC-Richtung entwickelt als Rocket. Rocket ist mehr: ‚Wir starten jetzt was. Wir machen jetzt ein Zipjet, wir machen jetzt ein Hellofresh, ein Helpling.‘ Wir sind eher so: ‚Hier kommt eine Company, die eine coole Mobile-Targeting-Technologie gemacht hat, lass uns mit denen mal hinsetzen.‘

Wie seid Ihr formal aufgestellt?

Uwe Horstmann:Rechtlich sind wir ein Investmentfonds. Wir arbeiten rein finanziell orientiert und werden nur über den Erfolg der Startups incentiviert. Wir haben ganz normal Geldtöpfe und bauen bald zwei Fonds für Portfolios von vielleicht je 25 bis 30 Unternehmen auf. Wir machen oft klassische Seed- und Series-A-Finanzierung, in Höhe von ein paar Hunderttausend bis drei Millionen Euro. In diesen Deals sind wir oft der klassische Lead-Investor. Dann gibt es Series-B- und Series-C-Finanzierungen, in denen wir eher ein Juniorpartner sind und mit ein paar Fonds zusammenarbeiten, die uns da auch proaktiv einbinden, auch weil operativer Support benötigt wird. Insgesamt können wir pro Firma bis zu zehn Millionen Euro ausgeben. Es gibt außerdem eine zweite Einheit von 100 operativen Experten, die unseren Unternehmern ihre Serviceleistungen quasi wie ein Menü zur Verfügung stellen. Wenn wir eine Due Diligence machen, sitzen wir mit den Unternehmern und den jeweiligen Experten zusammen und versuchen zu verstehen, wie wir den Startups helfen können. Manchmal ist das nur Input, manchmal richtige operative Manpower. Das geht meistens über einen intensiven Zeitraum von ein paar Monaten – immer mit dem klaren Fokus auf den Aufbau eines eigenen Teams im Venture.

„Unser Ziel ist es, das Grund-Setup eines Startups zu verbessern“

Was erwartet einen Unternehmer, wenn er zu Euch kommt?

Florian Heinemann: Anfangs gibt es eine sehr intensive Zusammenarbeit zwischen uns und dem Startup. Wir versuchen auf Partnerebene etwa alle zwei Wochen in Kontakt zu stehen, meist sogar häufiger. Im Idealfall gibt es auch einen Austausch auf fachlicher Ebene etwa mit unserem Head of Marketing oder Head of BI. Im ersten Jahr arbeiten oft Leute von uns in den Startups mit, bis sie sich selbst quasi überflüssig gemacht haben.

Kannst Du Beispiele nennen?

Florian Heinemann:Catawiki ist ein gutes Beispiel. Wir sind in einer für uns relativ späten Phase mit einem Co-Investment mit Accel eingestiegen. Es gab bereits eine gut laufende Plattform: einen der führenden Marktplätze für außergewöhnliche Sammlerstücke. Wir konnten an zwei Stellen weiterhelfen: Wir haben das Performance-Marketing- und CRM-Team ausgebaut. Anfangs haben unsere Experten Catawiki unterstützt, dann haben wir vier Junior-Manager direkt von der Hochschule rekrutiert und so ausgebildet, dass sie die Positionen besetzen konnten. Außerdem haben einige unserer Entwickler geholfen, Data-Warehouse-Entwickler einzustellen, und mit denen gemeinsam das Data-Warehouse-System entwickelt. Dieses System steuert das gesamte Content-Management und die Kundeninteraktion. Mit der Zeit hat sich unser Team immer weiter rausgenommen und heute hat Catawiki ein eigenes Team von zehn Data-Warehouse-Entwicklern. Insgesamt wurde alles nach einem Jahr komplett an das Startup übergeben. Im Vergleich dazu haben wir bei Pets Deli relativ früh investiert und dann unter anderem den Shop neu gebaut. Unser Team hat sich in den Bereichen IT, Data-Warehouse und Marketing eingebracht und dann – wie bei Catawiki – geholfen, neue Leute für diese Bereiche einzustellen. Wir setzen uns mit den Ventures zusammen und klären gemeinsam, wie die Zielorganisation aussehen soll, und versuchen, das möglichst schnell aufzubauen.

Uwe Horstmann (l.) und Florian Heinemann von Project A Ventures (Foto: Saskia Uppenkamp)

Also kein echter Standardprozess?

Florian Heinemann:Teils, teils. Die meisten Unternehmer, die zu uns kommen, haben schon Gründungserfahrung. Die ersten operativen Workshops machen wir bereits, wenn wir das Investment vorbereiten. Unsere Teams sitzen dann mit dem jeweiligen Startup zusammen, und aus den Gesprächen ergibt sich, welche Punkte auf unserer ‚Menükarte‘ für das Unternehmen sinnvoll sind. Letztlich entscheidet aber immer das Management der Firma, ob sie unsere Unterstützung wollen. Sie ist keine Bedingung für das Investment. Später gibt es eine Art Key Accounter auf Partnerebene, also Uwe, Christian, Thies oder ich. Im ersten Jahr gibt es eine sehr intensive Phase der Zusammenarbeit, auch mit unserem Head of BI oder Head of Marketing. In diesem Zusammenspiel erkennst du eine Reihe von Mustern. Du siehst, was bei einem Startup funktioniert, und versuchst, das auf andere Themen zu übertragen.

So ein Apparat ist sicher sehr teuer. Refinanziert sich Euer Modell?

Uwe Horstmann:Einen relevanten Teil der Kosten tragen wir selbst. Das heißt, wir machen im Prinzip jedes Jahr Verlust. Damit wir solvent bleiben, reinvestieren wir die Management-Fee in den Apparat. Eigentlich sind wir Partner wie Angestellte und verdienen aktuell nur unser Gehalt. Das ist nicht kompatibel mit der Mentalität: ‚Ich mache mir als Partner auf Basis der Management-Fee die Taschen voll, obwohl ich eigentlich noch nichts getan habe.‘ Bisher scheint es gut zu funktionieren, unsere Performance nach Kosten ist sehr gut. Wir investieren selbst viel in den Fonds, und das wird sich bezahlt machen. Für uns gibt es ein Commitment, dass wir hier mindestens zehn Jahre arbeiten. Dieser Vertrag ist gerade unterschrieben.

„Ein Gründerteam auszuwechseln ist immer blöd“

Ihr seid vier Partner. Wie funktioniert die Zusammenarbeit?

Uwe Horstmann:Flo und ich arbeiten seit neun Jahren zusammen. Wir kennen die Stärken und Schwächen des anderen. Andere Fonds sind fast franchiseartig in Silos organisiert. Wir funktionieren eher wie ein Jenga-Turm: Alles greift ineinander. Ich kümmere mich um neue Deals, Florian gibt Marketing-Input, Thies macht Funding/Financing und Christian kümmert sich um IT- und HR-Themen. Wir brauchen uns gegenseitig sehr stark.

Warum habt Ihr Euch für dieses Mischmodell aus VC und Company Builder entschieden?

Florian Heinemann: Das ist für mich eine sehr persönliche Entscheidung. Ich glaube, dass ich besser darin bin, an der Seitenlinie zu stehen und Leute zu beraten als selbst zu spielen. Ich bin ein vernünftiger Unternehmer, aber nicht herausragend in der Umsetzung. Dafür reizt es mich, von außen auf ein Unternehmen zu schauen und Punkte zu identifizieren, an denen wir ansetzen können.

Von Euch gibt es Ausgründungen wie Loopline Systems oder Spryker. Ist das nicht streng genommen Company Building?

Uwe Horstmann: Manchmal haben wir Unternehmer, die sagen: ‚Ich hab hier ein gutes Thema. Wollen wir das nicht zusammen anschieben?‘ Das ist tatsächlich eher Co-Founding als Inkubation. Bei Spryker war unser eigener CTO Teil des Teams, das das Projekt umsetzen wollte. Loopline haben wir als internes Tool gebaut, und unsere Head of HR fand das so cool, dass sie das weiter ausbauen wollte. Also haben wir das umgesetzt. Wahrscheinlich finden sich viele Argumente dafür, dass es Schwachsinn ist, unsere Wettbewerbsvorteile quasi auszugründen. Aber sei’s drum. Es steckt Potenzial in den Ideen, und wären wir darauf angewiesen, dass wir diese ‚Secret Source‘ haben, läge das Problem tiefer. Wir teilen das gerne. Im Bereich Business Intelligence denken wir sogar darüber nach, Teile unseres geistigen Eigentums Open Source zur Verfügung zu stellen. Spryker hat kürzlich auch einen Teil seines Quellcodes veröffentlicht. So könnten auch Leute, die nichts mit Project A zu tun haben, eine Inhouse-Business-Intelligence aufbauen. Das Ökosystem könnte auf jeden Fall davon profitieren.

Also reines Gutmenschentum?

Uwe Horstmann: Wir hoffen, dass das auf unsere Außenwahrnehmung einzahlt. Vielleicht hat der eine oder andere dann noch mehr Lust, mit uns zusammenzuarbeiten. Außerdem werden wir besser, wenn wir Feedback von außen bekommen. Und wir profitieren davon, wenn das Ökosystem wächst. Wir haben ja kein Interesse daran, das Business-Intelligence-Know-how in der Startup-Szene gering zu halten, damit wir selbst stärker hervorstechen. Wir lernen viel eher vom Austausch mit klugen Köpfen, und je mehr Austausch es gibt, desto besser.

Auf welche Themen fokussiert Ihr Euch?

Uwe Horstmann: Wir kommen aus dem transaktionalen B2C-Bereich, wo es viele Marktplätze und viel E-Commerce gibt. Das bleiben auch wichtige Themen für uns. Aber wir haben uns gefragt, wo die Schaufeln für diesen Goldrausch hergestellt werden. Für uns ist das der B2B-Bereich. Das Thema haben wir dann mit Software-as-a-Service-Unternehmen in unser Portfolio aufgenommen. Seit ein paar Monaten tauchen wir auch in das Thema Digital Health ein, weil wir das spannend finden. Das ist ein Bereich, in dem wir noch mehr operativen Mehrwert liefern können als beispielsweise im E-Commerce. In dem Bereich haben wir mit Junomedical bereits ein erstes Investment, und es sind zwei weitere in der Pipeline.

Wie läuft der interne Entscheidungsprozess?

Uwe Horstmann: Wir investieren nur, wenn einer von uns richtig für ein Thema brennt. Dann sind die anderen meist bereit mitzuziehen. Ich wollte beispielsweise Catawiki unbedingt machen. Das war keine einfache Diskussion, und das ist auch richtig so. Wir haben uns viele Gedanken gemacht, auch weil wir die Anforderungen der Gründer erfüllen wollten. Im Nachhinein war es gut, dass wir uns dafür entschieden haben.

Woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem Venture die Reißleine ziehen müsst?

Florian Heinemann: Wir hatten sechs Ventures, die wir als Abschreibung zählen. Wenn wir merken, dass wir eine bestimmte Funktionsfähigkeit nicht herstellen können, ziehen wir die Reißleine. Wir fragen uns bei jedem Geschäftsmodell vorher, woran man glauben muss, um davon auszugehen, dass es funktioniert. Wenn diese Hypothesen plausibel sind, glauben wir sie so lange, bis sie aktiv widerlegt sind.

Uwe Horstmann: Dieser Baum von Hypothesen, die dem Modell zugrunde liegen, ist ein sehr guter Check. Wir stellen ihn vor jedem Investment auf, aber du kannst ihn eigentlich immer wieder anschauen, wenn sich etwas verändert. Wenn wir an eine der Hypothesen nicht mehr glauben können, müssen wir umdenken.

Welche Hypothesen sind dabei wichtig?

Uwe Horstmann: Es gibt zwei wichtige Hypothesen. Erstens: Ist das Team in der Lage, das Business umzusetzen? Zweitens: Ist Project A in der Lage, einen positiven Impact zu leisten? Wenn wir beide Fragen noch mit Ja beantworten, machen wir grundsätzlich weiter.

Wie seht Ihr, wann Ihr eingreifen müsst?

Florian Heinemann: Wir müssen erkennen, ob der Kompass noch richtig läuft. Wenn ein Gründer systematisch schlechte Entscheidungen trifft, ist das problematisch. Häufig passiert es auch, dass jemand nicht in der Lage ist, mit der Organisation zu wachsen: das Team aufzubauen, die Leute zu halten und zu motivieren. Manchmal fehlt es dazu an der emotionalen Intelligenz, und die ist schwer zu trainieren. Wir beobachten das sehr genau, aber jemanden auszutauschen, bleibt für uns die Ultima Ratio. Das machen wir sehr ungern.

Das Portfolio von Project A VenturesKönnte es den Fall geben, dass Ihr das Gründerteam bittet zu gehen, so wie das bei Movinga geschehen ist? Oder würdet Ihr das Unternehmen dann eher schließen?

Uwe Horstmann: Zuerst stellt sich die Frage, ob die Hypothese richtig ist und ob wir mit dem richtigen Business-Modell unterwegs sind. Das Team ist dabei ein wichtiger Punkt. Also muss man sich auch fragen, ob es mit diesem Team weitergehen kann. Wenn das ganze Team wegbricht, ist es schwierig. Wenn einer der Gründer wegbricht, kann man unter Umständen einen Ersatz finden.

Florian Heinemann: Es ist ein Missverständnis, dass wir – oder auch Rocket – gerne Leute aus unseren Teams schmeißen. Ein Gründerteam auszuwechseln ist immer blöd, selbst wenn das rechtlich möglich ist und man die Anteile einziehen kann. Man muss dann einen adäquaten Ersatz finden. Das bringt Unruhe in die Organisation und verunsichert auch neue Investoren. Ich kenne keinen Investor, der gerne Leute rausschmeißt. In der Regel zerstört das auch erst einmal viel Wert und Vertrauen. Für uns ist es der Gründer, der sein Unternehmen treibt. Und bis zu einem gewissen Punkt tragen wir auch Entscheidungen mit, die wir nicht für richtig halten, solange diese Entscheidungen systematisch gefällt werden. Wir haben einen Zeithorizont von acht bis zwölf Jahren im Blick, und langfristig ist es wichtig, dass die Gründer die Ownership für ihr Unternehmen behalten. Das wird nichts, wenn wir ihnen ständig sagen, was sie zu tun haben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Leute selbst kündigen, wenn man ihnen zu oft die Verantwortung entzieht. Das ist langfristig schlimmer als ein paar Fehlentscheidungen.

Was haltet Ihr vom Blue-Yard-Ansatz? Dort scheint die wichtigste Frage zu sein: „Was wäre, wenn das wirklich funktioniert?“ Businesspläne sind da erst mal nebensächlich.

Uwe Horstmann: Ich glaube, Ciarán O’Leary tut dem Ökosystem durch seine Herangehensweise sehr viel Gutes. Zeitgleich ist es ein Zeichen der Reife des Ökosystems, wenn groß gedacht werden kann. Die zunehmende Kapitalbereitstellung versetzt erst in die Lage, dass wir auch hierzulande die großen Denker haben, die sich für Deutschland oder Europa entscheiden und nicht in die USA gehen.

Gerade starten immer mehr VCs, unter anderen von erfolgreichen Unternehmern gegründet. Professionalisiert sich der Markt?

Florian Heinemann: Ja, und zwar sowohl auf der VC- als auch auf der Unternehmerseite. Es gibt immer mehr Serial Entrepreneurs. Es gibt Leute, die bei sehr guten Startups gearbeitet haben und dann Unternehmer werden. Qualität und Quantität der investierbaren Gelegenheiten nehmen tendenziell zu. Ob schnell genug ausreichend Geld verfügbar sein wird, kann ich noch nicht sagen. Aber der Wettbewerb um die guten – oder vermeintlich guten – Deals wird weiter zunehmen. Als VC müssen wir uns auf einen Markt einstellen, auf dem wir informiertere Unternehmer treffen, die noch besser und bewusster entscheiden als heute. Die heißen Deals können sich aussuchen, wer bei ihnen investiert, so wie das im Silicon Valley auch der Fall ist. Wir müssen uns wie fast alle deutschen VCs im internationalen Wettbewerb fragen, warum die guten Leute ihr Geld von uns nehmen sollten. Von unseren Unternehmern fordern wir ja auch, dass sie ihre USPs benennen können und sich klar am Markt positionieren. Viele Investoren haben hier Nachholbedarf und sind nicht klar positioniert. Es gibt eine Reihe älterer VCs, die vermutlich nur deshalb einen guten Dealflow haben, weil sie früh da waren und Geld hatten. Das wird sich verändern. Unsere Aufgabe als operativer VC wird sein, unser Serviceangebot so gut und so attraktiv zu gestalten, dass wir gute Antworten auf die Frage ‚Warum wir?‘ geben können. Die größte Herausforderung ist es, immer an den aktuellen Themen dranzubleiben, unsere Experten und das Serviceangebot up to date zu halten. Wenn wir das gut machen, habe ich wenig Sorgen, dass unsere Positionierung glaubwürdig und werthaltig ist. Die Kernherausforderung ist: Schaffen wir es, den Topexperten in den jeweiligen Bereichen eine gute Heimat zu bieten?

Das Gespräch führte Jan Thomas.

[td_block_text_with_title custom_title=”FLORIAN HEINEMANN UND UWE HORSTMANN”]Bevor Florian Heinemann* und Uwe Horstmann 2012 Project A Ventures mitgründeten, waren beide Geschäftsführer bei Rocket Internet. Jeder von ihnen hat zahlreiche Startups (mit-)gegründet, zudem sind beide Investoren und Business Angels. Ihre Ausbildung absolvierten sie unter anderem an der WHU in Vallendar.

* Florian Heinemann ist Investor der Tomorrowland GmbH, der Holding des Verlags NKF Media GmbH.