Curated Shopping

Verliert der Mensch seinen eigenen Geschmack?

18/07/2013
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Curated Shopping erobert den Modemarkt

Bei Youtube, Spotify, Flipboard gehört das Kuratieren digitaler Inhalte längst zum Alltag. Die Zeiten, in denen man einen Song aus dem Radio den Verkäufer im Plattenladen vorsingen musste, gehören längst der Vergangenheit an. Algorithmen nehmen uns die Arbeit ab. Doch auch im täglichen Leben begegnen uns permanent kuratierte Angebote: die Speisekarten von Restaurant, das Radio- oder Fernsehprogramm oder die Inhalte von Zeitungen.

Im E-Commerce ist Curated Shopping hingegen eine recht neue Bewegung. Und scheinbar nicht erfolglos, denn das Berliner Startup Outfittery hat soeben die Auszeichnung Startup des Jahres 2012 der Plattform Gründerszene erhalten. (Anmerkung: Leider stand Outfittery trotz mehrerer Versuche unsererseits für diesen Artikel nicht zur Verfügung).

Mit Outfittery (Herrenmode), Modomoto (Herrenmode), Kisura (Damenmode) und 8select (Business-Herrenmode) tummeln sich derzeit 4 Curated-Shopping-Startups. Ein fünfter Anbieter, Modemeister, ist inzwischen wieder von der Bildfläche verschwunden. Und auch andere Anbieter wie das Modeunternehmen Justfab zielen auf den gleichen Markt und haben inzwischen eine Zentrale in Berlin.

Uns interessiert insbesondere, warum Menschen die Auswahl ihrer Mode – und somit einen Großteil dessen, was man von ihnen optisch wahrnimmt – in fremde Hände legt. Ist Mode wirklich wichtig und wie verändert das Internet (und vor allem Curated Shopping) unseren Umgang mit Mode? Wohin kann sich dieser Trend entwickeln? Hat Curated Shopping das Zeug zum Massenmarkt?

Definition Mode

Um den möglichen Konflikt, der durch das Curated Shopping entstehen könnte, zu verstehen, muss man zunächst verstehen, was Mode überhaupt ist. Wikipedia hat dazu einen schönen allgemeinen Satz: „Mode bezeichnet die in einem bestimmten Zeitraum und einer bestimmten Gruppe von Menschen als zeitgemäß geltende Art, bestimmte Dinge zu tun, Dinge zu benutzen oder anzuschaffen, sofern diese Art, etwas zu tun, nicht von großer Dauer ist, sondern im Verlauf der Zeit infolge gesellschaftlicher Prozesse immer wieder durch neue - dann als zeitgemäß geltende - Arten revidiert wird, sofern sie also zyklischem Wandel unterliegt.

Und weiter heißt es dann: „Mode ist ein hochkomplexes gesellschaftliches Phänomen, das seine Wurzeln in sehr unterschiedlichen individuellen und kollektiven Bedürfnissen hat.“

Steigt man tiefer in die Materie ein, so erfährt man, dass es in der Psychologie verschiedene Motive für Mode gibt, u.a. das Grundbedürfnis nach Beachtung (auffallen, wahrgenommen werden, Anerkennung), das Grundbedürfnis nach Gefallen (sich selbst und anderen, Attraktivität), das Grundbedürfnis nach Individualität (Persönliches, Einmaliges, Unverwechselbares) und das Grundbedürfnis nach Konformität (In sein, dazu gehören, mithalten können, Rollenerwartungen).

Ohne die komplementären Bedürfnisse von Zugehörigkeit und Abgrenzung, Konformismus und Individualismus, Expression und Tarnung, Exhibitionismus und Verhüllung ist das Phänomen Mode nicht fassbar. Oder zusammengefasst: Mode ist ein Instrument von Menschen, das ihre Zugehörigkeitserwartungen (an andere und sich selbst) signalisiert.

Curated Shopping – der Trend kommt aus den USA

Für E-Commerce-Unternehmen hat Mode jedoch weniger einen kulturellen Wert, sondern vor allem natürlich einen monetären. Sie machen sie zunutze, dass Mode den Status ihres Trägers symbolisieren kann. Daher ist die Idee des Curated Shopping sehr spannend, denn die Formel dahinter scheint zu lauten: „Tausche Geld gegen Zugehörigkeit und/oder Status“. Ist es wirklich so einfach?

Eigentlich ist Curated Shopping nichts wirklich Neues, denn jede gut geführte Modeboutique arbeitet nach demselben Prinzip: Gut ausgebildete Verkäufer/innen beraten Kunden anhand eines vorselektierten (kuratierten) Sortiments. Nun wurde dieses Prinzip einfach in die Online-Welt adaptiert.

Die Idee des Curated Shopping kommt natürlich aus den USA. Die Vorbilder heißen beispielsweise Trunkclub oder cakestyleme. Auch ist man dort bereits einen Schritt weiter – nicht nur Mode, sondern auch Luxusgüter,  Schuhe, Entertainment/Lifestyle etc. werden kuratiert angeboten - Pracitcal Commerce hat eine gute Übersicht. Es ist also durchaus damit zu rechnen, dass die Idee des Curated Shopping auch hierzulande noch andere Commerce-Bereiche (z.B. Möbel oder Kunst) erreichen wird.

Die Prozesse des Curated Shoppings

Wir haben Kristina Hellhake, Pressesprecherin von Modomoto, Mathias Stiefel, Co-Founder und Managing Director Marketing, HR & Legal von 8select, und Tanja Bogumil, Mitgründerin und Geschäftsführerin von  Kisura, einige Fragen gestellt. U.a. haben wir sie gebeten, uns den Prozess des Curated Shoppings genauer zu erläutern:

Modomoto: „Wir waren die Ersten am Markt und uns gibt es schon ein halbes Jahr länger als die Konkurrenz. Von Anfang an haben wir auf ein hauseigenes Lager mit Stylingraum gesetzt, da wir glauben, dass der Service nur dann authentisch ist und von Qualität zeugt, wenn er nicht “outgesourced“ wird, sondern alles aus einer Hand kommt. Unsere Stylisten stellen die individuellen Outfits nicht am Bildschirm, sondern direkt in unseren Räumlichkeiten zusammen. Dadurch stellen wir eine höhere Qualität der Auswahl und der Persönlichkeit des Services sicher. Unsere Stylisten können die Materialien, Farben und Schnitte sehen, fühlen und verschiedene Kombinationen ausprobieren, bis die optimale für den Kunden gefunden ist. Im Gegensatz zum herkömmlichen E-Commerce muss sich der Mann nicht durch die endlose unübersichtliche Auswahl der Online-Shops klicken und Warenkörbe füllen, sondern beantwortet lediglich einen Fragebogen zu seinen modischen Vorlieben und führt je nach Wunsch ein persönliches Beratungsgespräch mit einemunserer Chef-Stylisten. Auf Basis dieses Gesprächs und allen Antworten zu Stil und Wünschen, werden zwei bis drei individuelle Outfits zusammengestellt. Die einzelnen Kleidungsstücke werden dabei ansprechend ineinander gelegt und bereits so miteinander kombiniert, wie der Modeexperte es dem Kunden empfehlen würde zu tragen. (…) Der Kunde kann alles in Ruhe anprobieren und behält nur was ihm gefällt, den Rest kann er kostenlos zurückschicken. Durch die Retouren lernen wir den Kunden, seine Vorlieben und Passformen immer besser kennen. Wir werden für ihn zu einem stetigen Shopping-Begleiter, der genau weiß, was der Kunde braucht. Dem Mann bleibt mit Modomoto der Shoppingstress erspart und er kann seine Freizeit angenehmeren Dingen widmen.“

exemplarisches Modomoto Outfit per Karton nach Hause

Ähnlich ist es bei Kisura: „Wir nehmen uns insbesondere für den Erstkontakt mit der Kundin besonders viel Zeit. Dies ist wichtig für uns, weil wir so die Kundin persönlich kennenlernen. Die persönliche Bindung, die dabei entsteht, schätzen unsere Kundinnen sehr. Der Kundenkontakt findet bei uns sowohl online als auch persönlich am Telefon statt: Kundinnen registrieren sich online und legen sich ihre Online Sedcard als Profil an. In einem persönlichen Gespräch haben sie die Möglichkeit, mit einer Stylistin über ihre Wunschberatungspunkte zu sprechen. Im Anschluss daran stellt die Stylistin eine Outfit-Auswahl zusammen, welche die Kundin in ihrem virtuellen Showroom im Kunden-Account sehen kann. Dazu erhält sie Erklärungen, warum genau dieses oder jenes Modell ausgewählt wurde für sie. Die Produkte kann sie dann direkt bei uns bestellen. Bei Bedarf kann auch noch einmal Rücksprache gehalten werden. Wir begleiten die Kundin also über den reinen Einkaufsprozess hinaus – bis sie das Richtige gefunden hat.“

8Select: „Der Kunde beantwortet einen kurzen Stilfragebogen und aktiviert anschließend die Bekleidungskategorien, für die er sich interessiert. In einem kurzen, sich anschließenden Telefonat besteht die Möglichkeit noch Fragen zu klären und das Profil des Kunden abzurunden. Anschließend werden von unseren Fashion Consultants Empfehlungen zusammengestellt und virtuell in dem individuellen Showroom des Kunden präsentiert. Der Kunde entscheidet dann, welche Artikel er nach Hause geschickt bekommen möchte, um sie anzuprobieren. Was ihm gefällt behält er, den Rest schickt er zurück. Der Zeitvorteil liegt dabei auf der Hand: Der Kunde findet im Grunde einen fertig gepackten Warenkorb vor und muss nur noch abwählen, was er nicht haben möchte. Beim normalen Onlineshopping verhält es sich genau andersrum. Der Kunde muss aus einem riesigen Sortiment mühsam die zu ihm passenden Artikel auswählen. Frustration ist da oftmals vorprogrammiert. Zudem haben wir bei einem Folgekauf des Kunden ja schon sein Profil. Der Einkauf eines kompletten Outfits samt Basics und Schuhen ist bei uns in 3 bis 5 Minuten möglich.“

Vorteile des Curated Shoppings

Aus diesen Prozessen ergeben sich laut der drei Anbieter auch die Vorteile des Curated Shoppings: Tanja Bogumil von Kisura sieht einen der großen Vorteile des „kuratierten Einkaufs“ darin, dass die Kundin im Mittelpunkt steht: „Die Modewelt ist so unglaublich schnelllebig geworden. Insbesondere in der Damenmode kommen mehrere Kollektionen unterjährig raus, Trends werden immer kurzlebiger. In der Folge bieten viele Shops eine kaum zu überblickende Auswahl an Produkten. Je mehr Auswahl, desto schwerer fällt die Entscheidung. Wir bieten unseren Kundinnen die notwendige Orientierung, neue Trends optimal für die eigene Person zu interpretieren und die passenden Produkte zu finden.“

Und auch Kristina Hellhake von Modomoto sieht „den größten Mehrwert in der Zeitersparnis und der damit verbundenen Steigerung der Lebensqualität des Kunden. Das klingt pathetisch, aber wenn man überlegt, wie zeitaufwendig und anstrengend Shoppingtouren sein können und wie frustrierend das Überangebot eines Onlineshops sein kann, dann ist Curated Shopping eine sehr gute Alternative. Der Kunde kann sich mit den Dingen beschäftigen, die ihm wichtig sind und weiß sich in der Obhut echter Experten.“

Modomoto sieht Curated Shopping somit auch als Antwort auf eine Bedürfnislücke und als Schnittstelle zwischen dem klassischen stationärem Handel und dem E-Commerce: „Wir möchten die besten Eigenschaften der Märkte verbinden, indem wir echte Beratung, wie man sie sich im stationären Einzelhandel wünschen würde, garantieren und gleichzeitig die Flexibilität und Auswahl eines Online-Shops bieten.“

Dem pflichtet auch 8select bei: „Ein Kurator in einem Museum hat die Aufgabe aus einer großen Anzahl von Kunstwerken eine für die Besucher einer Ausstellung relevanten Auswahl zusammenzustellen. Kein Besucher hat die Zeit und Lust sich alle existierenden Kunstwerke eines Künstlers oder einer Epoche anzusehen bzw. sich aus dieser großen Auswahl selbst die für ihn relevanten Werke zu suchen. (…) Im klassischen Onlineshopping, geprägt durch das Kataloggeschäft, ist es aber bis heute so. Daher suchen unsere Kuratoren aus der großen Menge der verfügbaren Artikel die Teile aus, die für unsere Kunden individuell relevant sind. Damit sparen wir unseren Kunden Zeit und Nerven. Sie bekommen Kleidung, die wirklich zu ihnen passt – und zwar in Größe, Passform und Stil. Und wir entdecken für Sie immer wieder Artikel die wunderbar zu ihnen passen, die sie selbst aber nicht entdeckt hätten.“

Curated Shopping – ein erfolgversprechendes Geschäftsmodell?

Bekleidung zählt weiterhin zu den umsatzstärksten Warengruppen im E-Commerce. Laut bvh (Bundesverband Deutschen Versandhandel) war Bekleidung mit. 2.300 Mio. Euro die umsatzstärkste E-Commerce Warengruppe im Weihnachtsgeschäft 2012 (vor Unterhaltungselektronik, Bücher und Computer). Während bei anderen Online-Modeanbieter vor allem der günstige Preis im Fokus steht (gepaart mit Flashsales oder Gutscheinen – also alles Aktionen, die sich gewinnschmälernd auswirken), scheinen die Curated Shopping Anbieter einen Weg gefunden zu haben, sich preisunabhängiger zu positionieren. Was vorteilhaft für Anbieter und Investoren ist, muss aber nicht unbedingt auch auf Gegenliebe beim Kunden stoßen.

Wir wollten daher wissen, wo Curated Shopping Anbieter preislich liegen und wie hoch der ungefähre Aufschlag gegenüber dem Einzelhandel oder der Online-Konkurrenz ist?

Kristina Hellhake (Modomoto): „Die Preise unserer Kleidungsstücke liegen nicht über denen im Handel. Wir haben den Vorteil, dass wir, wie die Einzelhändler, direkt mit Herstellern und Marken in Verbindung stehen und über diese direkt einkaufen. Dadurch ergibt sich eine handelsübliche Marge. Diese wirkt sich für uns positiv aus, da wir keine teuren Ladenlokale betreiben. Wir sind daher in der Lage, unseren Service kostenlos anzubieten. Eine Modomoto-Box besteht aus zwei bis drei Komplettoutfits und damit aus acht bis zwölf Kleidungsstücken. Der Wert eines Pakets liegt bei 600 bis 800 Euro.“

Und auch Tanja Bogumil (Kisura) sieht das ähnlich: „Kisura basiert auf dem Prinzip des klassischen Einzelhandels: wir kaufen zu Großhandelspreisen und verkaufen zu Einzelhandelspreisen. Das heißt, die Kundin bezahlt bei uns genau so viel wie im Geschäft vor Ort, erhält aber die Styling-Beratung kostenfrei dazu.“

Und 8Select zielt bewusst nur auf das höhere Preissegment: „Gegenüber dem Einzelhandel oder der Onlinekonkurrenz gibt es keinen Aufschlag. Das würden die Kunden auch nicht akzeptieren. Wir haben unseren Schwerpunkt im mittleren und gehobenen Markenbereich. Das untere Preissegment (z.B. Hemden unter 40 EUR, Anzüge unter 200 EUR) decken wir nicht ab.“

Algorithmen, Avatare und Shopping-Kuratoren

Doch was bedeutet es nun für den individuellen Kunden, der sein Outfit plötzlich von Algorithmen, Avataren oder Shopping-Kuratoren zusammengestellt bekommt? Wenn es also ein Grundgedanke von Mode ist, sich persönlich auszudrücken, sollte man diesen „wichtigen Part“ wirklich in fremde (unbekannte) Hände geben? Gibt man dadurch nicht zwangsläufig auch einen Teil seiner Persönlichkeit auf? Steht am Ende dieser Entwicklung nicht zwangsläufig der uniformierte Kunde? Also wieder ein H&M-Effekt, der nur anders zustande gekommen ist?

Kisura: „Absolut richtig, Mode ist Teil des persönlichen Ausdrucks. Der persönliche Kontakt zu unseren Kundinnen ist uns besonders wichtig, dadurch verstehen wir ihre Probleme und Wünsche. Wir sehen uns damit als sinnvolle Ergänzung zum bestehenden Angebot für Frauen und bieten die gesuchte Inspiration und Beratung. Nicht zuletzt gibt es auch modische Frauen, die einfach keine Zeit oder Lust auf Kaufhäuser, Umkleidekabinen oder anonymes Online-Shopping haben - auch hier sind wir der passende Partner, um bequem und schnell neue Outfits zu erhalten.“

Modomoto: „Modomoto ist alles andere als ein anonymer Stilberater. Wir lernen unsere Kunden ganz genau kennen bevor wir sie mit ihrer ersten Modomoto-Box beliefern: Die Männer haben die Möglichkeit kostenlos ein persönliches Beratungsgespräch mit unseren Chef-Stylisten zu führen. Dabei werden Details hinsichtlich Stil und Bedarf besprochen, wodurch die Auswahl der Outfits im Paket optimiert wird. Außerdem füllt jeder Mann einen Fragebogen zu seinen persönlichen Vorlieben und Wünschen aus und schickt uns Fotos von sich. Dadurch können unsere erfahrenen Modeexperten das perfekte Outfit für ihn zusammenstellen, das zum einen die Persönlichkeit des Kunden widerspiegelt und zum anderen modisch und qualitativ sehr hochwertig ist. Nach jedem Paket findet außerdem ein Feedback-Gespräch statt, das dem Stylisten hilft, den Kunden und seine Bedürfnisse noch besser einzuschätzen - Von Box zu Box lernen wir ihn also besser kennen.“

8Select: „Knapp 40% der deutschen Männer lassen beispielsweise ihre Hemden durch den Partner einkaufen, legen diesen Part also schon in andere Hände. Es gilt für einen großen Teil der Männer bei Kleidung: men buy – women shop. Der Einkauf wird als Aufgabe verstanden, nicht als Erlebnis. Trotzdem wollen unsere Kunden gut aussehen und Kleidung tragen, die Ihre Persönlichkeit unterstreicht. Es ist ihnen definitiv nicht egal, wie sie angezogen sind oder was sie damit ausdrücken. Nur haben für sie andere Interessen eben Priorität, gerade bei der knapp bemessenen Freizeit. Es sind daher eher technische Bekleidungsstücke, wie z. B. eine Funktionsjacke oder Sportschuhe, mit denen sich unsere Kunden gerne auseinandersetzen. Um den Rest kümmern wir uns und sorgen dafür, dass die Persönlichkeit durch unsere Empfehlungen unterstrichen wird. Und letztlich verbleibt dem Kunden ja auch ein Spielraum bei der Entscheidung für oder gegen die jeweils empfohlenen Teile.“

Experten-Team von 8Select

Kommen nach Call Centern nun die Curated Shopping Center?

Eine Frage, die man sich stellen sollte: Falls sich die Idee des Curated Shopping tatsächlich durchsetzen, könnte dies (grundlegende) Veränderungen in der Mode-Industrie mit sich führen? Ist Curated Shopping möglicherweise gar eine neue Form des Multichannels? Oder bleibt das Thema nicht zuletzt wegen seines Preisniveaus eher ein Nischenthema?

Der persönliche Kontakt mit dem Verkäufer ist vielen Kunden wichtig. Doch in Zeiten des Internets, von Social Media, Video-Telefonie und Chatfenstern, kann man den persönlichen Kontakt nahezu gleichwertig virtuell herstellen. Ist also dank Curated Shopping eine neue Form der Online-Servicecenter im Anrollen? Die ist möglicherweise sehr schlüssig. Wäre es nicht generell sinnvoll, Experten konzentriert verfügbar zu halten und somit auch ihre effiziente Auslastung zu gewährleisten? Man stelle sich vor, Rechtsberater oder Gesundheitsberater wären online ohne Wartezeiten für ein großes Publikum verfügbar. Viele Fragen ließen sich wahrscheinlich „von der Stange“ beantworten. Im Service-Bereich schlummern also vielleicht noch viele spannende Geschäftsmodelle. Im Shopping-Segment kranken jedoch viele von Ihnen noch an der etablierten Regel, dass Beratung immer kostenlos zu sein hat. Hier könnte viel Phantasie liegen für den Arbeitsplatz 2.0.

Modomoto: „Wir glauben, dass sich Curated Shopping als feste Säule neben dem klassischem E-Commerce und stationären Handel etablieren wird. Modomoto war der erste Curated Shopping Service für Männer  in Deutschland und hat sich als größter Anbieter etabliert. Wir glauben an das Potential unseres Konzepts. Langfristig werden immer mehr Kunden die Vorzüge des Curated Shopping erkennen, so dass zumindest die „shoppingmüden“ Käufer, die Modehäuser meiden werden. Allgemein erhoffen wir uns eine Umorientierung: Zurück zum Kunden, der wieder in den Mittelpunkt des Service gestellt wird,  sei es im Stationären oder im Online Handel. So wie bei uns. Für diejenigen, die mit Leidenschaft und Spaß selbst einkaufen gehen, wird der Gang ins Geschäft aber weiterhin attraktiv bleiben.“

Kisura: „Produkte sind immer nur die Antwort auf ein Bedürfnis. Deshalb ist es wichtig, seine Kundinnen immer besser kennenzulernen und ihre Bedürfnisse zu verstehen, um darauf basierend die passenden Produkte zu empfehlen. Als nachhaltige Veränderung wird die Kundin insbesondere im Online Bereich daher immer weiter in den Mittelpunkt rücken.“

8Select: „Für die Modeindustrie sollten die Auswirkungen überschaubar sein, wenn sich auch gewissen Möglichkeiten bieten die Kunden modisch aktiver zu entwickeln. Spuren wird es aber vor allem im stationären Handel hinterlassen. Bisher werden nur gut 15-20% der gesamten Bekleidung online verkauft. Einer der Hauptgründe ist die fehlende Beratung gerade auch bei komplexeren Kategorien (zB Anzüge) und die Skepsis bei unbekannten Marken und Artikeln (zB bzgl. der Qualität, Passform und Haptik). Intelligente Curated Shopping Angebote im Bereich Bekleidung können diese kritischen Punkte schon heute lösen. Das wird auch an den etablierten Onlinehändlern nicht spurlos vorübergehen.“

Fazit

Das Thema Curated Shopping sollte man nicht unterschätzen. Für bestimmte Zielgruppen (Modomoto spricht von der Zielgruppe berufstätige Männer zwischen 30 und 60 Jahren) scheinen Modomoto, Kisura und 8Select durchaus eine attraktive Alternative zu bestehenden E-Commerce-Anbietern darzustellen. Insbesondere der Zeitvorteil ist bestechend. Noch agieren die Anbieter größtenteils fremdfinanziert. Allen voran Outfittery, die bereits zwei Finanzierungsrunden eingefahren haben. Gut möglich also, dass irgendwann ein böses Erwachen kommt. Dennoch dürften die Margen im Curated Shopping überdurchschnittlich hoch sein. Die Unternehmen agieren preislich auf Einzelhandelsniveau – haben jedoch keine teuren Ladengeschäfte zu unterhalten.

Die Frage, ob der Kunde durch die Curated Shopping Anbieter seinen eigenen Geschmack verlieren wird, kann man eindeutig mit „jein“ beantworten. Eine Wohnung, in der nur Möbel von Ikea stehen, ist langweilig und gar nicht individuell. Clever kombiniert mit anderen Anbietern kann aber so etwas wie eine eigene Note entstehen. So dürfte das auch im Curated Shopping Segment sein.

Und trotzdem ist es wohl an der Zeit, dass sich die Modeindustrie Gedanken macht. Wenn man Wegweiser benötigt, um sich in der Masse der modischen Neuerscheinungen zurechtzufinden, dann scheint auch hier etwas nicht ganz richtig zu laufen. Brauchen wir wirklich diese Schwemme an Modeartikeln? Insbesondere vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit scheint dies fragwürdig. Sieht man dazu noch die permanenten (und ungelösten!) Probleme der Nähfabriken in Bangladesch, so erscheint ein Umdenken überfällig.

Unabhängig dessen ist davon auszugehen, dass das Thema Curated Shopping mittelfristig an Bedeutung gewinnen wird.