Christian Reber:

„Im Konzern war kein Platz für mich“

11/04/2018
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Christian, du hast eine steile Karriere hingelegt. Wie bist du überhaupt nach Berlin und zu den 6Wunderkindern gekommen?

Christian Reber: Ich wurde in der DDR, in Brandenburg, geboren und bin 2006 nach Berlin gezogen, um International Management zu studieren. Dabei war es tatsächlich schon immer mein Wunsch, Tech-Unternehmer zu werden. Ich habe seit meiner Kindheit programmiert, auch wenn ich nie ein sonderlich guter Programmierer war. Insgeheim aber wollte ich immer der nächste Bill Gates werden. Mein erstes Startup, Mucelli, kam dann direkt nach der Uni. Wir haben es an den erstbesten Investor verkauft und direkt im Anschluss die Agentur gegründet. Dort haben wir drei Jahre lang gelernt, wie man Produkte, Websites und Brands baut. 2010 haben wir daraus 6Wunderkinder gemacht.

Hört sich nach einem ziemlich geradlinigen Weg an. Was waren eure Erfolgsfaktoren?

Christian Reber:Wir wollten eigentlich das Projektmanagement-System der Zukunft bauen. Dann lernten wir Frank Thelen kennen, der von uns einen Testballon verlangte, anhand dessen wir beweisen sollten, dass wir Software bauen können. Daraufhin haben wir das Taskmanagement aus Wunderkit extrahiert und daraus eine To-do-App entwickelt. Durch die extrem limitierten Ressourcen, waren wir gezwungen, Wunderlist total simpel zu halten. Rückblickend ein Erfolgsfaktor, genauso wie die Entscheidung, cross-plattform zu bauen. Wunderlist war kostenlos, ermöglichte Synchronisation über alle Plattformen und der Verbraucher stand im Mittelpunkt. Uns war bewusst, dass eine To Do-App als total leidenschaftsloses Produkt daherkommt. Daher wussten wir, dass wir im Bereich Marketing extrem laut sein müssen, um die nötige Aufmerksamkeit zu erzeugen. Hinzu kam, dass wir zwar ein Berliner Startup waren, uns aber amerikanisch positionieren mussten. Später waren viele Menschen in den Staaten überrascht, weil sie dachten, dass wir wegen unserer Marketingstrategie aus San Francisco kommen. Aber wir haben auch Fehler gemacht. So haben wir beispielsweise eine relativ blöde Anti-Copycat-Kampagne gelauncht. Die hat uns zwar viel Aufmerksamkeit gebracht, aber wir waren dadurch auch sehr verhasst. Ab einem bestimmten Punkt haben wir verstanden, dass es nicht nur ums Marketing geht, sondern darum, eine solide Software zu bauen.

Um das zu schaffen, braucht es Investoren. Wer war neben Frank Thelen an euch beteiligt?

Christian Reber:Am Anfang waren wir urdeutsch. Neben Frank waren der HTGF und T-Venture mit an Bord. Später kamen dann Atomico und Earlybird. Als wir zunehmends erfolgreich wurden, haben wir das Fundraising auf die Staaten und China konzentriert. Wir haben vor 20 sorgfältig selektierten VC‘s gepitcht aber unser Ziel war von Anfang an Sequoia, die ja auch in Evernote und Dropbox investiert hatten. Dass das dann geklappt hat, war für mich eine Art Ritterschlag. Wir waren die erste deutsche Firma, in die Sequoia investiert hat und hatten zudem noch Michael Moritz an Board, der ja im Silicon Valley eine lebende Legende ist. Ein echt toller Typ, der aber später ziemlich rough war und mich auch mal in einem Boardmeeting vor allen anderen angebrüllt hat. Das war für mich der Punkt, an dem ich mir gesagt habe „Never again“. Auch ein Grund, weshalb ich an Microsoft verkauft habe. Choose Your Partners Wisely.

War es dabei von Anfang an euer Ziel, zu verkaufen?

Christian Reber: Nein! Als Unternehmer kann es nicht das Ziel sein, sein Unternehmen jemand anderes zu geben. Bei Wunderlist sind wir da reingerutscht. Wir hatten über Nacht Erfolg, haben in relativ kurzer Zeit entwickelt, veröffentlicht und hatten viele Nutzer. Wir haben eine App nach der anderen gelauncht und dabei die Entwicklung unseres Geschäftsmodells aus den Augen verloren. Ich war immer überzeugt, dass wir die Masse über Shopping-Listen oder über einfache To-do-Listen kriegen und neben - bei ein Businessprodukt bauen und Projektmanagement für Teams ermöglichen. Im Juli 2015, als wir mitten in der Entwicklung von „Wunderlist for Work“ steckten, hat Microsoft angeklopft und uns ein Angebot gemacht. Das Unternehmen zu verkaufen, war zwar keine leichte Entscheidung, aber nach fünf Jahren Wunderlist war der Saft aufgebraucht und ich war gesundheitlich extrem angeschlagen. Es kommt der Punkt, wo das entwickeln einer To-do-App nicht mehr so spannend ist im Leben. Zu der Zeit war auch mein erstes Kind unterwegs und ich musste einfach mal sechs Monate durchatmen. Außerdem hatte sich der Markt sortiert. Wir haben gemerkt, dass er nicht mehr so floriert. Ohne Profitabilität hätten wir wahrscheinlich Probleme bekommen, Fundraising zu bekommen. Von daher war es für uns ein logischer Schritt und eine tolle Auszeit. Und ich bin wirklich dankbar, dass ich durch Microsoft mal vom Gas gehen konnte.

Was war deine Rolle bei Microsoft?

Christian Reber: Ich hatte keine wirkliche Rolle. In der Szene würde man dazu Entrepreneur in Residence sagen – jemand, der seine Rolle sucht. Ich habe im Konzern versucht, neue Projekte zu starten. Dabei war ich nicht Teil eines Teams, sondern habe immer wieder versucht, neue Ideen zu verfolgen. Mir war schnell klar, dass in dem Konzern kein Platz für mich ist. Microsoft ist in Deutschland ein stark Sales-getriebenes Unternehmen. Das Wunderlist-Team ist hierzulande eines der wenigen Produktteams. In diese Strukturen einen Vollblutunternehmer zu integrieren, hat sich als schwierig erwiesen. Wie hätte man mit mir umgehen sollen? Hätte man mir vielleicht ein Millionenbudget geben sollen, um neue Produkte zu bauen? Ich hatte damals auch eine konkrete Idee, habe aber kein internes Funding bekommen. Am Ende habe ich bei Microsoft nur meine Zeit abgesessen, also VIP – Vesting in Peace.

„Ich will einen großen Technologiekonzern schaffen, das nächste SAP“

Wie hast du die Zusammenarbeit mit einem Corporate empfunden?

Christian Reber:Corporates haben immer ihre eigene Agenda. Nicht nur Microsoft. Ich würde beispielsweise niemals mit einem Corporate VC Partnern, bevor ich nicht mindestens Series F erreicht habe. Die gleiche Empfehlung gebe ich meinen Portfolio-Unternehmen. Die Menschen, die dort arbeiten, sind letztendlich austauschbar. Jeder hat seine eigene Karriere. Venture Capitalists, die bei einem Fonds arbeiten, machen dann ihren eigenen Fonds, gründen aus oder gehen zu einem privaten Venture Capitalist. Wir haben beispielsweise mit T-Venture zusammengearbeitet. Die existieren heute nicht mehr. Dort standen politische Themen an der Tagesordnung. Das nervt dich als Unternehmer einfach nur. Ein klassischer VC wie Index oder Atomico existiert hingegen noch die nächsten 20 oder 30 Jahre. Dort bestimmen eher andere Themen wie limitierte Budgets oder Investmentvolumen die Agenda. Corporates wie Microsoft haben zwar deutlich tiefere Taschen, aber ihnen fehlt meistens das Risikobewusstsein.

Du bist ja auch selbst als Investor aktiv. Welche Kriterien sind für dich relevant, um in ein Startup zu investieren?

Christian Reber:Nach dem Sequoia Investment habe ich auch angefangen, zu investieren und bin dann relativ schnell bei E42 (heute Freigeist, Anm. der Redaktion), den Fonds von Frank Thelen und Marc Sieberger eingestiegen. Bei meinen Investments lege ich vor allem Wert auf ein Verständnis für Design und Ästhetik, aber auch auf Software-Know-how. Nicht selten pitcht mir ein Techie eine Idee und ich merke schnell, dass er tatsächlich nur ein Techie ist. Er ist kein Unternehmer und ich weiß aus Erfahrung, dass ihn der Stress umbringen würde. Als Unternehmer musst du die Fähigkeit besitzen, Menschen in schwierigen Momenten zu überzeugen, zu dir zu halten. Du musst dazu in der Lage sein, eine GmbH aufzusetzen, beim Notar zu sitzen, Anwaltsgespräche zu führen, ein Team einzustellen und vieles mehr. Das sind die Basisanforderungen, die dich überfordern können, sobald du ein Unternehmen gründest. Darauf versuche ich zu achten. Ich suche echte Unternehmerpersönlichkeiten. Nehmen wir beispielsweise Lilium. Da treffen wir auf einen 30-Jährigen Daniel Wiegand, der uns von Elektro-Jets erzählt. Als extreme Elon Musk-Fans waren wir sofort interessiert. Wir fahren selbst Tesla und hatten das Gefühl, gerade den deutschen Elon Musk entdeckt zu haben. Die Entscheidung, dort zu investieren, habe ich nach fünf Minuten getroffen. Ich habe Lilium sogar kurzzeitig als Head of Marketing unterstützt.

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