Byton: „Wir schauen uns genau an, was bei anderen falsch gelaufen ist“

15/04/2019
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Aktuell arbeitet das Byton-Team an ihrem ersten Modell M-Byte, einem elektronisch betriebenen SUV. Die Serienproduktion soll planmäßig Ende diesen Jahres beginnen, wie CEO Carsten Breitfeld auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas im Januar nochmals bekräftigte. Anders als klassische Autobauer will sich Byton nicht auf den Verkauf von Autos konzentrieren. Das sei ein auslaufendes Geschäftsmodell, so Breitfeld.

Stattdessen will sich das Unternehmen stärker auf Shared Mobility konzentrieren und ihre Autos stärker als Mobilitätsplattform positionieren. Eine Plattform bietet das gebogene Display des M-Byte, das fast die gesamte Breite des Cockpit ausfüllt. Es sollen neben Fahrzeuginformationen auch individuelle Inhalte der Nutzer anzeigen.

Welche Vorteile habt ihr als Startup gegenüber den etablierten Autobauern?

Hanna Schumacher: Unser Vorteil ist, dass wir auf einem weißen Blatt Papier angefangen haben und sehr schnell sein können. Wir werden nach drei Jahren Ende 2019 das erste Produkt an den Kunden ausliefern. Normalerweise beträgt die Entwicklungszeit sechs bis sieben Jahre. Wir beschäftigen mittlerweile 1600 Mitarbeiter weltweit und können uns deshalb organisatorische Prozesse von den Etablierten abgucken. Dafür arbeiten ja mittlerweile die besten Entwickler, Autodesigner und Konstrukteure aus der Automobilindustrie bei uns.

Und was haben die etablierten Autobauer euch als Startup vielleicht voraus?

Hanna Schumacher: Das sind auf jeden Fall die großartigen Entwickler für Verbrennungsmotoren. Deshalb gab es ja auch ganz lange keine neuen Automobilhersteller, weil das einfach ein so komplexes Thema ist. Der Vorsprung der Etablierten ist da schon so weit fortgeschritten, dass man als Neuling kaum eine Chance hat. Bei der Elektrifizierung und beim Thema Elektroauto ist das um einiges leichter, denn den elektrischen Antrieb braucht man nicht selbst entwickeln, sondern kann ihn einkaufen. So können wir uns auf andere Dinge fokussieren und dementsprechend viel schneller agieren.

Im Automobilmarkt spielt Loyalität eine große Rolle. Ist das für euch als Newcomer ein Problem?

Hanna Schumacher: Wir sind natürlich in der glücklichen Lage, dass wir uns auf den Markt für Elektroautos konzentrieren. Im Bereich Elektromobilität gibt es schon viel Interesse und Nachfrage, aber bisher noch nicht so viel Angebot. Das sehe ich als große Chance für uns.

Und wir wollen ja nicht nur ein Elektroauto bauen, sondern auch eine Mobilitätsplattform. Damit sind wir ziemlich unique. Und gerade unter jüngeren Leuten haben wir lauter potenzielle Kunden oder Fans, die ihre Smartphone-Inhalte im Auto erleben wollen.

Panorama auch im Interior: Der vollflächige Screen unter der Windschutzscheibe. Foto: Byton

Byton hat angekündigt, das Geschäftsmodell weg vom klassischen Autoverkauf hin zur Shared Mobility entwickeln zu wollen. Trotzdem habt ihr mit dem M-Byte einen klassischen Fünfsitzer-SUV gebaut, der zumindest am Anfang erst einmal ganz normal verkauft wird. Ist das nicht doch schon wieder der klassische Weg, von dem ihr eigentlich weg wolltet?

Hanna Schumacher: Ganz klassisch wäre ein Verbrennungsmotor. Aber klar, der Byton M-Byte sieht von außen nach einem klassischen Auto aus. Aber wir gehen eben noch einen Schritt weiter: Uns geht es geht nicht nur ums Auto, sondern auch um das Erlebnis im Auto. Wir sind auf die Zeit vorbereitet, in der autonomes Fahren weiter verbreitet sein wird. Wir bauen unsere Autos, so, dass jeder das Beste aus seiner Zeit im Auto herausholen und sie genießen kann. Und ein großes Auto erlaubt es auch vielen Leuten darin zu sitzen und den Platz miteinander zu teilen.

Aber in den allermeisten Fällen ist es ja immer noch so, dass nur eine Person alleine fährt.

Der Impuls dies zu ändern, muss aber aus der Gesellschaft oder von der Politik kommen. In Kalifornien zum Beispiel gibt es inzwischen Carsharing-Lanes, die nur Fahrzeuge benutzen dürfen, in denen mindestens zwei Leute sitzen. Wir müssen aber als Firma natürlich auch von Anfang an Geld verdienen, um überleben zu können. Und der SUV ist bis heute die am meisten nachgefragteste Form des Automobils in den USA und China, und läuft auch in Europa gut. Ein globales Produkt, das in allen Märkten funktioniert. Es geht ja auch darum Standzeiten zu minimieren. Der Byton M-Byte ist deshalb ganz bewusst auf Shared Mobility ausgerichtet. Mit seinem Account loggt man sich einfach ein – ganz gleich, ob das Auto Teil einer Mietwagen-Flotte oder eines Carsharing-Angebots ist.

Gibt es denn da schon konkrete Verhandlungen mit Carsharing-Anbietern oder will Byton sein eigenes Angebot entwickeln?

Hanna Schumacher: Wir bei Byton sind in den Gesprächen mit verschiedenen Anbietern, entwickeln aber parallel auch unseren eigenen Ansatz. Das eine schließt das andere nicht aus. BMW beispielsweise hat mit Drive Now auch ihr eigenes Carsharing-Angebot und trotzdem gibt es BMW-Fahrzeuge in sämtlichen Leasingplänen und Flottenmodellen.

Auch Tesla produziert Elektrofahrzeuge. Bei der Massenproduktion stößt das amerikanische Unternehmen auf einige Probleme. Welche Vorkehrungen treffen Sie, um diese Fehler nicht zu wiederholen?

Hanna Schumacher: Wir schauen uns sehr genau an, was bei anderen falsch gelaufen ist. Byton wird nicht versuchen auf Biegen und Brechen Dinge zu automatisieren, die im Automotive-Standard nicht flächendeckend automatisiert sind oder automatisiert werden müssen. Unsere Fabrik ist hoch automatisiert und auf Industrie 4.0-Standard. Aber es ist auch eine sehr konventionelle Fabrik. Wir versuchen da nicht zu „over-engineeren“. Das ist auch unser Ansatz bei der Autoentwicklung. Byton setzt bewusst an den Stellen aufInnovationen in die Entwicklung, wo wir einen Unterschied sehen. Trotzdem soll das Auto zukünftige User nicht überfordern.

Glasklares Exterior: das Dach bietet einen Panoramaausblick. Foto: Byton

Wie sieht der Zeitplan von Byton für die Massenproduktion aus?

Ende 2019 beginnt die Serienproduktion in China. Wir werden die Produktion dann langsam hochfahren, um ganz sicher zu stellen, dass wir von vornherein auch die richtige Qualität liefern.

Und welche Rolle spielt der deutsche Markt?

Hanna Schumacher: Wir werden nach China erst einmal in den USA mit dem Verkauf starten, aber Ende 2020 planen wir auch nach Europa zu kommen. Und da ist Deutschland neben Norwegen und den Niederlanden ein sehr wichtiger Markt. An den Reservierungszahlen sehen wir, dass die Deutschen uns wollen.

Byton befindet sich aktuell auf der Suche nach neuen Investoren. Kannst du uns dazu mehr Details geben?

Hanna Schumacher: Bisher haben wir ausschließlich chinesische Investoren und öffnen uns jetzt auch anderen Investoren aus Europa und den USA. Für die Entwicklung eines Smart Cars wäre gerade ein Partner aus der Tech-Brance spannend für uns. Da befinden wir uns gerade mitten in den Gesprächen für diese C-Runde. Die Finanzierungsrunde wird voraussichtlich Mitte diesen Jahres abgeschlossen sein.

Welches Feedback bekommen Sie als deutsch-chinesisches Unternehmen mit bisher ausschließlich chinesischen Investoren? Ist das für manche ein Grund zu mehr Skepsis?

Hanna Schumacher: Wir sind sehr global aufgestellt, das kommt an. Uns kommt es auch sehr entgegen, dass sich die Wahrnehmung gegenüber China kontinuierlich verbessert – mal abgesehen vom Handelskonflikt zwischen den USA und China. Chinesische Produkte haben schon ganz lange nicht mehr den Ruf, qualitativ minderwertig zu sein. Bei der Produktion elektrischer Geräte ist China wirklich auf dem Vormarsch.

Wie gehen Sie mit dem Handelskonflikt zwischen China und den USA um?

Hanna Schumacher: Wir planen 2020 in die USA zu gehen. Wir sind optimistisch, dass sich bis dahin noch viel tun kann. Aber wir sind als Unternehmen flexibel. Wenn wir bemerken, dass sich das USA-China-Problem weiter zu spitzt, dann können wir schnell handeln und gegebenenfalls Einheiten nach Europa verlagern zum Beispiel. Byton will den amerikanischen Markt nicht ganz außen vor lassen. Für den M-Byte haben wir in den USA 45.000 US-Dollar als Startpreis mit der Basisausstattung kommuniziert. Wenn wir diesen Preis aufgrund von Zöllen nicht halten können, weil wir sonst in ein Verlustgeschäft kommen, dann können wir uns dort immer noch mit weniger Einheiten platzieren und somit Sichtbarkeit zu schaffen.