Startup Monitor 2013

Anmerkungen zur Studie

11/07/2013
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Warnung: langer anstrengender Text!

Der Bundesverband Deutsche Startups e.V. und die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (Prof. Dr. Sven Ripsas) präsentierten letzte Woche gemeinsam mit einigen Partner (media.net berlinbrandenburg, Google, KPMG, und Trend Research Hamburg) den ersten „Deutschen Startup Monitor“ - eine ab sofort jährlich stattfindende Online-Befragung von Startups in Deutschland. Die Studie spricht vom „Jobwunder Startup“ und zeichnet ein Startup-Bild von überproportionalem Wachstum, hohem Kapitalbedarf und gut gebildeten Mitarbeitern. Die Studie wird wohl zukünftig im Wahlkampf zitiert und zu Zwecken der Lobby-Arbeit verwendet. Leider weist sie jedoch zahlreiche Schwachstellen auf, weswegen sie für diese Zwecke untauglich scheint.

Bundesverband Deutsche Startups

Der Bundesverband Deutsche Startups e.V. mit Sitz in Berlin wurde im September 2012 als Interessenvertretung der in Deutschland beheimateten Startups gegründet. Ein Teil seiner Aufgabe besteht in der Öffentlichkeitsarbeit, u.a. in der „Erhebung und Bereitstellung von Marktdaten und Studien“. Auf der Internetseite des Bundesverband Deutsche Startups heißt es dazu: „Wir setzen uns gegenüber der Politik für die Interessen und Bedürfnisse junger, innovativer Unternehmen ein.“ In der die Studie flankierenden Präsentation wird dies an drei Punkten fest gemacht: “a) Erarbeitung von Positionen und Forderungen an die Politik, b) Dialog mit politischen Entscheidungsträgern und c) politische Interessenvertretung”.

Startup Monitor 2013

Der gerade publizierte Startup Monitor 2013 möchte laut Eigenaussage „der noch jungen, aber stark wachsenden deutschen Startup-Szene Gehör verschaffen. Auf Basis der Daten soll das Potential und die Bedeutung von Startups für Arbeitsplätze und Innovationen in Deutschland bestimmt, Rahmenbedingungen evaluiert und Handlungsfelder für die Politik aufgezeigt werden.“ Das ist zunächst (wie auch die Gründung des Bundesverband Deutsche Startups an sich) notwendig und uneingeschränkt lobenswert.

Doch der Startup Monitor präsentiert leider einige gravierende Mängel und Ungereimtheiten, die ihn als Diskussionsgrundlage für die o.g. Aufgabe schlussendlich disqualifizieren. Nun könnte man mit den Schultern zucken und denken „so what?“. Doch der Startup Monitor 2013 wird mit Sicherheit in den kommenden Wochen und Monaten im Rahmen von Lobbyarbeit und politischer Diskussionen zitiert (s. Ziele von Startup Verband und Startup Monitor und es ist schließlich Wahlkampf).

Wozu brauchen wir eigentlich Studien?

In der heutigen Zeit gibt es viele Studien. Nahezu jedes Thema wird erfasst. Und nahezu jede Studie wird mit einem klaren Ziel in Auftrag gegeben. Studien sind immer Munition für die Lobbyarbeit und Interessenvertretung (wozu wir auch das Aufdecken von Missständen zählen). Liest man den Startup Monitor 2013 (inkl. des zugrunde liegenden Fragebogens) genau, so wird schnell klar: Ein zentrales Anliegen der Studie ist es offensichtlich, die positiven Seiten von Startups zu kommunizieren und die Wichtigkeit von Venture Capital als Motor der positiven Entwicklung der deutschen Wirtschaft hervorzuheben.

Man erkennt dies an der Häufigkeit von Hinweisen und Formulierungen wie: „34 Prozent der Unternehmen, die ihren Kapitalbedarf benennen können, benötigen im Rahmen des Wachstumsprozesses eine Kapitalzufuhr von mehr als 1 Million Euro.“ oder 53 Prozent der Berliner Startups, die VC in der Wachstumsfinanzierung erhalten haben, konnten ausländische VC Geber gewinnen”.

Das Thema Risikokapital und seiner Rahmenbedingungen wird derzeit von mehreren Seiten intensiv beackert. Bundeswirtschaftsminister Rösler unternimmt derzeit Studienreisen ins Silicon Valley und Tel Aviv und sammelt Wissen. Bereits vor einigen Wochen wurde auf dem 14. Deutschen Eigenkapitaltag (initiiert vom Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften) auf die große Schere zwischen dem europäischen Venture Capital Markt und seinem US-Pendant hingewiesen. Der Bundesverband hat dabei ein 10-Punkte-Forderungspapier an die Politik adressiert, in dem es um die Förderung und Akzeptanz von Venture Capital in Deutschland geht. Doch leider hatte auch der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften eine Marktübersicht vorgelegt, deren Zahlen eher ungenau sind. So wurde beispielsweise ausgewiesen, dass in den vergangenen 3 Jahre insgesamt rund 2 Mrd. Euro Venture Capital in junge Unternehmen geflossen sind. Bei dieser Berechnung blieben jedoch viele Kapitalquellen unberücksichtigt. So fehlen beispielsweise alleine die gesamten (?) Investments in Rocket Internet (Zalando, Glossybox, Wimdu etc.). Aber für das große Ganze ist das unerheblich. Niemand wird bestreiten, dass es derzeit viele Startups in den Startlöchern gibt, die nur auf eine Finanzierung warten.

Der große Vorteil von Studien: Niemand liest sie, zumindest selten. Über den Startup-Monitor wurde in den vergangenen Tagen viel berichtet. Leider haben die meisten Online-Medien die Pressemeldung des Bundesverband Deutsche Startups lediglich umformuliert. Das ist schade. Oder um es mit dem schönen Zitat von Milo Yiannopouloszu sagen: „Journalismis not just recycling of press releases.“ Denn es ist gut und wichtig, Studien zu erstellen. Studien können Diskussionen befeuern oder sogar in Gang setzen. Aber sie sollten nicht als reines Lobby-Instrument erstellt werden und sie sollten inhaltlich korrekt sein. Vor allem sollten sie aber nicht blindlings von den Medien publiziert werden.

Insbesondere ist es bedauerlich, dass sich der Startup Monitor 2013 nicht etwas mehr auf die Stärken von Startups konzentriert und ein scharfes Bild mit klaren Abgrenzungsmerkmalen zeichnet. Dadurch lässt er viele wichtige Fragen unbeantwortet: Worin liegt denn die Innovationskraft von Startups? Was könnte denn durch mehr Risikokapital überhaupt erreicht werden? Wo steht die deutsche Startup-Szene im europäischen Wettbewerb? Welches sind die wichtigsten Erfolgskriterien von Startups?

Auf unsere Rückfrage gaben die Verfasser der Studie an, dass der Startup Monitor nicht den Anspruch erhebt, die gesamte Startup Landschaft in Deutschland repräsentativ abzubilden. „Doch mit seinen 454 Teilnehmern und der Verbreitung durch einige relevante Netzwerke, glauben wir, dass er einen ersten Einblick gewährt.“

Die möglichen Mängel der Studie im Einzelnen

Fast 60% Startups der befragten Startups kommen aus Berlin.

Es ist zwar richtig (und wen freut das mehr als die Redaktion von Berlin Valley), dass sich Berlin zu Deutschlands Startup-Hochburg entwickelt hat. Doch  lt. gerade erschienener Studie der IBB stammen nur 11,8 Prozent aller neugegründeten Digitalunternehmen aus Berlin. Hier wäre ein sauberer Querschnitt essentiell. Der fehlerhafte Querschnitt  des Startup Monitor 2013 langt, um sämtliche Ableitungen des Startup Monitor 2013 maximal als Stimmungsbarometer einzustufen. Oder man listet die Ergebnisse der Studie nach Regionen differenziert und nachvollziehbar auf.

Auf Rückfrage gaben die Verfasser der Studie an, dass sich die restlichen befragten Startups wie folgt verteilen:

  • Nord (Mecklenb. Vorp., HH, HB, SH NS mit 2, 49): 9%
  • Ost (Brandenburg, Sachsen-Anh., Sachsen, Thüringen): 3%
  • West (NS mit 30, 31, 37, 38, NRW, Hessen, RP): 17%
  • Süd (BaWü, Bayern): 14%

Doch lt. IBB-Studie weisen die Städte Hamburg und München jedoch gemeinsam bereits fast so viele Startups auf wie Berlin. Hier klafft demnach eine große Schere zwischen Startup Monitor und Wirklichkeit. Die Verfasser der Studie ergänzen jedoch: „Da das Berliner Startup-Ökosystem der digitalen Wirtschaft auch in anderen Studien, wie dem Startup Genome (2012), starke Beachtung findet, wurde der Schwerpunkt dieser Befragung auf Berliner Startups und Startups der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) gelegt“. Eine Studie über Ernährungsgewohnheiten sollte ja auch nicht die Vegetarier auch nicht außen vorlassen.

Kurz: Um eine seriöse Stichprobe zu erzielen hätten nur ca. 12 Prozent der untersuchten Startups aus Berlin kommen sollen. Beim Startup Monitor kamen jedoch 58 Prozent der befragten Startups aus Berlin.

Definition Startup - was bedeutet der Begriff?

Diskussionen um die Definition des Begriffs „Startup“ könnten Bücher füllen. Die Frage „was ist ein Startup?“ ist müssig und irgendwie anstrengend. Startwerk hatte einige Definitionen zusammengetragen:

  • “A company that is in the first stage of its operations.” (Investopedia)
  • “Junge, noch nicht etablierte Unternehmen, die zur Verwirklichung einer innovativen Geschäftsidee mit geringem Startkapital gegründet werden und (…) auf den Erhalt von Venture-Capital bzw. Seed Capital oder auf einen Börsengang (IPO) angewiesen sind.” (GablerWirtschaftslexikon)
  • “A startup is a human institution designed to deliver a new product or service under conditions of extreme uncertainty.” (Eric Ries, startuplessonslearned.com)
  • “A startup is an organization formed to search for a repeatable and scalable business model.” (Steve Blank)
  • “Startup = Growth” (Paul Graham)
  • “Early stage in the life cycle of an enterprise where the entrepreneur moves from the idea stage to securing financing, laying down the basis structure of the business, and initiating operations or trading.” (BusinessDictonairy.com)
  • „Die aus dem Englischen stammende Bezeichnung Startup beschreibt eine kürzlich gegründete Firma, die sich in der ersten Phase des Lebenszyklus eines Unternehmens befindet. (…) da in den meisten Fällen nur geringes Startkapital zur Umsetzung der Idee zur Verfügung steht, streben viele Startups die frühzeitige Ausweitung ihrer Geschäfte an. Zur Stärkung ihrer Kapitalbasis greifen sie dabei in der Regel auf Venture-Capital oder Business-Angels zurück.“ (Gründerszene).

Anhand der Vielzahl an unterschiedlichsten Definitionen erkennt man die Schwierigkeit, die richtige Definition zu wählen. Natürlich mussten sich die Verfasser des Startup Monitor 2013 für eine Definition entscheiden. Sie wählten die von Blank / Dorf: „Startups sind junge, wachstumsorientierte Unternehmen auf der Suche nach einem nachhaltigen und skalierbaren Geschäftsmodell.“ Das geht in Ordnung, auch wenn man sich fragt, warum genau diese Definition gewählt wurde. Auf unsere Rückfrage gaben die Autoren an: „Blank und Dorf’s Definition von Startups ist Startup-spezifisch, branchenübergreifend und betont die Suche nach einem skalierbaren und profitablen Geschäftsmodell. Außerdem diente sie als ein Ausgangspunkt der vom Bundesverband Deutsche Startups entwickelten Startup-Definition, die in dieser Studie der Bezugspunkt ist.“

Diese ohnehin diskussionswürdigen Kriterien wurden zusätzlich aufgeweicht, indem man sie für den Startup Monitor wie folgt ergänzt hat:

  • jünger als 10 Jahre
  • deutliches Mitarbeiterwachstum und/oder deutliches Wachstum anderer zentraler Kennzahlen (z.B. Umsatz, Kunden, …)
  • hohe Innovationsfähigkeit

Und spätestens dadurch wird es etwas absurd. Dass Firmen wie Zalando und SoundCloud als Startup durchgehen, mag man akzeptieren. Nach der Definition der Studie wäre jedoch sogar das 2004 gegründete Soziale Netzwerk Facebook noch ein Startup. Facebook war in seiner Hochphase bereits 115 Milliarden Dollar wert. Zeitgleich ist „ein großer Teil der Startups (21 Prozent) momentan mit der Konzeptentwicklung beschäftigt“ – was streng genommen auch nicht zu der Definition von Blank/Dorf passt.

Kurz: Die gewählte Definition ist (vor dem Hintergrund der Vielzahl der Alternativen) umstritten. Die Ergänzung um den Zeitraum 10 Jahre ist nicht nur umstritten – sie ist mit Sicherheit falsch.

Anzahl Startups in Deutschland

„Der Bundesverband Deutsche Startups geht davon aus, dass es in Deutschland ca. 5000 Startups gibt.“ Erneut eine Zahl, die man augenscheinlich ignorieren könnte, wenn sie nicht als Basis für die anschließende Statistik herhalten würde. Auf unsere Rückfrage gaben die Verfasser der Studie an: „Die Schätzung ist unabhängig von der Studie erfolgt. Dabei wurden verfügbare Zahlen über Startups gesammelt (z.B. Eigene Verteiler, Zahlen der IHKs, Teilnehmerzahlen von Business Plan Wettbewerben, Mitglieder in einschlägigen Facebook-Gruppen, o.ä. in einem Zeitraum von ca. 5 Jahren).“ Sollte die Gesamtmenge von 5000 Startups richtig sein, so hätten in den letzten 10 Jahren jährlich ca. 500 Startups mit deutlichem Wachstum zentraler Kennzahlen (z.B. Umsatz, Kunden, …) und gleichzeitig hoher Innovationsfähigkeit entstehen müssen, die allesamt heute noch existieren.

Kurz: Die Gesamtzahl „5000“ als Basis des Startup Monitor ist eine reine Schätzung.

Repräsentativität

„Im Rahmen dieser Studie wurde eine Online-Befragung durchgeführt, an der 454 Personen teilnahmen, die Anteile an einem Startup besitzen und/oder eine zentrale Position in der Firma besetzen.“

Und hier kommen wir zum Knackpunkt: Die Repräsentativität einer Studie ist das „A und O“. Und genau diese ist nicht vorhanden. Natürlich ist Repräsentativität im Bereich der Marktforschung ohnehin ein strittiges Thema – insbesondere im Bereich der Onlineforschung. Jedoch gelten Stichproben erst als repräsentativ, wenn die für die Stichprobe nötigen allgemeinen Zusammenhänge auf eine Allgemeinheit umgemünzt werden können. Wer jedoch von einer geschätzten Basis (5000 Startups) eine einseitig gewichtete Gruppe (454 Personen, davon 58 Prozent aus Berlin) aufgrund eigener Definitionen (Startup-Definition nach Blank und Dorf plus „maximal 10 Jahre“) befragt, der erhält alles, nur kein repräsentatives Ergebnis.

Hinzu kommt, dass es natürlich nicht nur Startups aus der IKT-Branche gibt. Doch schaut man sich die Mitgliederliste des Bundesverband Deutsche Startups an, so wird schnell klar, dass sich hier nahezu ausschließlich Startups der IKT-Branche versammeln. Die übrigen Startup-Branchen: Life Science, Pharma, klassische Industrie, Solar etc. bleiben außen vor. Es wurde zwar versucht, diese Branchen zur Teilnahme an der Umfrage zu bewegen, doch alle übrigen Branchen sind lediglich mit zusammen 25 Prozent vertreten.

Kurz: Die vorliegende Studie ist nicht repräsentativ! Und sie müsste eigentlich „IKT Startup Kompass (Berlin) 2013“ lauten, da sie die übrigen Branchen nahezu nicht berücksichtigt und ein zu hohes Gewicht auf Berlin legt.

Mitarbeiter und Wachstum

  • “Startups schaffen neue Arbeitsplätze.
  • 12,4 Mitarbeiter inkl. der Gründer beschäftigen die befragten Startups durchschnittlich bei einem Durchschnittsalter von 2,4 Jahren
  • Bereits im Gründungsjahr beschäftigen Startups viermal so viele Mitarbeiter im Vergleich zu „klassischen Gründern“.”

Der Bundesverband Deutsche Startups definiert Startups anhand des Kriteriums: „deutliches Mitarbeiterwachstum und/oder deutliches Wachstum anderer zentraler Kennzahlen (z.B. Umsatz, Kunden, …). Das kann man machen. Nur sollte man dann nicht Ergebnisse ableiten, die sich aufgrund der eigenen Maßstäbe zwingend ergeben. Denn dadurch schlussfolgert die Studie das „Jobwunder Startups“. Auch das mag zum Teil richtig sein. Jedoch wird ein pikantes Detail unterschlagen: Ein Großteil der Startups überlebt i.d.R. die ersten Jahre nicht. Venture-Capital-Unternehmen kalkulieren mit einer Erfolgsquote von 1-2 überdurchschnittlich erfolgreichen Startups pro 10 Gründungen. Die übrigen verschwinden schnell wieder vom Markt oder werden zu s.g. „Zombie-Ventures“, also Unternehmen, die zwar überleben, aber kaum vom Fleck kommen. Man müsste also eher von einem „Jobwunder auf Pump“ sprechen. Siehe Ciarán O´Leary im Interview mit der Berliner Morgenpost: “Die meisten kleineren Start-ups scheitern natürlich. Das ist Tagesgeschäft. Wichtig ist, ob die größeren Unternehmen wie zum Beispiel Soundcloud, Wooga, ResearchGate oder The Football App (iLiga) ein Erfolg werden.” Wollte man also das Jobwunder Startups wirklich seriös untersuchen, so müsste man sämtliche Startups gegenüberstellen, die bereits wieder von der Bildfläche verschwunden sind.

Und natürlich sind Startups ein Job-Motor. Denn Startups werden fremdfinanziert. Ihr Wachstum erfolgt (im Gegenzug zu „klassischen“ Gründungen) nicht organisch, sondern es wird quasi erzwungen. Das ist wertfrei zu sehen, denn jeder Gründer ist frei, sich für oder gegen externe Investoren zu entscheiden. Aber wer die Mitarbeiter-Entwicklung  eines Startups mit denen einer „klassischen“ Gründung vergleicht, der vergleicht die viel zitierten Äpfel mit den viel zitierten Birnen. In diesem Kontext sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Unternehmer, die ihr Startup durch externe Risiko-Investoren finanzieren, i.d.R. einen hohen Preis dafür bezahlen. Denn zumeist geben sie im Gegenzug für Wachstumskapital einen Großteil ihrer Anteile am eigenen Unternehmen ab. Selten besitzen sie nach 2 echten Finanzierungsrunden noch mehr als 50 Prozent der Unternehmensanteile. Zudem gibt es Unternehmen wie Zalando, Daily Deal, Wimdu etc., die so sehr auf Geschwindigkeit und Wachstum getrimmt sind/waren, dass sie in kürzester Zeit mit Unmengen an Wagniskapital vollgepumpt wurden. Ob die Mitarbeiterentwicklung solcher Unternehmen vorbildlich ist, sei dahin gestellt.

Kurz: 12,4 Mitarbeiter nach nicht einmal zweieinhalb Jahren klingen beeindruckend, ignoriert jedoch völlig die große Zahl der erfolglosen Startups. Somit ist diese Zahl nicht aussagekräftig. Gleiches gilt für den in der Studie angelegten Vergleich mit „klassischen“ Gründungen.

Qualifikation der Mitarbeiter

“74 Prozent aller Startups mit offenen Stellen haben die Absicht Ingenieure, Software-Entwickler und/oder Absolventen anderer technischer Studiengänge im Jahr 2013 einzustellen.”

Diese Zahl mag stimmen, aber sie leitet gedanklich grob fehl. Startups haben aufgrund ihres Wachstumszwangs fast immer mehrere offene Stellen. Von diesen richtet sich natürlich meistens auch mindestens eine an Studienabsolventen (bei den Dax-Unternehmen beispielsweise läge dieser Wert bei 100 Prozent.) Was will diese Zahl also suggerieren? Wer die Startup-Mentalität kennt, der weiß, dass Startup weder für überdurchschnittliche Gehälter noch für ein überdurchschnittliches Maß an Festanstellungen bekannt sind. Es gibt - wie in jedem anderen Betrieb - Aufgaben mit unterschiedlichen Anspruchsleveln. Zudem stehen (unbezahlte) Praktika auf der Tagesordnung. In der Stellenbörse von Deutsche Startups gibt es derzeit 44 Stellenangebote für Festanstellungen – und zusätzlich 23 Stellenangebote für Praktikanten. Sämtliche Stellenangebote für Software-Entwickler setzen natürlich keine Studienabschlüsse voraus. Noch deutlicher wird dies auf BerlinStartupJobs.

Fazit: Der Grund (absichtlich oder nicht) für den augenscheinlich beeindruckenden Wert von 74 Prozent ist der Formulierung der Frage (s. Fragebogen) zu sehen. So kann umgekehrt festhalten, dass wahrscheinlich 100 Prozent aller Startups mit offenen Stellen die Absicht haben, Praktikanten einzustellen.

Fazit

Bitte nicht falsch verstehen! Der Startup Monitor 2013 ist wichtig. Wenn man ihn liest, erhält man einen Eindruck davon, wo der Gründerstandort Deutschland gegenwärtig steht. Er zeigt auch die wahrscheinliche Benachteiligung Deutscher Startups im internationalen Vergleich: bei der Kapitalsuche genau wie bei politischen Rahmenbedingungen.

Der Startup Monitor ist in diesem Jahr zum ersten Mal erschienen und diese Arbeit ist zu würdigen. Doch man darf ihn aufgrund seiner Mängel nicht als repräsentative Studie begreifen. Zur Lobbyarbeit und als politisches Instrument sollte er nicht herangezogen werden. Um einen Eindruck von den Herausforderungen der Startups in Deutschland zu bekommen, hingegen schon. Für die folgenden Ausgaben des Startup Monitors würden wir uns wünschen, dass man ihn auf einer repräsentativen Basis aufsetzt, die zu Grunde liegende Definition von Startup schärft und sich nicht nur auf das Thema „Kapitalbeschaffung“ konzentriert. Die “Faszination Startup” ist in der aktuellen Ausgabe deutlich zu kurz gekommen.

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