Weil Social Games Schund sind:

Zynga-Gründer Mark Pincus musste gehen

03/07/2013
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Spiele-Entwickler haben die Methode „Freemium“ (oder auch  Free2Play, Miktrotransaktionen, Abomodelle, „Season Passes“, Day1-DLCs etc.) lieben gelernt. Schon die Drogenhändler wussten – der erste Schuss ist immer gratis. Danach ist der Kunde gefügig und ist bereit, jeden Preis zu zahlen. Zynga ist so etwas wie die Mutter aller Freemium-Spiele. Keiner beherrschte die Viralität (das “süchtig-machen”) auch nur annähernd so perfekt wie die Firma mit dem Hund im Logo. Das Städteplanspiel Cityville erreichte in nur 40 Tagen etwa 100 Millionen monatliche Nutzer. Social Games sind heute ein Milliardenmarkt – nicht zuletzt dank Zynga. Aber auch ein völlig überschätzter. Das Marktforschungsinstitut Parks Associates prognostizierte 2011 eine Verfünffachung des Umsatzes mit Social Games bis 2015. Dies ist wohl ein Beleg dafür, dass auch Analysten oft nicht wissen, was sie so von sich geben.

Zynga-Gründer Mark Pincus muss gehen - überfordert!

Heute wurde verlautbar, dass der Xbox-Manager Don Mattrick den Zynga-Gründer Mark Pincus ablöst. Diese Personalmeldung ist an sich nichts Besonderes. Nicht selten erreichen Startups eine Größe, in der gestandene Manager das Steuer übernehmen müssen. Denn die Startup-Kultur kennt Grenzen. Zu viel Startup-Kultur ist oft hinderlich, wenn man dauerhaften Erfolg anstrebt. Doch die Meldung des Abgangs von Mark Pincus wurde von der Börse gefeiert wie ein Platzregen in der Wüste. Und das zu Unrecht.

Denn Zynga ist in der Krise und wird wohl nie wieder an die Erfolge alter Tage anknüpfen. Das liegt nicht nur am Management, sondern vor allem am Geschäftsmodell. Zynga verdient sein Geld in einem widerwärtigen Graubereich, fern jeder Moral. Zynga hat verstanden, wie man mit raffinierten Mechanismen unbedarften Hausfrauen Geld aus den Rippen leiert. Und zwar ohne substanziellen Gegenwert. Denn das, was Zynga als „Spiele“ bezeichnet, kommt optisch altbacken daher und ist vom Gameplay her stupide. Kurzweil für Menschen, die es nicht besser wissen…

Wenn sich Gründer auf ein Geschäftsmodell stürzen, das von der reinen Abzocke der Kunden lebt, dann können sie damit zwar schnell aufsteigen – aber der Absturz kann umso tiefer sein, wenn die Kunden dies mitbekommen. Groupon hat dies gerade schmerzlich erfahren und kämpft nun um seine Rehabilitation.

Doch wenn es ein Unternehmen gibt, das mit dem Begriff „Blase 2.0“ zu assoziieren ist, dann ist das mit Sicherheit Zynga. Denn die Menge naiver Menschen mit dickem Geldbeutel ist ziemlich endlich. Und genau sie sind die Zielgruppe von Zynga. Ende 2011 hatte Zynga einen Marktwert von 8,9 Milliarden US Dollar – ungefähr so viel wie die Lufthansa. Stand heute ist Zynga 1,99 Mrd. US Dollar wert.

Bereits im Oktober 2012 hatte ein Analyst der Investmentbank J.P. Morgan laut L.A. Times errechnet, dass der Gesamtwert aller Aktien von Zynga unter dem Wert der Barmittel und Immobilien liegt. Im Umkehrschluss bedeutete dies, dass das Unternehmen Zynga zu diesem Zeitpunkt bereist de facto wertlos war.

Das perfide System der Social Games

Einer Studie der Information Solutions Group zufolge ist der durchschnittliche “Social Gamer” eine 43-jährige Frau (es ist interessantes Kopfkino, sich diese Frau vorzustellen). Lediglich 6 Prozent aller Social Gamer sind 21 Jahre alt oder jünger. Und natürlich gibt es im Social Gaming auch so gut wie kein „Social“ – es sei denn, man empfindet auch Spielhallen als netten Ort der Begegnung. Die Spiele geben sich das Etikett „social“, weil sie a) in den Rahmen eines sozialen Netzwerks eingebunden sind und b) weil man seine s.g. „Freunde“ einladen kann (eigentlich muss) und dann digitaler Gastgeber in seinem eigenen Schloss, Haus, Bauernhof oder Garten spielen kann. Und da beginnt die Perversion: „Wer seinen Garten mit besonderen Einrichtungsgegenständen schmücken will, zahlt in Euro und Cent. Eine Hecke in Form des Eiffelturms kostet 3,27 Euro, ebenso viel die Fontäne mit Wasserfall.“ (FAZ)

Genauso ist bei Farmville die Interaktion mit den s.g. „Nachbarn“ wichtig, denn „Zu Beginn des Spiels ist die Farm 12×12 Felder groß, d. h. es können 12×12 Felder auf ihr angelegt werden. Im Laufe des Spiels bietet sich nun die Möglichkeit, seine Farm nach und nach zu vergrößern. Zur Vergrößerung der Farm ist es notwendig, eine bestimmte Anzahl an Nachbarn zu haben. Für die 26×26-Erweiterung sind es 35 Nachbarn. In diesem Fall kann man mit FarmCoins bezahlen. Alternativ kann der Nutzer je nach Größe des Feldes zwischen 20 und 120 FarmCash bezahlen, sofern er nicht ausreichend Nachbarn gefunden hat.“ 55 FarmCash (FV) kosten reale 10 US$ (harte Währung). (Wikipedia)

Zynga hat quasi die Spielhalle neu erfunden. Es hat Las Vegas via Facebook in die heimischen Wohnzimmer von Millionen und Abermillionen Nutzern teleportiert – und zwar ohne, dass die Nutzer dies merkten. Und genau wie die Hersteller von Einarmigen Banditen hat auch Zynga die Algorithmen seiner Spiele auf brutale Gewinnmaximierung getrimmt. Und die stupiden Nutzer werfen begeistert ihre digitalen Münzen ein.

Zu enge Bindung an den Wackelkandidaten Facebook

Doch (Gott sei´s gelobt) die Social-Games-Branche ist im Umbruch. Sie ist längst kein Wachstums-Markt mehr. Der ehemals “heiße Scheiß” ist nur noch Scheiß. Ein fallendes Messer.

Jeder halbwegs gescheite Analyst (außer Goldman Sachs) wusste schon immer, dass das Geschäftsmodell von Zynga nicht nachhaltig ist. Zynga ging im Dezember 2011 an die Börse. Doch von den einstigen Höchstständen ist der Kurs inzwischen weit entfernt.

Die Erfolgsgeschichte Zyngas ist seit jeher eng an den Erfolg von Facebook geknüpft. Beide Unternehmen sind miteinander groß geworden. Fluch und Segen zugleich. Die Umsätze durch Zynga-Spielen trugen im Jahr 2012 mit 12% zum Facebook-Umsatz bei. Denn Dank (ehemals) simpler Einlademechanismen laden Spieler ihre Freunde ohne mit der Wimper zu zucken zum Spielen. Dafür werden sie dann incentiviert (z.B. mit Saatgut).

Anders herum kamen auch Zyngas Einnahmen ungefähr zu 93 Prozent von Facebook. Und genau das ist ein grundlegendes Problem für Zynga: Denn Facebook ist selbst ein Wackelkandidat. Ein Unternehmen, das keine klare Linie und kein Geschäftsmodell findet. Das schlecht gemanagt nach dem Trial-and-Error-Prinzip navigiert. Sich in sinnlosen Features verliert. Das sämtliche Chancen und Sympathien verspielt. Die Facebook-Nutzerzahlen stagnieren, erste Nutzer wandern ab. Und die vielen nervigen Zynga-Einladungen und Statusupdates von Freunden und Bekannten hatten sicher einen Anteil daran. Nicht selten, dass man sich fremdgeschämt hat, wenn man mitbekommen hat, wofür Freunde Zeit und Geld verplempern.

Zynga - das sinkende Schiff und der Abschied auf Raten

Anders als bei seinen Spielen übergibt Zynga-Gründer Mark Pincus seinem Nachfolger kein bestelltes Feld, sondern einen wertlosen Schrotthaufen ohne echte Daseinsberechtigung:

Zwar stieg der Gewinn im ersten Quartal des Jahres 2013 auf 4,1 Millionen Dollar (im Vorjahres-Quartal standen Verluste von 85,4 Millionen Dollar). Doch dieser Pyrrhussieg ist nur das Ergebnis eines harten Sparkurses. Denn zeitgleich sank auch der Umsatz Zyngas auf 263 Millionen Dollar (Vorjahres-Quartal: 320 Millionen Dollar). Und auch die Zahl der täglich aktiven Nutzer ist im Vergleich zum Vorjahres-Quartal um 21 Prozent auf 52 Millionen gefallen. Gleiches galt für die „montly unique users“: 150 Millionen (Vorjahr 182 Millionen).

In Konsequenz wurden 4 „schwächer funktionierende“ Spiele eingestellt: The Ville, Empires & Allies, Dream Zoo und Zynga City. Speziell „The Ville“ hatte aufgrund seines Plagiatsstreits zwischen Zynga und EA ohnehin für viel Unruhe gesorgt. Mit EA konnte Zynga eine außergerichtliche Einigung erzielen. Kosten: unbekannt!

Bereits im September 2012 versuchte Zynga, im s.g. Mid-Core-Markt Fuß zu fassen. Eine klassische Erweiterung des Portfolios. Damit die gelänge, übernahm Zynga das kalifornische Entwicklerstudio A Bit Lucky. Die Effekte dieser Übernahme stehen jedoch noch aus.

Im März 2013 startet Zynga seine eigene Spiele-Plattform – ein Versuch, sich von der Abhängigkeit Facebooks zu befreien. Es war das Ende einer exklusiven Partnerschaft. Diese Meldung sorgte für großes Aufsehen: Das Forbes Magazine berichtete schon damals recht kritisch und zeigte die Grenzen des Geschäftsmodells auf. Nach Bekanntgabe der Beendigung der Partnerschaft fiel der Aktienkurs Zyngas schlagartig um 13 Prozent.

Seit April 2013 muss Zynga innerhalb seiner Spiele keine Anzeigen aus der Werbeplattform von Facebook mehr einblenden und kann auch die Payment-Methode frei wählen. Im Gegenzug steht darf Facebook künftig auch selbst Spiele entwickeln. Dieser Schritt war für Zynga wichtig, um endlich im mobilen Segment Fuß zu fassen. Doch auch das war ein Pyrrhussieg.

Bereits im Oktober 2012 wurde bekannt, dass Zynga aufgrund finanzieller Schwierigkeiten fünf Prozent seiner Angestellten entlassen musste. 13 Spiele wurden aus dem Portfolio gelöscht. Die Büros in England und Japan wurden geschlossen.

Ebenfalls im Oktober 2012 beschrieb ein Artikel des TechCrunch Kolumnisten Josh Constine die Unfähigkeit des Unternehmens, seine Produkte gemeinsam mit den Spielern weiterzuentwickeln. Constine kritisierte die Werbepolitik und die Führungsetage, die seiner Meinung nach inkompetent und überbezahlt sei. Der Artikel trägt den bedeutungsschwangeren Titel: Why Zynga Failed.

Unter anderem zitiert Constine auch ein Interview mit Facebook-Gründer Mark Zuckerberg: “A lot of users like playing games, but a lot of users just hate games, and that made it a big challenge, because people who like playing games wanted to post updates about their farm or frontier or whatever to their stream. But people who don’t care about games want no updates. So we did some rebalancing so that if you aren’t a game player you’re getting less updates.” - Game over für Zyngas liebgewonnene Viralität.

Ferner ergab eine Analyse von Social-Games-Kennzahlen des Marktforschungsunternehmen Dystillr, dass die Nutzungsfrequenz von wichtigen Spielen wie Farmville und Cityville innerhalb der letzten drei Jahren um rund 53 Prozent gesunken sei: Im November 2009 hatte sich der typische Spieler rund 9,8-mal im Monat mit einem Zynga-Social-Game beschäftigt, bis Oktober 2012 sank die Frequenz auf 4,6-mal.

Am 4. Juni 2013 gab Zynga bekannt, dass man weitere 520 seiner rund 2.800 Mitarbeiter entlassen wird. Dies entspricht 18% der gesamten Belegschaft. Erneut sollen mehrere Standorte geschlossen werden. Als Ursache für die Kürzungen wird der verstärkte Übergang von Spielern auf Smartphones und Tablets genannt, den Zynga verpasst haben soll.

Und dann auch das noch: Am 5. Juni 2013 packt ein Ex-Mitarbeiter von Zynga aus und bezeichnet Zynga als “sinkendes Schiff”. In seiner via reddit veröffentlichten Mail offenbart er drastische Fehler in der Geschäftsstrategie: „Die großen Erfolge erzielte Zynga zur Hochzeit der Facebook-Games, der Sprung auf den boomenden Mobile-Markt habe man aber nicht so sicher hinbekommen.“ Es würden Gameplay-Elemente von anderen Herstellern kopiert, wodurch die Spiele unausgegoren wirkten. Ferner verhindere “das hierarchische Management die Kreativität und die Entwicklung vieler Spiele. Es mangelt massiv an Voraussicht. Zu viele Entscheidungen sind schnelle Reaktionen auf Veränderungen am Markt. (…) Wenn man so weitermache, sei man in “zwei bis drei Jahren” am Ende.” (der Standard)

Vor zwei Wochen kaufte Zynga das Echtgeld-Spielestudio Spooky Cool Labs, ein Spezialunternehmen für virtuelle Spielautomaten. Künftig soll es also darum gehen, den Nutzern echtes Geld aus der Tasche zu ziehen. Spooky Cool Labs Firmengründer Koe Kaminkow wurde vom wichtigsten US-Fachmagazin für Spielautomaten zu einem der zehn einflussreichsten Designer für Spielautomaten gekürt.

Und was ist eigentlich mit Wooga?

Der Berliner Social Gaming Anbieter Wooga („world of gaming“) eifert Zynga nach. Wie sehr sich Wooga an den Spielmechaniken Zyngas orientiert, weiß wahrscheinlich nur Wooga selbst, denn über Wooga gibt es vergleichsweise wenige Informationen. Aber Wooga-Gründer Jens Begemann hat in seinem Vortrag „What Drives Social? What Drives Commerce?“ auf den Live Shopping Days 2011 offen und ehrlich dargestellt, wie akribisch das Unternehmen einzelne Elemente seiner Spiele optimiert. Hier wird ABC-getestet, was das Zeug hält (ab S. 9)

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Ein hoher Preis für wenig Spielspaß

Diese Akribie ist einerseits bewundernswert – viele Online-Unternehmen können sich hier ein Beispiel nehmen. Doch andererseits ist das Ziel der Social-Gaming / Browser-Gaming / App-Anbieter immer das gleiche: sie wollen den maximalen Umsatz aus ihren Kunden herausquetschen. Und genau da wird es pervers. Es geht ihnen (fast) nie um echte Gegenleistungen und um ehrlichen Spielspaß (sicher mag der partiell gegeben sein –auch RTL2 hat seine guten 5 Minuten) – es geht darum, banalste Spiele (wir reden hier über virtuelle Bauernhöfe) zu einem Freizeit-Erlebnis aufzublasen, für das unbedarfte Menschen viel Geld ausgeben.

Denn man muss sich vor Augen führen: Zynga meldete im Jahr 2011 einen Umsatz in Höhe von 1,14 Milliarden US-Dollar. Im letzten Geschäftsquartal 2011 verzeichnete Zynga 240 Millionen aktive Spieler im Monat - die Anzahl der zahlenden Kunden lag bei 2,9 Millionen pro Monat. Die folgende Rechnung mag falsch sein, aber es scheint, dass ein zahlender Kunde im Schnitt knapp 33 US$ pro Monat für virtuelles Saatgut und digitale Zauberstäbe ausgegeben hat.

Im Vergleich: Das Highend-Spiele-Erlebnis World-of-Warcraft gibt es bereits für 10,99 Euro monatlich. Manch andere aktuelle Multiplayer-Spiele sind sogar gänzlich kostenlos – man zahlt nur einmalig den Kaufpreis (meist 30-60 Euro).

Der World-of-Warcraft-Hersteller Activision (der u.a. auch die erfolgreiche Call of Duty-Reihe veröffentlicht) verbuchte im Geschäftsjahr 2012 einen Rekordumsatz von 4,8 Milliarden Dollar und erzielte dabei einen Gewinn von 1,1 Milliarden Dollar - das Ergebnis von fairen Geschäftsmodellen und Premium-Spiele-Qualität.

Social Games sind grenzwertiger als Klingelton-Abos

Nochmal kurz zurück zu Wooga: Die Berliner Spieleschmiede ist mit 50 Millionen Nutzern der erfolgreichste europäische Anbieter von Social Games. Jens Begemann ist ein sympathischer Jungunternehmer. Einer, mit dem man gerne ein Bier trinken geht.

Er wirkt bescheiden und sehr vernünftig. Und man möchte ihm den Erfolg nicht neiden. Aber man darf nicht vergessen – Jens Begemann hat seine Sporen beim Klingelton-Abo-Verticker Jamba (das zweite große Projekt der Samwer-Brüder) verdient. Dort war er von 2001 bis 2008 tätig. Und wenn es vor 5 Jahre ein deutsches Unternehmen gab, bei dem man zu Recht die Nase rümpfte, dann war es eben Jamba. Ein grässliches Unternehmen. Und wäre man ketzerisch, würde man behaupten, dass die heutigen Social Games die Methode der Klingelton-Anbieter in ihrer Durchtriebenheit weit in den Schatten stellen. Denn im Gegensatz zu den Klingelton-Anbietern setzen Social-Games-Anbieter auf eine gesetztere Zielgruppe mit deutlich höherer Zahlungsbereitschaft. Zeitgleich hat diese Zielgruppe auch keine Ahnung vom Spielemarkt. Ihr ist nicht bewusst, dass sowohl Grafik als auch Spielerlebnis weit hinter den Branchenstandards zurückbleiben. Und genau wie die Klingelton-Anbieter machen sich Social-Games-Anbieter den Affektkauf zu Nutze.

Jens Begemann ist sicher kein durchtriebener Ganove, aber auch er lässt sich zitieren mit „Man muss innerhalb der ersten 60 Sekunden schon ein Erfolgserlebnis haben“. Die Message ist klar. Der Stoff muss wirken.

Anfang 2011 gab Jens Begemann im Interview mit Netzwertig.com zu Protokoll, dass er beim Verkauf virtueller Güter ein hohes Wachstumspotenzial von 100-150 Prozent sehe: „Wir beobachten, dass die Akzeptanz von virtuellen Gütern immer weiter steigt. Auffällig ist, dass User, die einmal virtuelle Güter gekauft haben, dies mit großer Wahrscheinlichkeit wieder tun, weil es das Spieleerlebnis einfach verbessert. Durch Rabattaktionen wollen wir zudem die Hemmschwelle senken, das Erwerben virtueller Güter einmal auszuprobieren.“

Wooga ist mit einem dicken Finanzierungspolster von insgesamt 24 Millionen US-Dollar ausgestattet,  unter anderem von Holtzbrinck Ventures, Balderton Capital oder Highland Capital Partners. Anfang diesen Jahres hat Wooga mit dem Strategiespiel Kingsbridge einen Titel veröffentlicht, der sich an erfahrene Spieler richtet. Auch den Sprung auf die Smartphones hat Wooga lange vor Zynga gemeistert. Im vergangenen Sommer erklärte das Unternehmen  seinen verstärkten Fokus auf das Mobilsegment. Möglicherweise gibt es also tatsächlich substanzielle Unterschiede zwischen den beiden Social-Games-Giganten. Zumal Jens Begemann ein echter Spieleanbieter werden will („nicht nur Social Games“), während sich Zynga derzeit um die Lizenz zum Glücksspielen bemüht.

Fazit

Jede Epoche bringt fragwürdige Geschäftsmodelle hervor. Zeitschriftendrückerkolonnen gehörten dazu, Jamba gehörte dazu - und Social Gaming mit Sicherheit auch.

Und so kann man sich nur wünschen, dass der Absturz Zyngas sowohl künftigen Gründern als auch Investoren eine Warnung sei. Es gibt so viele gute Geschäftsmodelle. Nachhaltige. Weltverbessernde. Ideen, die nicht auf reine Abzocke setzen. Vor allem Investoren müssen verstehen: Wer nicht auf nachhaltige Geschäftsmodelle setzt, gefährdet die Zukunft einer ganzen Branche. Traurig aber wahr: Startups sind heutzutage von dem Geld der Investoren abhängig. Wenn diese jedoch aus Gier mit dem Zocken beginnen, dann gerät möglicherweise die gesamte Startup-Branche in Verruf. Die Aufgabe von Investoren besteht vor allem darin, mit ihrer kompetenten Bewertung der Geschäftsmodelle die Spreu vom Weizen zu trennen. Im Fall Zyngas ist dies leider nicht geglückt.

Zynga-Gründer Mark Pincus musste gehen, weil das Modell der Social Games in der von Zynga betriebenen Methode schlichtweg eine Sauerei ist.

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Anhang:

Die Games-Industrie ist in Schieflage

Dieser Artikel thematisierte Zynga. Nicht Big Point, nicht Travian, nicht Gameforge (und eigentlich auch nicht über Wooga). Aber wer sich abschließend ein Bild von der marktbereinigenden Situation der Games-Industrie machen möchte:

24.10.2012 Der Hamburger Spielehersteller Bigpoint entlässt 120 Mitarbeiter. Dies entspricht in etwa 15 Prozent der insgesamt 800 Mitarbeiter. (Spiegel)

29.10.2012 Der Berliner Social-Games-Anbieter Smeet kündigt an, sich auf seine Kernplattform konzentrieren, ein “kostenloses browserbasiertes 3D Social Chat Game”. Rund die Hälfte des technischen Teams wurde entlassen. (Gründerszene) 

7.11.2012 Der Spiele-Publisher Gameforge streicht etwa 20 Stellen in Berlin (Games.de)

23.3.2013 John Riccitiello, der langjährige CEO von Electronic Arts, tritt zurück. Sein Rücktrittsschreiben ist lesenswert, denn er spricht darin kein einziges Mal über die Kunden, respektive die Spieler, sondern nur über verfehlte Umsatzerwartungen und enttäuschte Aktionäre. Electronic Arts (EA) erwirtschaftete 2012 bei einem Nettoumsatz von über vier Milliarden Dollar lediglich einen mickrigen Gewinn von 76 Millionen Dollar. (Der Standard)

16.4.2013  Electronic Arts stellt The Sims Social, Sim City Social, Pet Society und weitere Facebook-Spiele aufgrund von Spielermangel ein. (Golem)

29.4.2013 Der Münchner Browsergames-Publisher Travian Games entlässt 60 seiner 230 Angestellten. (Gründerszene)

4.6.2013 Zynga entlässt 18 Prozent seiner Mitarbeiter. (Techcrunch)

Aber natürlich gibt es auch Gegenbeispiele wie z.B. die Goodgame Studios

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