Philipp Westermeyer von Online Marketing Rockstars:

„Bei Wetten, dass..? muss es ähnlich gewesen sein“

01/03/2017
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Philipp, wie erklärst Du Deiner Mutter, was Du machst?

Philipp Westermeyer: Das hat sich über die Jahre ständig verändert. Immer wenn sie es halb verstanden hatte, habe ich eine Firma schon wieder verkauft. Sie hat sich schließlich gemerkt: ‚Internetmarketing, Internetvermarktung – das kann der Junge ganz gut.‘ Ich hatte mal die ZDF-Show ‚Kampf der Start-ups‘ gemacht, da wusste sie, er ist im Fernsehen, das muss wohl funktionieren. Aber so genau fragt sie nicht mehr nach. Mit dem Event ist es am einfachsten. Da versteht sie, es kommen eine Menge Leute.

Und was sind die Rockstars für Dich?

Philipp Westermeyer:Ein klassischer Unternehmensberater, der uns einordnet, würde vielleicht sagen: ‚Das ist ein Fachverlag.‘ Aber wir haben noch nicht mal eine Zeitschrift, wir publizieren auch nur einen Artikel pro Tag. Bei einem richtigen Verlag wäre das viel, viel mehr. Aber das ist auf einem gewissen Qualitätsniveau nicht finanzierbar und auch gar nicht nötig für unsere Zwecke. Zudem ist Fachverlag kein sexy Attribut. Aus meiner Sicht sind wir eine Plattform für digitales Marketing. Und die Plattform lebt – in echt, in einer Konferenz, in einer Messe, sie lebt im Portal, im Podcast und so weiter.

Im Schnelldurchlauf: Wie fing alles an?

Philipp Westermeyer:Rockstars fing 2011 als Konferenz-Event für Freunde und Kunden an. Plötzlich kamen 800 Leute und irgendwann 1000. Wir bekamen Anfragen: ‚Können wir mit unserer Marke präsent sein?‘ 2013 haben wir dann erstmals jemanden für die Vermarktung eingestellt. Und schließlich kamen wir auf die Idee, noch eine Party während der Dmexco zu organisieren. Als alter Journalismus- und Medienfan hatte ich dann irgendwann die Idee, Inhalte zu machen – ohne Marketing. Also haben wir das Portal ins Leben gerufen.

Ihr seid zu dritt, aber man sieht immer nur Dich. Ist das okay für die anderen?

Philipp Westermeyer:Das hat sich so entwickelt. Rockstars war meine Idee, mein Baby. Und ohne, dass wir das wollten, ist die Plattform auf einmal das Thema geworden, das am meisten Öffentlichkeit bekommen hat. Eigentlich logisch, weil es eine Fachveranstaltung für die Branche ist. Die anderen beiden Jungs haben im positiven Sinne damit gar kein Problem. Irgendwie war es auch eine Business-Entscheidung zu sagen, dass ich das Gesicht bin. Ich bin stolz, dass wir es über die Jahre geschafft haben, befreundet zu sein und die Höhen und Tiefen zu erleben: Firma verkauft, Firma gegründet, wieder zurückgekauft. Und dann parallel dieses Business, wo einer nach vorne geht und die anderen gleichermaßen daran partizipieren.

Die Kollegen von T3N haben Dich Seriengründer genannt. Ist das eine zutreffende Bezeichnung?

Philipp Westermeyer:Im Vergleich zu Rocket bin ich ein kleiner Fisch. Da muss man sich auch realistisch einordnen. Aber klar, wir probieren Dinge und verfolgen alle die Philosophie, Business zu machen, das zehn, 20, 30 Millionen Umsatz machen kann, das wir aber selbst kontrollieren und bei dem wir wenig investieren müssen. Ein 200-Millionen-Umsatz-Business nach dem nächsten zu machen ist nicht unser Ding.

„MEIN PFAD IST, SEHR VIEL ZEIT AUF MEINE THEMEN ZU VERWENDEN. DAS LOHNT SICH MEHR“

Ich dachte, dass Du durch Deine Podcasts und Deine Themen das Know-how haben müsstest, um Dinge groß zu machen. Du hast sie ja nicht immer selbst in der Hand.

Philipp Westermeyer:Wir haben immer in Leute investiert, die ich bis heute für sehr schlau und sympathisch und aufrichtig halte, aber es ist halt auch so, dass nicht alles fliegt. Ich habe sehr viel Glück, dass das, was wir selbst aufgebaut haben, funktioniert. Das liegt am Team und an der gewissen Erfahrung. Die vierte Firma aufzubauen ist auch einfacher als die erste. Mein Pfad ist, sehr viel Zeit auf meine Themen zu verwenden. Das lohnt sich mehr.

Besucherrekord: 2016 kamen 16.533 Teilnehmer zum Festival. (Foto: Hannes Holtermann)

Was ist denn heute Euer Ziel, Eure Vision?

Philipp Westermeyer: Ich kann es gar nicht so ganz konkret fassen. Aber ich beobachte die globale Liga von digitalen Groß-Events oder Digital-Marketing-Groß-Events, darunter die Adweek in New York oder Cannes Lions in Frankreich, aber auch der Web Summit, die Dmexco und die Dreamforce von Salesforce. In diesen Bereichen wollen wir eine Rolle spielen, wir wollen eine globale Leuchtturm-Veranstaltung sein.

Ihr wollt internationaler werden?

Philipp Westermeyer:Auf jeden Fall wollen wir es probieren. Nicht in den USA, da hat niemand auf uns gewartet, aber für Polen, Frankreich, Italien, Holland, Skandinavien ist das gut möglich. Am Ende ist diese Welt auch international. Durch Google und Facebook arbeiten alle mit denselben Herausforderungen und Tools. Es ist daher sinnvoll, für einen Polen auf einer Konferenz in Hamburg zu sein, wenn es so etwas in Warschau nicht gibt. Das Business ist nicht lokal. Wir haben jetzt zum ersten Mal einen Amerikaner als Redakteur eingestellt, der unser Profil englischsprachig aufbaut.

Events sind nicht der einzige Umsatzbringer bei Euch. Was sind die wichtigsten Säulen?

Philipp Westermeyer:Das Festival macht ein bisschen mehr als die Hälfte vom Umsatz aus, der Rest ist Seminargeschäft. Mittlerweile bin ich selbst unterwegs und halte auf Anfrage mal einen Fachvortrag oder einen Inspirationsvortrag zum Thema Marketing.

Ist Scott Galloway da ein Vorbild?

Philipp Westermeyer:Scott Galloway macht vor allem ein Subscriber-Business, für 3000 Dollar wird man Subscriber bei seiner Firma L2. Das finde ich schon vorbildlich. Aber wir wollen eine Plattform sein und auch neutral und nicht selbst in die Dienstleistung reingehen, sondern in das übliche Mediengeschäft.

Galloway hat große Summen eingesammelt und richtig dicke Investments. Ist das für euch ein Thema?

Philipp Westermeyer: Nein, wir versuchen – auch wenn das nicht so schnell geht – unser Ding aus Eigenmitteln aufzubauen.

Ihr habt eine Redaktion und veröffentlicht nur einen Artikel pro Tag. Bleibt es dabei?

Philipp Westermeyer:Das ist erst mal so geplant. Wir haben vier Redakteure, am Ende hat jeder Redakteur fast eine Woche Zeit für einen Artikel, der fünfte Tag ist für den Podcast reserviert. Das ist auch sinnvoll, wenn du unique Content erzeugen möchtest. Wir wollten nicht der Fünfte sein, der auch noch Personalien abdruckt. Da war der Markt, als wir vor drei Jahren angefangen haben, sehr gut besetzt. Also haben wir uns gefragt: Was könnte unser Weg ins Publishing sein? Wir suchen die besondere Geschichten, die man eher entdeckt, wenn man in der Branche arbeitet, und weniger, wenn man sich die Branche nur von außen anschaut. Und wir machen die Sachen groß, gehen tiefer rein, recherchieren länger.

Genau die richtige Größe: Philipp Westermeyer füllt Hallen wie ein Rockstar. (Foto: Jann Venherm)

Ich habe das Gefühl, dass eigentlich alle Eure Themen durch die Decke gehen.

Philipp Westermeyer: Wir haben seit vier, fünf Monaten 10.000 bis 12.000 Nutzer am Tag. Das ist eine ganz gute Zahl, die du im deutschen Markt mit einem Artikel pro Tag nicht so schnell auf 30.000 kriegst. Wo sollen die alle herkommen? Die Dezemberzahlen sind im Vergleich zu 2015 um 30 oder 40 Prozent gewachsen. Im Dezember können wir fair vergleichen, weil da keine Events stattfinden und wir keinen Peak durch Sonderzugriffe hatten.

Wer tiefer reingeht und länger recherchiert, tritt auch mal jemandem auf die Füße. Bekommt Ihr Abmahnungen?

Philipp Westermeyer:Ja klar. Irgendwann begegnest du Leuten, denen etwas nicht gefällt, die sagen: ‚Warum bringt ihr das an die Öffentlichkeit? Das weiß keiner und soll auch keiner wissen!‘ Wir hatten mal einen Run von vier Wochen, in denen wir drei Abmahnungen eingesammelt haben. Am Ende guckst du dir das an und wägst ab, ob du das annehmen und unterschreiben sollst oder wie du dagegen vorgehst. Wenn man Artikel schreibt, kann das passieren.

Das ist auch eine Auszeichnung, oder?

Philipp Westermeyer:Ja, das zeigt, dass du irgendwo reingestochen hast, wo etwas ist. Bislang haben wir nichts gemacht, was total unfair gewesen wäre, oder wir etwas behauptet haben, das vollkommen falsch ist. Es ist ja ein legitimes Instrument, dagegen vorzugehen.

Apropos Geschichten, die keiner kennt: Ihr habt ein krasses Line-up auf Euren Events. Erzähl doch mal etwas über den Backstage-Bereich.

Philipp Westermeyer:Das ist für mich auch manchmal unglaublich. Vergangenes Jahr war Tony Hawk mit seiner Frau da und gleichzeitig Udo Lindenberg mit seiner ganzen Crew, zu der auch der Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre gehört. Außerdem Jan Delay mit seiner Truppe und Bild-Digital-Chefredakteur Julian Reichelt. Branchen-Promis und echte Stars – 40, 50 Leute, ein Riesenauflauf. Ich musste immer zwischen der Show und dem Backstage-Bereich wechseln und dachte mir: ‚Kneift mich mal einer! Was ist hier los? Bei ‚Wetten, dass..?‘ muss es sich ähnlich angefühlt haben. Man lernt eine Menge Leute über diesen Job kennen – sowohl Künstler als auch Unternehmerstars. Das macht sehr viel Spaß! Man hat lustige Erlebnisse.

Philipp Westermeyer im Gespräch mit Scott Galloway beim OMR Festival 2016 (Foto: Simon Hollmann)

Gibt es Anekdoten?

Philipp Westermeyer:Vor allem kommt raus, dass die meisten Leute ein sehr bodenständiges Leben führen. Vor zwei Jahren ist Deichkind bei uns aufgetreten. Man hat diese total verrückten Punktypen im Kopf, die auf der Bühne abgehen. Und dann fahren die zum Vorgespräch in ihrem älteren Peugeot mit Kindersitzen auf der Rückbank vor. Man spricht dann über Kinder. Ich vermute, selbst die Samwers dieser Welt werden auch ein Stück weit ein normales Leben haben. Die haben Themen wie jeder beliebige andere Kita-Vater auch.

Sind auch Leute dabei, die Du nie wieder einladen würdest?

Philipp Westermeyer:Nein. Wir sind aber seit Jahren immer wieder im Gespräch mit Snoop Dogg. Schon beim Kontaktaufbau merkst du den Unterschied, was es heißt, global zu skalieren. Da kommen auf einmal Leute zu dir, die behaupten, ihn zu kennen, nach dem Motto: ‚Hier, ich bin dein Mann, ich hole ihn dir, und dann sagst du, okay.‘ Der Typ ruft einen Preis auf, und dann stellst du fest, dass er Snoop gar nicht kennt, sondern nur auf die Marge scharf ist. Man muss erst mal die Wege verstehen: Wer ist eigentlich der richtige Ansprechpartner, wer hat Zugang und wer ist nur Arbitrageur? Diese Welt … dass es solche Leute gibt, ist schon verrückt.

Das betrifft auch die Speaker?

Philipp Westermeyer: Absolut. Gary Vaynerchuk ist so ein Beispiel. Was da für Summen für Auftritte bezahlt werden. Als wir angefangen haben, gab es keinen Gary Vaynerchuk, keinen Marketingstar. Da waren Professoren aus Harvard oder der Marketingchef von Adidas die gefragtesten Typen. Heute gibt es Leute wie Gary Vaynerchuk, Tim Ferriss oder Casey Neistat, das sind Marketing- beziehungsweise Unternehmerstars ohne Professur, ohne große Marke. Die sind global unterwegs und berichten über die aktuellen Trends. Das ist ein ganz eigenes Business, über das nicht viele Bescheid wissen.

„WIR SEHEN UNS ALS KURATOR. DU MUSST DIE RICHTIGEN STORYS UND KÜNSTLER FINDEN“

Kern Eures Business ist es, Leute sehr früh zu entdecken.

Philipp Westermeyer: Wir schauen uns natürlich an, wer spannende Sachen macht, wie die Leute auftreten und sich bei Youtube präsentieren. Wir sehen uns als Kurator. Du musst die richtigen Storys und Künstler finden.

Du hast bei einem Horizont-Interview mal gesagt, dass es heute nicht nur darum geht, Relevanz und Reichweite zu erzeugen, sondern auch gute Inhalte. Ist das ein Thema, das Dich beschäftigt?

Philipp Westermeyer:Ja, absolut. Mich beschäftigt die Frage, wie man mit Inhalten in Zukunft Geld verdienen kann. Ich bin nicht der typische Tech-Typ, sondern ich fahre auf alles mit Medien und Marketing ab. Ich schaue, von wem wir etwas lernen können – international, nicht nur in den USA. Wie funktioniert Content gut? Podcast ist beispielsweise ein Thema, bei dem ich vor anderthalb Jahren dachte, das kommt jetzt erneut. Und da wollte ich dabei sein.

Ist Video für Euch auch ein Thema?

Philipp Westermeyer: Wir beschäftigen uns damit, allerdings ist der konkrete Case für uns noch nicht gegeben! Video ist in der Produktion nicht sehr einfach: Es ist teuer, und die Leute sind super verwöhnt. Beim Podcast sind wir viel weiter. Unser Podcast wird in Zukunft funktionieren, der bleibt, der hat’s geschafft – genauso mit Podstars. So weit sind wir mit Video noch nicht.

Welche Mega-Trends siehst Du in den nächsten zwei Jahren?

Philipp Westermeyer:Der Mega-Trend ist wahrscheinlich das Thema Content beziehungsweise Content-Marketing. Das wird von vielen nicht richtig verstanden oder nicht richtig eingesetzt. Andere fangen damit gerade an zu experimentieren und werden lernen, wie es für sie funktioniert. Content-Marketing ist sehr individuell, du musst für dich eine Lösung finden. Vor allem auch beim Thema Content-Verteilung – über Outbrain, über Facebook oder verschiedenste Plattformen. Das ist ein Thema, das ganz am Anfang steht.

Du schmeißt Content und Content-Marketing in einen Topf?

Philipp Westermeyer: Aus Marketing-Sicht natürlich. Nur Content macht für Daimler beispielsweise ja keinen Sinn, am Ende müssen die Autos verkaufen.

Wie siehst Du das Zusammenspiel der Gegenpole Content und Plattform?

Philipp Westermeyer:Wenn Facebook, Snapchat und vielleicht Google, Youtube nebeneinander groß und stark bleiben, dann denke ich schon, dass die Plattformen stärker auch für Inhalte und Content bezahlen werden müssen. Spätestens wenn es um Videorechte geht, zum Beispiel für die Bundesliga oder die NFL.

Das könnte das Pendant zu Media for Equity sein?

Philipp Westermeyer:Das ist alles noch sehr unscharf. Das klassische Publisher-Ding löst sich auf. Daimler wirbt jetzt Top-Journalisten an. Bezahlt dann irgendwann Facebook Daimler dafür, dass Daimler Facebook-Kunde ist oder andersrum? Das wird sich noch finden müssen. Eins ist sicher: Guter Content wird Geld kosten. Du wirst Content nicht auf Euro- oder Cent-Beträge runterpegeln können. In einigen Fällen wird es so sein, dass Facebook, Youtube, Spotify oder Amazon das gerne bei sich haben möchten und dafür bezahlen werden. Aber es wird auch andere Deals geben. Die Zeit, wo man eine ganz klare Wertschöpfungskette aufmalen konnte – Verlag, Media-Agentur, Journalist –, die ist vorbei.

Zu den Plattformen, die Du genannt hast: Wer könnte in die Reihe noch vorstoßen?

Philipp Westermeyer: Wenn du mit den Top-Stars aus den USA sprichst, dann sind Musically und Houseparty die ganz heißen Sachen. Ich glaube, Instagram ist noch lange nicht da, wo es sein wird. Aber da kannst Du nicht investieren. Aber du kannst in Facebook in der Annahme investieren, dass die Plattform über Instagram und Whatsapp noch weiter zulegt. Ich war lange in Facebook investiert und habe erst vor Kurzem verkauft – vor der US-Wahl, weil ich ein Schisser war und dachte, dass im Fall von Trump der Kurs abrauscht. So war es ja auch. Jetzt überlege ich, wieder nachzukaufen. Denn Facebook wird mit den ganzen Beteiligungen noch eine Weile heiß sein.

Das Gespräch führte Jan Thomas.

Philipp Westermeyer

ist „Erfinder“ der Online Marketing Rockstars. Gemeinsam mit seinen Partnern, Christian Müller und Tobias Schlottke, hat Philipp außer den Online Marketing Rockstars auch Firmen wie Metrigo und Adyard aufgebaut. Seine berufliche Karriere startete er 2005 als Assistent des Vorstands von Gruner + Jahr.

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