Startup-Szene Frankfurt:

Zarte Pflänzchen in der Finanzmetropole

09/02/2017
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Christian W. Jakob ist ein Matchmaker. Er verkuppelt Unternehmen. Zum Beispiel den Automobilzulieferer Continental mit Gaia Solutions. Das Londoner Startup wurde von dem 19-jährigen Frankfurter Pascal Weinberger gegründet und entwickelt eine Lösung, die Ernteverluste verhindern und damit die Versorgung der Weltbevölkerung mit Lebensmitteln sicherstellen soll.

Wie das zu Continental passt? Gaia setzt Satelliten- und Sensortechnik ein, um Anomalien auf Feldern zu entdecken und Pflanzenkrankheiten vorzubeugen. Dabei kommen maschinelles Lernen und intelligente Algorithmen zum Einsatz. Diese Technologien können auch Autos das autonome Fahren beibringen. Continental nennt die Zusammenarbeit mit Startups inspirierend, sie zahle sich aus. Auch das Fazit von Gaia ist positiv: Das junge Unternehmen kann seine Expertise in einen neuen Bereich übertragen und dank der Größe von Continental sogar weltweit einsetzen.

Frankfurt Forward

Frankfurt Forward heißt diese Initiative am Frankfurter Innovationszentrum für Biotechnologie, die ausgewählte Startups und etablierte Industriekonzerne aus der Region Rhein-Main zusammenbringt und vom Frankfurter Stadtrat Markus Frank unterstützt wird. Neun branchenübergreifende Matchings hat Jakob initiiert. Wegen des positiven Feedbacks wird nun über eine Verlängerung des Projektes nachgedacht. „Der Bedarf in der Industrie ist da“, sagt Jakob. „Das ist eine moderne Form der Wirtschaftsförderung.“ Förderung braucht die Frankfurter Startup-Szene noch.

Zu einem florierenden Ökosystem, in dem neue Firmen wachsen können, gehören risikobereite Gründer, ebenso risikobereite wie finanzkräftige Investoren, aber auch Tech- und Industrieunternehmen, die sowohl Kunden und Partner als auch mögliche Käufer bei einem späteren Exit sein können. Wichtig für so ein Ökosystem sind darüber hinaus erfahrene Gründer, die alle Entwicklungsstadien eines Startups bereits durchlaufen haben und das Gelernte weitergeben können, sowie eine enge Vernetzung der Beteiligten untereinander.

Das Rhein-Main-Gebiet hat eine starke Industrie. Und obwohl Frankfurt Finanzmetropole ist, liegt die Region bei den Finanzierungen von jungen Digitalunternehmen weit zurück. Das EY Start-up-Barometer weist für das erste Halbjahr 2016 Risikokapitalinvestitionen in Höhe von 520 Millionen Euro für Berlin aus, für ganz Hessen sind es nur 32 Millionen Euro. Darüber hinaus verfügt die Region über eine hervorragende Infrastruktur und sehr gute Hochschulen. „Was in Frankfurt fehlt, ist die Startup-Affinität“, sagt Andreas Lukic, Vorsitzender der Business Angels Frankfurt Rhein-Main, der mit mehr als 150 Mitgliedern der größte Business-Angels-Club Deutschlands ist. „Es fehlt auch an passender, komplementärer Zusammenarbeit. Es gibt zwar viele Initiativen, aber es geht immer noch zu wenig zusammen.“

Hinzu kommt: Frankfurt geht es zu gut. Die Stadt wächst, und die Arbeitslosigkeit sinkt, zuletzt auf 6,1 Prozent (November 2016). Zum Vergleich: In Berlin sind es 9,2 Prozent. In der Hauptstadt fehlen überdies die Zentralen der großen Unternehmen, im Gegensatz zur Rhein-Main-Region hat dort kein einziger Dax-Konzern seinen Sitz. Dafür gibt es genug Raum, wo sich kreative und innovative Gründer ausbreiten können. Das macht Berlin hochattraktiv für Talente aus der ganzen Welt. Darum gründen die Dax-Konzerne fast alle Labs und Acceleratoren in Berlin, um sich mit der Startup-Welt zu vernetzen.

Frankfurt ist prädestiniert, die neue Fintech-Metropole, zumindest von Deutschland, zu werden. Fintechs sind Startups, die die Digitalisierung der Finanzwelt vorantreiben. Auch dabei liegt Frankfurt hinter Berlin und Hamburg, hat jedoch ein herausragendes Unternehmen vorzuweisen: die Devisenhandelsplattform 360T, die 2015 für 725 Millionen Euro von der Deutschen Börse übernommen wurde. Zuletzt beteiligte sich die Deutsche Börse über ihren Venture-Fonds auch an dem Banking-Service-Provider Figo aus Hamburg. Und sie wird – nach langem Zögern – im März 2017 ein neues Börsensegment einrichten, das kleinen Firmen, auch Startups, den Zugang zu Wachstumskapital erleichtern soll.

Es bewegt sich etwas in der Finanzmetropole. Mit dem neuen Techquartier wurde auch ein Ort geschaffen, wo Fintechs mit der Industrie zusammenkommen können. Die Voraussetzungen sind vielversprechend: Immerhin sind fast alle großen Bankhäuser der Region engagiert.