„Wir konnten unseren Umsatz von 2015 bis 2016 vervierfachen“

24/05/2017
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Oliver, was tut Ihr bei Lumenaza?

Oliver Philipp March: Wir nehmen drei Rollen ein: Wir managen Energieflüsse aus erneuerbaren Energien über unsere Software, wir treten als Direktvermarkter von kleinen Produktionsanlagen auf und wir können auch Stromlieferant sein. Am Anfang haben wir uns darauf fokussiert, Regionalstrom als Produkt abzubilden und an den Kunden zu liefern. Mittlerweile haben wir uns weiterentwickelt und bieten über unsere Plattform fast alle Funktionalitäten des Energiemarktes modular an. Für den Energiemarkt wird eine intelligente Steuerung, wie wir sie bieten können, immer wichtiger.

Wie funktioniert Regionalstrom?

Oliver Philipp March: Es gibt eine Art Marktplatz. Darauf sind Erzeugungsanlagen. Die können der Stadt gehören, aber auch Privatpersonen oder Unternehmen. Man kann sich die Anlagen auf dem Marktplatz anschauen. Wo sind sie, wie viel Strom erzeugen sie, wer sind die Produzenten. Die Summe dieser Anlagen speist den Strom für ein Regionalstromprodukt. Jeder Produzent aus der Region kann seine Anlage zu diesem Pool hinzufügen und Kunden können den Strom aus diesem Pool dann kaufen.

Wie sieht das konkret aus?

Oliver Philipp March: Wir haben zum Beispiel das Projekt Fichtelgebirgsstrom: 55 Prozent des Bedarfs werden in der Region produziert, aber die Bürger konnten nicht darauf zugreifen. Unsere Software bietet dem Stadtwerk Wunsiedel die Möglichkeit, ein regionales Stromprodukt aufzulegen und diesen Strom wirklich seinen Kunden zur Verfügung zu stellen. In diesem Projekt sind wir nur der Softwaredienstleister. Wir stellen den Marktplatz zur Verfügung. Wir interagieren mit den Anlagen. Wir kaufen den Strom von den Produzenten ein und fungieren für sie als Direktvermarkter. Wir bilanzieren den Strom in einem eigenen Bilanzkreis. Das Stadtwerk ist der Lieferant und macht die Abrechnung.

Wie verdient Ihr Geld?

Oliver Philipp March:Wir haben ein SaaS-Modell. Unsere Kunden zahlen eine Gebühr pro Endkunde und Strommenge. Wir nehmen auch eine Gebühr, um unser System auf das jeweilige Projekt anzupassen. Bisher laufen bei uns zwölf Projekte, und wir konnten unseren Umsatz von 2015 bis 2016 vervierfachen.

Die Lumenaza-Software-Plattform ermöglicht es, alle Teilnehmer der neuen Energiewelt zu verbinden und intelligent zu steuern. (Quelle: Lumenaza)

Wer sind Eure Kunden?

Oliver Philipp March: Wir bedienen Organisationen, die regionale Stromprodukte anbieten wollen. Zum Beispiel Energieversorger wie Stadtwerke oder Energiegenossenschaften, die in erneuerbare Energien investiert haben und ihren Genossen die Möglichkeit bieten wollen, diesen Strom auch zu konsumieren. Auf der anderen Seite bedienen wir auch die Produzenten, indem wir ihren Strom für sie vermarkten.

Warum ist so etwas wie Regionalstrom überhaupt sinnvoll?

Oliver Philipp March: Die Regionen werden autarker, weil die Wertschöpfung dort bleibt. Lange konnten die Leute gar nicht auf den Strom zugreifen, der in ihrer Nähe produziert wurde. Das ist jetzt anders. Die Stadtwerke können mit Regionalstrom neue Kundengruppen ansprechen und ein größeres Gebiet erschließen. Es gibt eine Nachfrage nach regionalen Produkten, und die Stadtwerke können diese Nachfrage mit Regionalstrom bedienen und ihre Kunden aktiv in die Energiewende einbeziehen.

Beziehen die Kunden ihren Strom dann tatsächlich nur von Euren Produzenten?

Oliver Philipp March: Rein physikalisch ist der Strom aus der Steckdose Graustrom, also eine Mischung aus allem. Da wir aber den Strom direkt von den Erzeugern beziehen und in einem Bilanzkreis zusammen mit den Verbrauchern bilanzieren, können wir davon ausgehen, dass der lokal erzeugte Strom lokal verbraucht wird.

„Umso ausgeglichener ein Portfolio ist – Windkraft, Biogas, Photovoltaik, Wasserkraft –, desto leichter kann man ausgleichen“

Wie funktioniert das Bilanzkreismanagement?

Oliver Philipp March: Wir bilden einen eigenen Bilanzkreis und managen ihn. Ein Bilanzkreis ist wie ein Konto, auf dem man Produktion und Verbrauch managen muss. Wenn man fluktuierende erneuerbare Energien in einem Bilanzkreis hat, ist die Herausforderung, Überschüsse und zu wenig Energie auszugleichen. Dazu ist eine intelligente Software nötig. Wir gleichen entweder zwischen unseren Bilanzkreisen aus oder kaufen Grünstrom vom Markt zu. Das ist wirklich eine anspruchsvolle Management-Aufgabe. Umso ausgeglichener ein Portfolio ist – Windkraft, Biogas, Photovoltaik, Wasserkraft –, desto leichter kann man ausgleichen.

Die erneuerbaren Energien liefern nicht zuverlässig die immer gleiche Menge an Strom und belasten so die Netze stark. Wie weit kann der Anteil an grünem Strom noch wachsen?

Oliver Philipp March: Aktuell decken wir in Deutschland mehr als 30 Prozent unseres Energiebedarfs mit erneuerbaren Energien. Da gibt es auf jeden Fall noch deutlich Spielraum nach oben – vorausgesetzt mit dem Anteil der Erneuerbaren steigt auch die Intelligenz im Netz. Je größer die Anteile werden, desto größer werden auch die Herausforderungen an die Steuerung. Wir bei Lumanaza lernen und verbessern uns mit jedem Projekt, weil wir immer wieder vor neuen Anforderungen stehen. Mit den Anforderungen wachsen also die Fähigkeiten der Steuerung.

Das Gespräch führte Anna-Lena Kümpel.

[td_block_text_with_title custom_title=”LUMENAZA”]GRÜNDUNG: 2013
GRÜNDER: Bernhard Böhmer, Christian Chudoba, Oliver Philipp March
MITARBEITER: 18
STANDORT: Berlin
SERVICE: Eine Software-Plattform, die alle Teilnehmer der neuen Energiewelt vernetzt.
lumenaza.de