Jobspotting werkelt am neuen Beschäftigungswunder

19/11/2014
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Jobspotting im Interview

Wie ist die Entstehungsgeschichte von Jobspotting?

Hessam Lavi: Ich bin einer der Gründer von Jobspotting und lebe seit 5 Jahren in Berlin. Geboren bin ich im Iran, aufgewachsen in Schweden und dann, nach der Universität, nach Dublin gezogen, wo ich meinen ersten Job bei Google gefunden hatte. Seit 2009 bin ich in Berlin, wo ich dann eine Webseite gegründet habe, die sich BerlinStartupJobs nennt. Die Idee dazu kam mir, weil mich immer wieder Freunde gefragt hatten, wo man in Berlin am besten Arbeiten könnte. Also habe ich die Seite innerhalb eines Wochenendes programmiert. Die Seite ist inzwischen sehr populär. Und so habe ich nach und nach realisiert, dass ich vielen Leuten geholfen habe, ihr Leben zu verändern. Zeitgleich habe ich auch realisiert, wie sehr es uns belastet, wenn wir nicht mit unserem Job zufrieden sind.

Und umgekehrt: Wie sehr sich alles für Dich ändert, wenn Du glücklich bist, mit dem, was Du tust. Und so habe ich die ganze Zeit darüber nachgedacht, etwas Neues und Großes zu machen. Das war zu einer Zeit in der auch (meine Mitgründer) Jan und Manuel überlegt hatten, etwas Neues zu machen. Wir kannten wir uns bereits von Google. Als ich Ihnen von der Idee erzählte, haben sie Google verlassen und sind nach Berlin gezogen. Das war der Start von Jobspotting- die Idee wurde geboren im Juni / Juli 2013. Wir haben dann die Firma im Oktober 2013 gegründet und sind (im 2nd Batch) bei Axel Springer Plug and Play eingestiegen. Hier haben wir auch Robin kennengelernt, der AS PnP organisiert. Er hat uns von Anfang an mit Mentoring, mit Kontakten und beim Fundraising unterstützt. Unser nächster Schritt ist es, im November mit der Betaversion online zu gehen.

Robin, Du hattest mir vor 9 Monaten schon von Jobspotting vorgeschwärmt. Wieso warst (und bist) Du so überzeugt?

Robin Haak: In meinen Gesprächen mit dem Team habe ich schnell gemerkt, wie viel Kompetenz im Team steckt und wie spannend das Thema ist: Daten, Machine-Learning, Graphs usw. – das sind alles Themen, die mir immer schon Freude bereitet haben. Und ich kenne ja den Classifieds-Bereich noch von Axel Springer. Sie sind der größte Umsatzträger Axel Springers. Doch aus meiner Sicht ist dieser hochfragmentierte Markt – gemessen an den technologischen Möglichkeiten, die wir heute haben – nicht da, wo andere Portale heute sind. Und Jobspotting hat die Vision, etwas zu schaffen, das man es wirklich braucht. Sich einfach anzumelden und dann relevante, personalisierte Jobangebote angezeigt zu bekommen.

Ist Jobspotting mit seinen Vorschlägen also das Gegenteil von Google, wo man ja aktiv eintippen muss, was man sucht?

Hessam Lavi: Wenn Du Dir mal anschaust, welche täglichen Informationen Du bekommst, dann funktioniert das meiste davon bereits auf Basis von Vorschlägen. Für Restaurantvorschläge nutzt Du Foursquare, Facebook aggregiert News und Content und bringt Dir die Informationen, die für Dich am relevantesten sind. Das Gleiche gilt dank Spotify oder iTunes Genius für Musik. Der „Gelbe Seiten-Ansatz“ ist einfach zu viel Arbeit. Also warum gibt es das nicht für Jobs? Wir sehen in diesem Markt das Potenzial, mit neuen Technologien einen echten Mehrwert liefern können.

Man soll sagen können: „Das bin ich und dies sind meine Fähigkeiten und Interessen“. Und das System soll den Rest machen. Wir möchten etwas bauen, das Menschen unterstützt, wenn sie planen und wenn sie über Ihr Arbeitsleben sinnieren. Etwas, das sie inspiriert. Schließlich wollen wir alle glücklich sein. Und unsere Ambition ist es, das Tool dafür zu bauen. Eines, das den Nutzer versteht und weiß, wonach er sucht. Ein Tool, das Menschen regelmäßig benutzen wollen, und zwar nicht nur, wenn sie nach einem Job suchen.

Seid Ihr dann eher eine Meta-Suchmaschine oder ein zusätzliches Layer? Ihr nutzt ja existierende Informationen, aggregiert und interpretiert diese. Was ist der s.g. „Skillgraph“.

Hessam Lavi: Wir nutzen viele Daten, die es bereits gibt: z.B. Job-Daten, Firmendaten, „Location-based“-Daten, Gehälter, Transport usw. Wir versuchen, all diese Daten sinnvoll zu interpretieren. So kann man sagen, dass wir als Aggregator starten und unsere eigene Klassifizierung hinzufügen, um zu verstehen, worum es bei der jeweiligen Anzeige geht. Abschließend nutzen wir dann unseren Skillgraph und versuchen dann, einen guten „Match“ zum Nutzer herzustellen.

Wie sehen Euch die etablierten Unternehmen wie Jobscout und Stepstone ? Wäre es falsch zu sagen, dass diese sich gerade ihren eigene Konkurrenten heranzüchten?

Hessam Lavi: Schaut man sich andere Bereiche an, z.B. Plattformen wie Flipboard oder Apps wie Spotify, so ersetzen diese nicht Musik, sondern bieten eine neue Methode, Musik zu konsumieren. Und genauso ist es nicht unsere Absicht, andere Jobboards zu ersetzen. Wäre dies unser Ziel, müssten wir ja den gesamten Content neu erstellen, den die etablierten Plattformen bereits haben. Wir schauen stattdessen lieber auf den Nutzer und überlegen, wie die optimale Plattform zur Jobsuche aussehen könnte, wenn man auf Jobsuche ist.

Robin Haak: Es gibt ja bereits bestehende Aggregatoren, z.B. Indeed oder Adzuna - beides Milliardenunternehmen - die auch mit anderen großen Publishern zusammenarbeiten und diesen relevanten Traffic liefern. Wir gliedern uns also in einem Bereich einer existierenden Wertschöpfungskette an, wo wir für z.B. Monster oder Stepstone einen Mehrwert bieten, indem wir ihnen relevanten Traffic bieten.


„Anhand der Art und der Patterns, wie Hitfox sein Recruiting macht, können wir ziemlich genau vorhersagen, wohin sich Hitfox bewegen wird.“


Könnte man sich auch eine Zukunft vorstellen, bei der Ihr Unternehmen sogar aufzeigt, welche Zusammenstellung ihr Team haben sollte? Ihr könntet ja die Organigramme und Konstellationen erfolgreicher Unternehmen auswerten und als Blaupausen heranziehen.

Hessam Lavi: Unternehmen ab einer gewissen Größe beauftragen normalerweise einen Recruiter. Und dieser Recruiter versteht ja fast nie, was Dein Unternehmen macht und braucht. Er bekommt ein Briefing, z.B. „wir brauchen einen Java-Developer“. Doch damit der Recruiter seinen Job richtig gut machen kann, muss er oder sie verstehen, was einen guten Java-Developer ausmacht. Und meistens verfügen diese Recruiter dann nicht über die richtigen Tools. Und solassen sie viele Leute links liegen, die eigentlich sehr gut passen könnten. Nur weil sie nicht die richtigen Keywords oder exakten Begriffe in ihren Profilen haben, nach denen in der Job-Description gesucht wird. Da können wir ansetzen.

Und auch umgekehrt Nutzer inspirieren, sich mit Firmen auseinanderzusetzen, an die sie ohne unsere Hilfe nicht gedacht hätten. Aber noch viel mehr: Der Nutzer soll in der Lage sein, die Strukturen einer Firma zu verstehen, indem er sich die von uns bereitgestellten Daten anschaut. Nehmen wir irgendeine Firma, z.B. Hitfox: Anhand der Art und der Patterns wie Hitfox sein Recruiting macht, können wir ziemlich genau vorhersagen, wohin sich Hitfox bewegen wird. Ein Nutzer, der heute auf die Webseite von Hitfox geht, sieht dort unter Umständen nur fünf aktuelle Ausschreibungen.

Aber vielleicht will ich wissen, welche Ausschreibungen das Unternehmen in den vergangenen 6 Monaten vorgenommen hat. Wenn Hitfox z.B. immer wieder die gleichen Leute suchen, bedeutet das eventuell, dass viele Leute das Unternehmen verlassen. Oder man erkennt anhand der Bereiche, in denen sie rekrutieren, in welche Richtung das Unternehmen steuert und welche Ambitionen es verfolgt. Oder nimm das Beispiel SoundCloud, die ja sowas sind wie der Liebling der Szene. Frag mal jemanden, ob er eine Ahnung hat, was Leute bei SoundCloud konkret tun? Diese Frage zu beantworten, ist nicht leicht, solange man niemanden kennt, der dort arbeitet.

Aber wir sind sicher: Wenn man die Jobangebote von SoundCloud für ein Jahr trackt, dann bekommt man ein ziemlich klares Bild. Aber auch andere Punkte sind interessant: Hat das Firmengebäude eine gute öffentliche Verkehrsanbindung? Normalerweise muss ein Jobsuchender mehrere Tabs parallel offen haben, z.B. Google Maps oder Wikipedia. Wir versuchen, diese Daten zu finden und sie aus User-Sicht zu bewerten. Die Daten sind da, sie müssen größtenteils nur in den richtigen Kontext gebracht werden.

Bei Euch müssen doch die Investoren Schlange stehen. Was ist aus Eurer Sicht die beste Zeit, um mit Investoren zu sprechen? Ist Eure Strategie, zuerst etwas zu bauen und dann in einer Position zu sein, in der man sich die Investoren aussuchen kann?

Robin Haak: Ich finde es unfassbar angenehm, Mitgründer zu haben, die in den Dreißigern sind und effizient und strukturiert arbeiten. Ich glaube, wir haben alle die Vision, als Team gemeinsam eine tolle Unternehmenskultur zu schaffen. Ich habe mir ja zuvor einige Tausend Firmen angeschaut und könnte Dir anhand des Dealflows wahrscheinlich sagen, wie Du idealerweise vorgehen solltest. Bezogen auf uns würde ich gerne ausreichende Finanzmittel haben, um das, was wir machen möchten, zum richtigen Zeitpunkt machen zu können. Und natürlich ist es dann auch wichtig, den richtigen VC zu finden, der die Vision teilt und von Anfang bis Ende dahin begleitet, wo wir hinwollen.

Und wenn wir Geld aufnehmen, dann muss es zu dem Ergebnis führen, dass jemand, der unsere Plattform benutzt, sagt: „Geil, das habe ich schon immer gewollt“. Die monetären Mittel sind eigentlich zweitrangig. Manchmal ist es gut, ein bisschen mehr zu haben. Dann kannst Du ein bisschen mehr damit machen. Derzeit haben wir genug, um einigermaßen komfortabel zu arbeiten. Und zu viel Geld kreiert auch viele Probleme. Ich habe in einigen Startups gearbeitet und weiß, was passieren kann, wenn zu viel Geld da ist. Du verlierst den Fokus. Du vergisst vielleicht sogar, warum du das Ganze machst. Und auch für das Team ist es wichtig, dass sie wissen, warum sie das machen und das wir gemeinsam in dem Boot sitzen. Das schweißt Dich zusammen.

Wenn ihr die Augen schließt und ein bisschen träumt, wo seht ihr Euch in 3-5 Jahren?

Hessam Lavi: Wir denken eher in 6-Monatsschritten. Aber der nächste Schritt ist es, in andere Länder zu gehen. Auch die ganze Infrastruktur und die ganzen Daten sind sehr adaptierbar auf neue Sprachen. Wir sehen uns also in so vielen Ländern wie möglich. Also überall dort, wo der Markt offen ist für Produkte wie unseres. Und dass so viele Menschen wie möglich bei uns nach ihrem Job suchen und glücklich damit werden, was sie finden. Amazon hatte mal verkündet, dass ihre Vision ist, dass – wann immer Du etwas kaufen möchtest – Du dies bei Amazon tust. Und wenn sie es nicht haben, dann zeigen sie Dir, wo Du es kaufen kannst. Das ist, denke ich, ein guter Weg.

Und so würde ich Jobspotting gerne als den logischen ersten Schritt für jeden sehen, der sich Gedanken um seine berufliche Zukunft macht.Kurzprofil Jobspotting


Jobspotting wurde von drei ehemaligen Google-Mitarbeitern gegründet und will Jobsuchenden datenbasiert die bestmöglichen Vorschläge für ihre berufliche Zukunft liefern. Die Betaversion geht in Kürze online.

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