Franziska Anders von iPotentials - „Zeitsouveränität ist das neue Statussymbol“

20/07/2016
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Großes Interview mit Recruting Spezialist Franziska Anders von dem Berliner Personaldienstleister iPotentials. Sie gibt zahlreiche Tipps für hochqualifizierte Jobsuchende. iPotentials ist ein etabliertes Bindeglied zwischen Startups und Jobsuchenden.

Franziska, wie findet ein High Potential am besten einen neuen Arbeitgeber?

Franziska Anders: Ein High Potential muss keinen Job suchen, sondern er wird gefunden.

Ipotentials hat einen guten Überblick. Wer hat im Moment die beste Auswahl?

Franziska Anders: Man kann sagen, dass über alle Positionen hinweg analytische Profile gesucht werden, also Leute, die wirklich mit Zahlen umgehen können und Muster erkennen. Ob Online-Marketeer, Finance oder Business Intelligence Manager: eigentlich alle, die auf datengetriebenen Positionen sitzen. Sie können helfen, ein Business noch besser zu machen. Gleichzeitig sind auch Sales-Leute gefragt und natürlich Führungsköpfe, die digitale Strategien umsetzen können.

Wie kommt zum Beispiel ein Business Intelligence Manager an interessante Jobangebote?

Franziska Anders: Das ist die Krux bei der Geschichte. Der Kandidatenmarkt ist relativ spitz, es gibt nur wenige gut ausgebildete Business Intelligence Manager, weil es ein neuer Themenbereich ist. Startups haben aber meist nicht so viel Geld für Marketing oder Job-Portale. An erster Stelle informiert man sich als Kandidat also über sein Netzwerk. Weitere Informationsquellen sind Stellenausschreibungen und Medienberichte über Finanzierungen zum Beispiel. Wie man herausfindet, ob es das richtige Unternehmen für einen ist, ist nochmal eine ganz andere Sache. Das findest du nur heraus, wenn du Gespräche mit den Leuten führst. Das kann auf keinem DIN-A4-Blatt dargestellt werden.

„Man ist nicht mehr bereit, für Geld alles hinzunehmen“, sagt Franziska Anders. Foto: Max Threlfall

Wie viele Gespräche sollte man führen?

Franziska Anders: Das Prinzip ‚weniger ist mehr‘ passt hier nicht. Sondern jedes zusätzliche Gespräch hilft dir selbst herauszufinden, was du willst und was du brauchst.

Ist es schlau, sich erst einmal irgendwo zu bewerben, wo man nicht hin will, um zu wissen, wie das abläuft?

Franziska Anders: Auf keinen Fall. Du kannst aber trotzdem in deinem Netzwerk Gespräche führen, um ein bisschen mehr über dich selbst herauszufinden. Das ist Schritt eins: reflektieren, was kann ich und was kann ich nicht. Meine Erfahrung ist, dass 70 bis 80 Prozent der Leute, egal welchen Alters, noch nicht verstanden haben, was sie können und was sie nicht können und welches Umfeld sie brauchen, um Spaß bei der Arbeit zu haben. Passt ein Großraum oder brauche ich ein Einzelbüro? Bin ich jemand, der von einer Excel-Tabelle glücklich wird, oder raubt mir das den letzten Nerv?

Blick aus dem Büro. Foto: Max Threlfall

Wie findet man das heraus?

Franziska Anders: Man kann sich Hilfe holen bei Externen, beispielsweise eigenen Bekannten, Karrierecoaches oder auch beim Headhunter. Reflexion geht oft leichter über ein Gespräch, bei dem die richtigen Fragen gestellt werden. Wir sind ja auch nicht nur da, um Positionen zu besetzen, sondern auch, um Kandidaten zu beraten, wo sie wohl hin passen.

Was ist der nächste Schritt?

Franziska Anders: Wenn du weißt, was du willst, guckst du natürlich, in welchem Konstrukt du das findest. Wer Spaß hat am Aufbau oder daran, Struktur und Prozesse ins Chaos zu bringen, ist in einem Startup oder Wachstumsunternehmen gut aufgehoben. Oder willst du eher geordnete Strukturen und mehr Sicherheit? Jeder Mensch hat andere Motivatoren, die ihn dazu bewegen, morgens aufzustehen. Diese sollte man beleuchten, um zu wissen, ob es eher ein größeres Startup sein soll, wo schon ein bisschen mehr Struktur da ist, oder ob man doch lieber in einen Konzern eintritt, wo alles gesetzt ist und man sich in seiner Rolle spezialisiert. Du musst auch überlegen, wie du am liebsten arbeitest: Brauchst du ständig Input, um dich selbst zu challengen? Das bekommst du in einem Startup oft nicht, weil einfach keine Zeit dafür ist. Dort musst du weitestgehend eigenverantwortlich arbeiten und unternehmerisch denken können – nicht jeder will und kann das. Wenn du also nach einem Mentor suchst, der dich anleitet, führt und begleitet, wirst du denjenigen seltener im Startup finden, auch wenn dort unglaublich viele starke Leute sind, von denen man lernen kann.[clickToTweet tweet=”„Man ist nicht mehr bereit, für Geld alles hinzunehmen.“ Franziska Anders, i-Potentials” quote=”„Man ist nicht mehr bereit, für Geld alles hinzunehmen.“ Franziska Anders, i-Potentials”]

Wenn der Kandidat weiß, was er will, sollte er sich dann initiativ bei dem Unternehmen seiner Wahl bewerben?

Franziska Anders: Ich würde immer den unkonventionellen Weg gehen, also nicht einfach stumpf eine Bewerbung schicken. Als erstes würde ich immer versuchen herauszufinden, wer meine gewünschte Position betreut. Mit wem werde ich zusammenarbeiten? Ich kann mich darüber in sozialen Medien informieren. Ich würde mir auch ein Bild machen vom Unternehmen. Wenn ich den entsprechenden Ansprechpartner nicht recherchieren kann, würde ich einfach anrufen und fragen.

Wenn die Stelle und das Unternehmen ausgesucht sind, wie geht es dann weiter?

Franziska Anders: Ganz klassisch mit einer Bewerbung oder Kontaktaufnahme und danach mit dem Interview, da hat sich nicht viel geändert. Du musst eine Antwort auf die Frage haben, warum du genau in dem Unternehmen arbeiten willst. Das musst du plausibel darstellen können. Es ist auch wichtig, die Aufgabe zu reflektieren, die du übernehmen willst. Über die Fragen, die in so einem Interview gestellt werden, kann man sich heutzutage viel Input aus dem Internet holen.

Man darf sich als Kandidat auch nicht scheuen, Fragen, die man selbst hat, anzusprechen. Das Thema flexible Arbeitszeiten zum Beispiel oder Homeoffice. Man sollte  bei seinen Vorstellungen transparent sein, um bei dem Gespräch auch ausloten zu können, ob diese Vorstellungen erfüllt werden. Ziel muss es sein festzustellen, ob Kandidat und Unternehmen überhaupt von der Denkweise und Arbeitsweise zusammenpassen. Als Kandidat sollte man auch einen Fahrplan von dem Unternehmen einfordern: Was passiert im zweiten und dritten Schritt, und wie lange wird dieser Prozess dauern? Bei iPotentials wissen wir: Wenn der Kandidat zehn Gespräche durchlaufen muss, kann er daraus sehr viel ablesen.

Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen, wenn er zehn Gespräche führen muss?

Franziska Anders: Das kommt darauf an. Wenn man wirklich zehn Bewerbungsgespräche führen muss, würde ich natürlich erst mal gucken mit wem. Oft hast du die Personalabteilung, die eine Vorauswahl macht, dann gibt’s die fachlich Verantwortlichen und dann die Geschäftsleitung. Diese drei sind ganz normal. Den Bewerbern würde ich immer dazu raten, auch das Team kennenzulernen, nicht nur den Chef.

Kann ein Kandidat Wünsche äußern?

Franziska Anders: Früher war es so: Ich bewerbe mich bei einem Unternehmen, und das Unternehmen hat gefühlt die Übermacht. Das hat sich aber gedreht. Heute passiert das eher auf Augenhöhe. Es überzeugt einen Bewerber auch, wenn alles transparent auf den Tisch gelegt wird. In keinem Unternehmen ist alles gut, man muss aber offen damit umgehen. Dann weiß der Kandidat, worauf er sich einlässt und es gibt keine bösen Überraschungen nach ein paar Wochen.

„Über alle Positionen hinweg werden analytische Profile gesucht“, sagt Franziska Anders. Foto: Max Threlfall

Hat es aus Kandidatensicht Sinn, ein bisschen zu schummeln, um den Traumjob zu bekommen?

Franziska Anders: Nein, weil ein guter Recruiter das herausfindet beziehungsweise du später keinen Spaß an deinem Job hast, wenn du wegen etwas genommen wirst, das du gar nicht bist. Es macht also aus reinem Eigeninteresse keinen Sinn zu mogeln. Es funktioniert vielleicht an der einen oder anderen Stelle kurzfristig, aber das geht auf keinen Fall gut, sobald du im Job bist.

Welche Rolle spielt das Netzwerk?

Franziska Anders: Dein Netzwerk, das sind immer Kontakte, die dir helfen und nicht schaden. Und es gilt auch die Regel: Die guten Leute kennen die guten Leute. Das heißt, wenn du Vertrauen zu jemandem gefasst hast und er empfiehlt dir jemanden, dann stellst du den viel eher ein als jemanden, der sich initial bewirbt.

Wenn der Bewerbungsprozess durchlaufen ist, sollte man sich noch so etwas wie eine zweite Meinung einholen, also ein anderes Unternehmen testen?

Franziska Anders: Als Kandidat willst du dir wahrscheinlich immer mehrere Optionen anschauen.

Aber wenn du bei dem Unternehmen oder dem Team oder der Aufgabe schon ein gutes Gefühl hast, dann brauchst du keine zweite Meinung. Wozu?

Wenn Geld nicht an erster Stelle steht, womit kann ich Bewerber noch locken?

Franziska Anders: Nach Dienstwagen fragt in der Startup-Szene niemand mehr, eher nach einem Fahrrad. Zeitsouveränität ist das neue Statussymbol. Mitarbeiter möchten weitestgehend selbstständig darüber entscheiden, wann und wo sie arbeiten, und nach Ergebnissen, nicht nach Präsenz gemessen werden. Arbeitszeit ist Lebenszeit, darum muss ich mich da wohlfühlen und meine Fußspuren hinterlassen können. Das hat viel mehr Relevanz als die Frage, ob ich anderswo 10.000 Euro mehr verdienen kann. Das bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass Geld nicht wichtig ist – man ist nur nicht mehr bereit, für Geld alles hinzunehmen.

Gibt iPotentials den Kandidaten Ratschläge für die Gehaltsverhandlung oder verhandelt Ihr für die Bewerber?

Franziska Anders: Wenn wir Kandidaten interviewen, checken wir natürlich Gehaltserwartungen und prüfen, ob das zu dem Mandanten passt, also zum Rollenprofil und dem Paket, das der Kunde offerieren kann – das ist eine unserer Grundaufgaben. Grundsätzlich beeinflussen wir aber die Gehaltserwartungen nicht, sondern helfen bei den Verhandlungen, um ein Ergebnis zu bekommen, das für beide Seiten sinnvoll ist. Das Spektrum für Verhandlungen ist relativ breit geworden: Fixsummen plus Bonus plus Anteile.

Und wie läuft das dann?

Franziska Anders: Ein Fallbeispiel: Verdient einer viel zu viel, dann fragen wir bei iPotentials natürlich, was ihm wichtig ist. Sagt er, es ist die Aufgabe, die Spaß machen muss, dann frage ich nach der Schmerzgrenze. Und ich erkläre, was das Unternehmen zusätzlich bieten kann, was es on top gibt. Dann informiere ich den Auftraggeber. Wir sind die Mittelsmänner, und das ist das Schöne: Ich kann mir immer ganz neutral die Meinung vom Kandidaten als auch vom Unternehmen holen und kann dann versuchen, die Brücke zu schlagen. Wenn ich merke, dass es nicht zusammengeht, ist es meine Aufgabe als Beraterin, den Kandidaten nicht weiterzulassen oder dem Auftraggeber zu sagen, dass am Markt ein anderes Gehaltsniveau herrscht.

Werden Startups oft von Corporates ausgestochen, weil sie mehr zahlen können, oder können Startups ihr Paket durch andere Komponenten so schön machen, dass der Kandidat sich für sie entscheidet?

Franziska Anders: Da muss man unterscheiden: Early Stages können keine immens hohen Gehälter auszahlen. Die gut finanzierten Startups mit Investoren-Backing zahlen oftmals sogar höhere Gehälter als Corporates. Grundsätzlich hat auch hier ein Wandel stattgefunden. Wenn jemand aus einer Corporate-Welt kommt und merkt, dass er viel mehr eigenverantwortlich arbeiten und viel mehr Gestaltungsspielraum haben will, und den hat man in Startups, dann nimmt er auch weniger Gehalt in Kauf. Das Gehalt ist nicht mehr das A und O, es ist kein Statussymbol mehr.

Rezeption im Empfangsbereich. Foto: Max Threlfall

Wie weit in die Zukunft sollte man als High Potential planen?

Franziska Anders: Grundsätzlich würde ich jedem raten, einmal eine Vorstellung zu entwickeln, wo es hingehen soll im Leben. Was möchtest du mal erreichen? Eine Familie gründen, im Ausland arbeiten, möchtest du ein Unternehmen aufbauen oder ein großes Team führen? Eine grobe Idee vom Leben beziehungsweise ein inneres Bild davon, wo man mit circa 55 stehen will, sollte man schon haben. Über einen Anschlussplan würde ich eher nicht grübeln, denn normalerweise wächst man ja mit dem Unternehmen mit. Und das sollten Unternehmen auch hinbekommen: Sie holen junge Leute rein – auf Junior oder mittleren Positionen –, bilden sie aus und sollten sie dann idealerweise auch halten können. Das geht auch über die persönliche Weiterentwicklung.

Wenn sich ein Kandidat bei iPotentials beraten lässt, was kostet das?

Franziska Anders: Gar nichts, wir nehmen kein Geld von unseren Kandidaten. Wenn Kunden uns den Auftrag geben, eine Position zu besetzen, dann fahren wir hier einen Recruiting-Prozess, der natürlich etwas kostet. Aber als Kandidat, egal ob ich ihn anspreche oder er sich initiativ bei uns meldet, zahlt man nichts.

Und was zahlen die Unternehmen an iPotentials?

Franziska Anders: Das kommt auf die Position an. Wir nehmen einen Prozentsatz vom Zielgehalt.

Und wo liegen die Prozentsätze?

Franziska Anders: Das ist unterschiedlich. Du kannst aber davon ausgehen, dass iPotentials etwa ein Drittel des Zielgehalts veranschlagt.


Franziska Anders, Senior Consultant bei i-Potentials. Foto: Max Threlfall Franziska Anders, Senior Consultant bei i-Potentials. Foto: Max Threlfall

 Franziska Anders 
ist seit mehr als fünf Jahren Headhunterin. 2011 hat sie bei einer klassischen Personalberatung angefangen. Im Sommer 2013 kam sie zu i-Potentials, um hier mit der Geschäftsführung das Thema Executive Search aufzubauen. Die 31-Jährige ist Senior Consultant und direkte Ansprechpartnerin für die Kunden.


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Name: i-Potentials
Gründung: 2009
Gründerin: Constanze Buchheim
Mitarbeiter: 18
Standort: Berlin-Mitte
Service: i-Potentials ist eine Personalstrategieberatung für die Digitalwirtschaft und will die besten Köpfe mit den besten Jobs zusammenzubringen.

i-potentials.deDas Gespräch führte Corinna Visser. Dieser Artikel erschien zuerst in Berlin Valley 06/2016