Im Interview

Urban Sports Club-Mitgründer Benjamin Roth

29/01/2016
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Benjamin, viele nehmen sich Anfang des Jahres vor, gesünder zu leben und mehr Sport zu machen. Hast Du auch solche Vorsätze oder war das bei Dir nicht nötig?

BENJAMIN ROTH: Doch, das war auch bei mir nötig (lacht). Ich bin im Oktober das zweite Mal Vater geworden. Deswegen habe ich in den letzten Monaten nicht so viel Sport gemacht wie geplant. Jetzt nehme ich mir zwei Sporttermine die Woche vor – mit dem Wissen, dass durch die Kleinen immer mal wieder einer ausfällt.

Was ist Deine Sportart?

BENJAMIN ROTH: Hauptsächlich Fußball und Functional Training. Fußball ist auch der Nukleus, aus dem Urban Sports Club entstanden ist. Dabei kann ich mit anderen zusammen Spaß haben. Functional Training mache ich mit einem Personal Trainer für mich allein. Das ergänzt sich wunderbar.

Warum hast Du Sport zu Deinem Beruf gemacht?

BENJAMIN ROTH: Ich habe in der Beratung gearbeitet und in der Freizeit Fußballspiele für Freunde und Arbeitskollegen organisiert. Ich habe alle angerufen und gefragt, wann sie Lust haben, mal wieder zu spielen. Das Ganze war ein Wahnsinnsaufwand, und ich dachte, das muss doch auch einfacher gehen. 2009 habe ich dann mit einem Freund eine Onlineplattform entwickelt, bei sich jeder eintragen und Fußball spielen konnte, ohne in einem Verein zu sein oder ein Team zu haben.

Und wie seid Ihr dann auf Urban Sports Club gekommen?

BENJAMIN ROTH: Weil das erste Modell nicht so funktioniert hat, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir wollten die Plattform eigentlich an die Betreiber kommerzieller Fußballhallen abgeben, damit sie ihre Plätze besser vermarkten können. Das war 2009 noch ein bisschen früh. Die Hallenbesitzer wollten uns nicht glauben, dass sich Leute über das Internet organisieren. Und wir haben festgestellt, dass es sich nicht lohnt, so etwas allein für die Organisation von Fußballspielen aufzubauen.

Der Aufwand ist zu hoch?

BENJAMIN ROTH: Ja. Darum haben wir über Ergänzungen nachgedacht. Ich war damals parallel in einem Fitnessstudio, und so kam eins zum anderen. Wir dachten: Wäre es nicht super, eine Mitgliedschaft zu haben, in der wir alle unsere Sportarten unterbringen? Also haben Moritz und ich immer weiter an der Idee Urban Sports Club gefeilt, bis das Konzept stand.

Das ist ein großer Schritt vom Berater zum Gründer eines eigenen Unternehmens.

BENJAMIN ROTH: Das ist auf jeden Fall eine Herausforderung und kein Selbstläufer. Das heißt erst einmal mehrere Jahre kein Gehalt. Wir sind ja nicht gleich mit Investoren gestartet. Und es hat eine ganze Weile gedauert, bis wir zu einem Modell gekommen sind, das auch wirklich funktioniert. Das sieht auf dem Papier immer einfach aus, aber der Weg dahin war durchaus steinig.

Wie funktioniert das Modell?

BENJAMIN ROTH: Der Kern ist, Menschen dazu zu bewegen, mehr Sport zu treiben. Wir wollen aus dem Schweinehund einen Muskelkater machen. Das Modell hat drei Komponenten: Punkt eins ist Vielfalt. Wir bieten verschiedene Sportarten an, sodass ich, egal in welcher Gemütslage ich gerade bin, egal wie das Wetter draußen ist, immer das Richtige finde. Punkt zwei ist Flexibilität. Ob in der Nähe der Arbeit, bei der Wohnung oder bei Freunden um die Ecke: Ich habe überall die Möglichkeit, Sport zu machen. Das heißt, mein Schweinehund hat immer weniger Argumente, warum es nicht geht. Punkt drei ist die Motivation.

Motivation scheint mir das größte Problem zu sein.

BENJAMIN ROTH: Aus meiner Sicht sind dabei zwei Komponenten wichtig: Gamification und Community. Gamification bedeutet zum Beispiel Wettbewerbe. Wir starten im Februar eine Initiative, bei der wir unsere Mitglieder auffordern, fünf Monate lang viermal im Monat Sport zu machen, und wir begleiten sie auf dem Weg quasi zur Bikinifigur. Jeder kann sein eigenes Tempo gehen, welche Sportart ist ganz egal. Selbst wenn sich jemand in die Salzgrotte legt oder zur Massage geht, tut er etwas für seinen Körper.

Und was kann man gewinnen?

BENJAMIN ROTH: Wer dabei bleibt wird mit einem Goody-Paket belohnt. Und wir wollen natürlich auch bei Facebook darüber berichten: Wie viele Leute sind noch dabei, wie viele schaffen es? Das bringt uns zum Thema Community: Über unsere Seite kann man sich gegenseitig zum Sport einladen oder sehen, wann Leute, mit denen man vernetzt ist, zum nächsten Mal Sport machen.

Wie viele Mitglieder habt Ihr inzwischen?

BENJAMIN ROTH: Die genaue Zahl nennen wir nicht. Wir sind in einem guten vierstelligen Bereich.

Die letzte Zahl, die ich kenne, sind rund 2000 …

BENJAMIN ROTH: Das war die letzte Zahl, die wir kommuniziert haben. Glücklicherweise ist unser Wachstum im Moment recht rasant. Unsere monatliche Wachstumsrate liegt im zweistelligen Bereich.

Wie gewinnt Ihr neue Kunden?

BENJAMIN ROTH: Online-Marketing ist eine wesentliche Komponente. Aber unser wichtigster Kanal ist tatsächlich Mitglieder-werben-Mitglieder.

Fitnessstudios werden oft wegen ihrer Knebelverträge kritisiert. Bei Euch kann man monatlich kündigen. Welches Interesse haben die Studios, mit Euch zu kooperieren und die Kunden zu teilen?

BENJAMIN ROTH: Sie teilen ja nicht unbedingt die Kunden mit uns, weil wir neue Zielgruppen in die Fitnessstudios bringen. Unsere Partner beklagen keine Abwanderung, sondern es kommen im Gegenteil sehr viele Leute hinzu, die keine Lust haben, einen 24-Monats-Vertrag abzuschließen, sondern hin und wieder ins Fitnessstudio gehen wollen. Das zweite Thema sind Firmen. Das ist ein wichtiges Standbein für uns. Firmen, die den Sport ihrer Mitarbeiter fördern wollen, können bei uns aus einer Hand jedem Mitarbeiter etwas anbieten. Das kann kein Studio.

Und wie verdient Ihr Geld?

BENJAMIN ROTH: Wir bekommen monatlich die Beiträge unserer Mitglieder und verteilen diese Gelder auf die Anbieter, die jeweils genutzt werden. Das heißt, ein Mitglied entscheidet auch mit darüber, welcher Anbieter wie viel Geld bekommt. Insofern sind unsere Interessen hier gleich gerichtet. Wir übernehmen für die Studios den Verkauf von Mitgliedschaften und wir motivieren die Leute, mehr Sport zu machen.

Die Studios haben alle andere Preise. Welchen Anteil der zum Teil horrenden Gebühren müsst Ihr zahlen?

BENJAMIN ROTH: Wir haben unseren festen Beitrag, je nach Mitgliedschaft sind das 59 oder 99 Euro. Wenn ein Mitglied zehnmal im Monat zum Sport geht, zahlen wir zehnmal die Gebühr, die wir mit dem Studio vereinbart haben. Was von dem Mitgliedsbeitrag übrig ist, bleibt bei uns. Das ist von Mitglied zu Mitglied verschieden. Je nachdem, wie viel Sport es macht, bleibt mehr hängen oder auch nicht.

Können sich auch Startups Euer Angebot für Unternehmen leisten?

BENJAMIN ROTH: Tatsächlich nutzen das viele Startups. Man hat als Firma die Möglichkeit, die Mitgliedschaft für die Mitarbeiter komplett zu übernehmen oder nur zu bezuschussen. Insofern gibt es für jedes Budget eine Lösung. Da sind wir relativ flexibel.

Wollt Ihr eigene Studios betreiben?

BENJAMIN ROTH: Nein, das wollen wir auf keinen Fall! Wir wollen uns auf das Thema Motivation konzentrieren. Da liegt unsere Expertise. Das heißt, die größten Wettbewerber sind Unternehmen, die – ähnlich wie wir – eine Aggregation von verschiedensten Anbietern vornehmen.

Was ist mit Konzepten wie Freeletics?

BENJAMIN ROTH: Das ist ein spannender Trend, weil ich tatsächlich ohne Studio nur mit der App meinen Sport mache. Allerdings spricht man damit eine andere Gruppe von Leuten an. Ich mag den Gamification-Ansatz dabei, an so etwas denken wir ja auch. Ich glaube aber, dass das für viele Menschen als Motivation nicht ausreichend ist.

Was tut sich auf dem Markt?

BENJAMIN ROTH: Es war lange Zeit relativ ruhig, bis in den USA mit Classpass ein Unternehmen auf den Markt kam, das ein recht ähnliches Modell fährt wie Urban Sports Club, und sehr, sehr viel Geld eingesammelt hat – 84 Millionen Dollar in drei Runden. Das hat natürlich überall Aufmerksamkeit auf dieses Thema gelenkt, auch in Deutschland.

Kommt Classpass nach Deutschland, um Euch Konkurrenz zu machen?

BENJAMIN ROTH: Classpass sind zumindest in London. Kann sein, dass sie noch nach Deutschland kommen. Wir haben aber nichts dergleichen gehört. Es gibt noch einen zweiten Player aus Brasilien, Gympass, die werden sicher eher in Deutschland aktiv werden. Das gucken wir uns an. Wir haben einen Vorsprung von mehreren Jahren. Man muss schon relativ viel Geld in die Hand nehmen, um das wieder einzuholen. Deswegen bin ich auch einigermaßen entspannt.

Ist das ein mögliches Exit-Szenario, der Verkauf an einen internationalen Anbieter?

BENJAMIN ROTH: Im Moment sind wir nicht besonders Exit-getrieben, weil es auch richtig viel Spaß macht. Und wir sind noch relativ jung. Natürlich schaut man sich gute Angebote an, wenn sie auf dem Tisch liegen. Aber als Gründer hatte ich nicht die Dollarzeichen in den Augen und wollte das große Geld machen. Im Prinzip habe ich das Produkt verwirklicht, auf das ich selber richtig Lust habe. Einen Exit möchte ich nicht ausschließen, aber es ist nicht so, dass wir dauernd bei Classpass oder anderen anrufen und fragen: ‚Habt Ihr uns schon auf dem Schirm?‘ Das ist nicht das Thema. Das sehen auch unsere Investoren so.

Steht eine weitere Finanzierung an?

BENJAMIN ROTH: Ja, wir wollen weiterwachsen und werden dafür auch eine weitere Runde machen. Die steht im Laufe des Jahres an. Insofern werden wir sicher auch andere Investoren an Bord holen. Wobei das kein Zwangsszenario ist. Wir können es auch ohne schaffen. Deshalb sind wir in der schönen Lage, dass wir gucken können, wer zu uns passt.

Seid Ihr profitabel?

BENJAMIN ROTH: Wir werden 2016 profitabel. Von daher ist der Druck nicht ganz so enorm.

Was war Euer größter Fehler?

BENJAMIN ROTH: Dass wir uns zu spät Mentoren oder Coaches dazu geholt haben, die als Sparringspartner dienen. Wir haben zu selten ein neutrales Feedback eingeholt.

Wo muss man hingehen, um das zu bekommen?

BENJAMIN ROTH: Das ist gar nicht so einfach! Man muss sich ein Netzwerk aufbauen. Im Grunde fängt es mit Networking-Events an, um mit anderen Gründern in Kontakt zu kommen. Es gibt aber auch spezielle Programme wie zum Beispiel ‚Catapult‘ vom Medienboard Berlin. Das sind monatliche Runden, wo sich Gründer treffen, die auf einem ähnlichen Stand sind und viel voneinander lernen können. Das war ein sehr wichtiger Input. Das haben wir gemacht, weil wir gesehen haben: Ok, wir brauchen mehr Austausch mit Leuten, damit wir nicht in jedes Fettnäpfchen reintappen.

Und was habt Ihr richtig gemacht?

BENJAMIN ROTH: Ein großer Erfolg von Urban Sports Club war, dass wir mit den Bäderbetrieben in Berlin eine Kooperation eingegangen sind. Wir haben dadurch 40 Standorte gewonnen, und ich kann als Berliner jetzt tatsächlich in jeder Ecke Schwimmen gehen. Das war eine richtige Entscheidung.

Wie groß ist Euer Team?

BENJAMIN ROTH: Wir sind jetzt zehn Leute. Ein Großteil des Teams kümmert sich um unsere Partner. Dann gibt es natürlich noch die Mitgliederbetreuung und das Marketing.

Und die Programmierung?

BENJAMIN ROTH: Die haben wir intern relativ schmal gehalten, der Rest ist im Moment outgesourct, wobei die IT ein Wachstumsfeld ist. Über kurz oder lang holen wir die in die Organisation rein. Aber das machen wir Schritt für Schritt.

Warum habt Ihr Fitengo übernommen?

BENJAMIN ROTH: Sie passten sehr gut zu unserem Konzept. Zum Beispiel waren die Verträge, die sie mit ihren Partnerstudios gemacht haben, sehr ähnlich. Mitglieder hatten sie natürlich auch, die für uns interessant waren. Aber das Wesentliche war, dass sie in Städten wie Hamburg, Köln und München schon ein paar mehr und andere Partner hatten als wir. So konnten wir unser Portfolio super ergänzen.

Wie geht es jetzt weiter?

BENJAMIN ROTH: Prinzipiell wollen wir in weitere Städte kommen. Als nächstes starten wir in Köln. Weitere Städte möchte ich noch nicht nennen. Deutschland ist der erste Schritt. Ich sehe uns morgen nicht in São Paulo, allerdings möchte ich auch nicht ausschließen, dass es dann doch das europäische Ausland wird. Aber 2016 liegt der Fokus auf Deutschland.

Stehen weitere Übernahmen an?

BENJAMIN ROTH: Das ist möglich. Wenn man sich den Markt anschaut, dann gibt es deutschlandweit zwei Player, die wirklich relevant sind: Das sind wir und Somuchmore, die das Funding von Rocket Internet haben. Ansonsten gibt es lokale Player, die in einer Stadt unterwegs sind oder sich auf Kleinstädte konzentrieren. Mit denen sprechen wir durchaus über Übernahmen.

Die Rocket-Internet-Startups haben in der Regel eine sehr gute Kapitalbasis. Spürt Ihr das?

BENJAMIN ROTH: Wir haben unterschiedliche Zielsetzungen. Rocket kopiert das Classpass-Modell aus den USA. Die sind sehr auf Kurse und Frauen ausgerichtet, während wir einen breiteren Ansatz verfolgen. Daher fischen wir in unterschiedlichen Segmenten. Was für den Markt auch sinnvoll ist.

Gibt es ein Ziel, das Ihr Ende 2016 erreicht haben wollt?

BENJAMIN ROTH: Wir wollen mit Urban Sports Club Ende 2016 das größte Sportangebot Deutschlands anbieten können, was Standorte und Kurse betrifft. Das ist ein hehres Ziel, aber auch ein machbares. Ansonsten ist es für uns wichtig, dass wir beim Thema Motivation weiterkommen. Bei Gamification und Community haben wir auf jeden Fall noch Potenzial und wollen weiter zulegen.

Das Gespräch führte Corinna Visser.

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