Die Sistermag-Gründer im Interview

02/02/2015
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Sistermag – das Journal für die digitale Dame

Theresa, Antonia und Alex – zu Beginn habt Ihr bestimmt auch den Markt der Frauenmagazine analysiert. Wie genau seht Ihr Euch dort positioniert? Steht Ihr in Konkurrenz?

ANTONIA SUTTER: Wir haben Sistermag mit der Idee gegründet, dass wir eine Frauenzeitschrift produzieren wollen, die intelligenter ist als andere, die sich mit Themen beschäftigt, die uns interessieren, weil wir zum Beispiel den Eindruck hatten, dass Technologie nie behandelt wird.

THERESA NEUBAUER: Wir haben die Inhaltsverzeichnisse der ganzen reichweitestarken Frauenzeitschriften verglichen und festgestellt, dass diese sich sehr ähneln, selbst die Reihenfolge: Mode, Beauty und am Ende Horoskop. Dann haben wir jene Nischen an Themenfeldern herausgefiltert, die wir besetzen können. Deswegen ist es so, dass wir in einigen Bereichen Konkurrenz sind, Sistermag ist eine Frauenzeitschrift und auch eine Publikumszeitschrift, aber wir versuchen nie andere zu imitieren oder Sachen genauso zu machen, sondern sind von Anfang an in allen Bereichen unseren eigenen Weg gegangen. Ich muss auch ehrlich sagen, seit zwei Jahren lese ich keine Frauenzeitschriften mehr, auch weil ich davon nicht beeinflusst werden will. Toni guckt sich noch den Markt an, aber ich surfe viel mehr und bekomme da meine Inspiration.

ANTONIA SUTTER: Ich glaube, dass viele der klassischen Verlage den Markt noch falsch wahrnehmen. Die sehen sich in Konkurrenz zu Print, aber merken nicht, dass der moderne Nutzer sich seine Informationen inzwischen aus Blogs, aus Youtube-Kanälen, aus allem, was irgendwie digital verfügbar ist, holt. Wir befinden uns mit Sistermag im Wettbewerb mit dieser ganzen Welt, nicht nur mit diesem kleinen Fugenteil Printmagazine für Frauen.

Ihr sollt mit Sistermag inzwischen eine größere Reichweite haben als die Vogue in Print. Ist das so? Wie kommt das zustande?

ALEX SUTTER: Ja, das hat uns der Chef einer Media-Agentur gesteckt. Das ist ein großer Erfolg für uns. Das kommt stark über das Produkt, denn es hat echt gut eingeschlagen. Das war auch der Grund, weshalb wir daraus eine Firma gemacht haben. Der krasse Schritt war, als Apple angefangen hat, uns zu promoten: Seit der dritten Ausgabe ist Sistermag permanent im App-Store-Newsletter, aber auch im allgemeinen App Store werden wir gepusht. Wir waren mit Sistermag zum Beispiel auch unter den besten Apps 2013. Die andere Plattform ist Issuu, ein Zeitungskiosk. Auf der Startseite sind wir auch immer unter den promoteten Formaten. Das war für uns natürlich ein glücklicher Umstand, vielleicht auch ein bisschen das Glück des Tüchtigen. Klar machen wir auch Marketing in Form von Social Media, Aber wir hätten nicht die Mittel gehabt, das Format so richtig in den Markt zu drücken und Werbung zu buchen.

Was habt Ihr denn für eine Reichweite?

ALEX SUTTER: Wir haben konstant etwa 150.000 Leserinnen pro Sistermag-Ausgabe über die verschiedenen Plattformen.

ANTONIA SUTTER: Wenn man eine Weile im Markt ist, geht es auch um die Ausschöpfung, dass man immer wieder diese 150.000 erreicht. Die Reaktivierung der Leser und der Abonnenten ist ein wichtiges Thema für uns.

THERESA NEUBAUER: Dafür schauen wir auch, dass die Inhalte immer wieder neu sind. Wir haben bei Sistermag jedes Mal ein anderes Thema. Das ist immer wieder eine Überraschung, wenn man das Heft aufmacht.

ANTONIA SUTTER: Wir sind quasi Trüffelschweine, wir versuchen immer Themen zu entdecken, die noch nicht so groß sind. Wir konzentrieren uns aber auch stark auf Social Media, da kann man keinen Tag nachlassen.

Ihr seid ja auch auf diversen Plattformen mit Euren Lesern vernetzt. Lasst Ihr Euch auch von ihnen für Eure Ausgaben inspirieren, oder habt Ihr die Konzepte schon so durchdacht, dass da kein Spielraum ist?

THERESA NEUBAUER: Eigentlich beides. Wir haben immer einen gewissen Plan, aber wir lassen uns auch bewusst ein bisschen Spielraum bis eine Woche vor Herausgabe, weil manchmal doch etwas reinkommt, das gut ist. Da kommen definitiv auch Leser, Freunde und Blogger mit dazu und schreiben uns auch häufig. Man kriegt dann manchmal fast zu viel, weil man gar nicht alles verwenden kann.

ANTONIA SUTTER: Wichtig bei Sistermag ist der Leitfaden „passionate beats professional“. Wir suchen eher nach Kontributoren, die mit Leidenschaft an den Themen dran sind, als nach ausgebildeten Journalisten, denen man anmerkt, dass sie kein Interesse an der Thematik haben.

ALEX SUTTER: Wir sind auch keine Plattform, die existierenden Online-Content bündelt und wiedergibt, sondern die Leute arbeiten für uns etwas aus und werden dafür bezahlt, also ist es im strikten Sinne Auftragsarbeit. Liberaler sind wir damit, was weiter mit dem Content geschieht, also Leistungsschutzrechtdebatte. Wir freuen uns, wenn das an weiteren Stellen genutzt wird, solange dies mit Verweis auf uns geschieht.

ANTONIA SUTTER: Das ist aus unterschiedlichen Gründen wichtig, einerseits der reine Traffic, der so reinkommt, aber natürlich auch diese ganze SEO-/SEM-Sache. Je mehr organische Links man überall hat, umso besser ist das Ranking, und das merkt man natürlich.

Ihr habt Euch ja über Content-Marketing und quasi aus Eurer eigenen Tasche finanziert. Könnt Ihr uns mehr zu Eurer Monetarisierungsstrategie verraten?

ALEX SUTTER: In unserer Vergangenheit sind wir ja mit YOC den klassischen Startup-Weg ein Mal von Anfang gegangen. Daraus haben wir geschlussfolgert, dass wir das Thema nach Möglichkeit selber stemmen wollen. Damit haben wir die Komfortzone zwar verlassen, aber das Potenzial war absehbar, zumal Thea vor unserem Einstieg bereits die ersten Kunden hatte. Glücklicherweise ist es uns bisher gelungen, dass wir keinen Investor einbinden mussten, sondern dass wir von dem, was wir erwirtschaften, leben können.

Was beziehungsweise wie erwirtschaftet Ihr denn? Das Magazin ist ja kostenlos.

ALEX SUTTER: Sistermag hat in der Regel 250 bis 350 Seiten pro Ausgabe und wir bezahlen die Kontributoren. Deswegen ist es wichtig, dass Einnahmen reinkommen. Wir haben uns ganz klar dagegen entschieden, vom Leser Geld zu nehmen, denn für uns war es in erster Linie wichtig, Reichweite zu bekommen. Das bedeutet, das Geld muss aus Werbung kommen und da setzen wir weniger auf ein klassisches Anzeigenmodell. Wir versuchen im Rahmen des Content Marketings gemeinsam mit Partnern, die zu uns passen, rund um Produkte Geschichten zu entwickeln. Der Anspruch dabei ist, dass die Leserin sagen kann: „Ich sehe, das ist Werbung, man will mich nicht auf den Arm nehmen, aber das ist gut gemacht und trotzdem informativ.“ Wir danken unseren Partnern im Inhaltsverzeichnis auch für ihre Unterstützung. Wir wollen aber lieber weniger Kunden aus verschiedenen Bereichen, mit denen wir längerfristig zusammenarbeiten, schon allein wegen der redaktionellen Glaubwürdigkeit. Das ist gar nicht so einfach für mich mit meiner Marketingbrille, denn ich habe noch einen ganz guten Kontakt zu McDonalds, und da meinten die Mädels „Burger passen nicht zu uns, das wollen wir nicht haben“. Wir haben also eine etwas umfangreichere Blacklist, was die Vermarktungsmöglichkeiten angeht, als andere. Dafür kriegen wir aber überwiegend positive Rückmeldung auf die Integration.

Ihr seid Hidden Champions, also Ihr habt Euren Erfolg, aber haltet Euch eher bedeckt. Wie kommt das? Und wieso ist gerade jetzt der richtige Zeitpunkt, ein wenig von Euch zu erzählen?

ALEX SUTTER: Wir haben den Kopf bisher noch nicht aus dem Maulwurfsbau herausgesteckt, weil wir bewusst zusehen wollten, dass wir ein paar Schritte vorankommen und relevant werden, was die Reichweite angeht. Bisher haben wir auch keine Pressemitteilungen versendet, wir haben nicht Gründerszene gesagt „Hallo, uns gibt‘s“, obwohl es sicher leicht gewesen wäre, Sistermag visibler zu machen. Das hier ist für uns auch ein Debut. Die Art, wie ihr uns angesprochen habt und was ihr vorhabt, entspricht auch dem, wie wir uns gerade initial präsentieren. Das ist eine sehr schöne Plattform und es schmeichelt uns natürlich, wenn wir als Hidden Champions dargestellt werden. Daher ist das ein ganz passender Start um Öffentlichkeitsarbeit zu beginnen. Wir werden dennoch weiterhin eher unterm Radar segeln.

THERESA NEUBAUER: Ja, die Leserinnenakquise war uns erst einmal wichtiger. Die Leser von Gründerszene würden wahrscheinlich nie das Sistermag lesen. Das ist einfach nicht unsere Zielgruppe. Daher sind wir eher zu einer Möbelmesse gefahren und haben uns mit Lifestyle-Bloggerinnen getroffen.

Aus Eurer Perspektive, warum die klare Entscheidung gegen Print?

THERESA NEUBAUER: Ursprünglich wollten Toni und ich beweisen, dass auch eine kostenlose Online-Zeitschrift wertig und professionell sein kann und ein gewisses Qualitätsversprechen vorzeigen kann. Mittlerweile ist es so, dass wir von den Vorteilen vom Sistermag, wie die Layouts mit Links, Videos und Sound-Snippets und so weiter, komplett überzeugt sind. Das würde im Print wegfallen und uns ist das zu wichtig.

ALEX SUTTER: Wir sind gar nicht dagegen, denn wir hassen Print nicht. Es ist bloß eine Frage des Fokus. Im Digitalen ist manches möglich, was in Print nicht geht. Deswegen sagen wir, wir konzentrieren uns darauf.

Springer möchte der führende digitale Verlag werden. Aus welchen Erfahrungen von Euch könnten die denn was lernen? Der Trend ist ja schon, dass Große auch von Kleinen lernen.

ALEX SUTTER: Empfehlungen geben wollen wir nicht, denn das wäre wahrscheinlich ein bisschen vermessen, als Zwerg der wir sind, aber wir können ja sagen, was aus unserer Sicht funktioniert. Ich finde vieles, was Springer macht, echt gut im Digitalbereich, also brauchen die unsere Tipps nicht unbedingt, sondern die machen viel richtig. Aber was wir wissen, was funktioniert, ist, dass man wirklich für digital produziert, das ist der Hauptunterschied. Wir haben kein PDF und setzen im Nachzug einen Link rein, sondern wir produzieren in Schriftgröße 23, denken auch immer gleich mit, wie wir das für die Social-Media-Kanäle aufbereiten können und schauen, dass wir gleich viel mehr Content haben, als am Ende im Magazin zu sehen ist. Thea hat nicht nur einen Fotografen dabei, sondern gleich noch einen Videografen, der den Fotografen aufnimmt. Digital zu denken ist für uns leicht, denn wir kommen aus dem digitalen Bereich. Das ist eine völlig andere Nummer, wenn du jetzt eine Redaktion hast mit 200 Redakteuren, die alle immer Print gemacht haben. Da ist es sinnvoll, das erst einmal in kleinen Einheiten zu starten und zu gucken, dass man wirklich für digital produziert.

THERESA NEUBAUER: Viele Redakteure wollen nicht mit ihrem Bild und Namen dastehen, was wir aber von Anfang an gemacht haben. Alles kommt besser an, wenn ein persönliches Gesicht dahinter ist. Deswegen sind Blogger ja so erfolgreich, wenn sie zeigen, wie sie wohnen oder was sie essen. Das bedeutet eine gewisse Überwindung, aber so haben viele Leser das Gefühl, dass sie uns beide kennen. Auch bei Mitarbeitern suchen wir nach Leuten, die das okay finden, mal auf Facebook mit einem Bild zu erscheinen. Natürlich frage ich am Anfang, aber wenn sie ein ganz großes Problem damit haben, ist es schon schwieriger. Somit identifiziert man sich auch viel mehr mit dem Medium, mit dem man arbeitet, weil man mit seinem Gesicht dafür steht, was man da macht.

ANTONIA SUTTER: Ich glaube, das ist wirklich ein Learning aus dem Internet, denn alle die im Online-Bereich eine eigene Marke aufgebaut haben, sind sehr persönlich, aber persönlich in einer neuen Art. Denn es ist irgendwie nicht die echte Persönlichkeit, sondern man schafft sich eine Internet-Persona.

ALEX SUTTER: Das ist schon die echte Persönlichkeit, aber es ist nur ein Ausschnitt der Offline-Person.

Wenn Ihr träumen dürft, wo seht Ihr Euch in fünf Jahren mit Carry-On Publishing? Was würdet Ihr Euch wünschen?

ALEX SUTTER: Mein Hauptwunsch ist, dass wir weiterhin in der Gruppe hier sitzen.

ANTONIA SUTTER: Dass wir noch mehr Titel im Portfolio haben. Wir möchten beweisen, dass wir auch andere Titel können, das war ja eigentlich die Vision.

THERESA NEUBAUER: Dass wir auch damit die gleiche Qualität halten, also, dass wir nicht nur Titel machen, um Titel zu machen. Ich würde mir auch wünschen, dass wir in der Internationalisierung weiter sind.

Das Gespräch führte Claudia Lunscken.