Holoplot:

„Vor unserem Lautsprecher ist es genauso laut wie 80 Meter weiter“

05/05/2017
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Roman, auf Eurer Website steht, Ihr löst das größte Problem in der Audiotechnik. Welches ist das?

Roman Sick: Das größte Problem ist, dass man Schall nicht kontrollieren kann. Wenn ich den Lautsprecher anmache, geht der Ton in alle Richtungen, egal ob das ein iPhone ist, die Bose-Anlage oder das professionelle PA-System beim Open-Air-Konzert. Durch die kugelförmige Ausbreitung geht viel Energie auf der Distanz verloren. Je weiter ich mich von einem Lautsprecher entferne, desto schlechter wird die Qualität.

Das ist Physik, wie kann man die ändern?

Roman Sick: Wir erzeugen eine andere Art von Schallwellen. Es sind keine Kugelwellen, sondern Wellen, die sich planar – also eher flach – ausbreiten und seitlich stark begrenzt sind. Dabei geht deutlich weniger Energie verloren. Je nach Systemgröße hat man bei uns erst ab etwa 80 Metern Distanz einen Verlust in der Lautstärke, das heißt, es ist direkt vor dem Lautsprecher genauso laut wie 80 Meter weiter. Das ist ein riesiger Unterschied. Die planaren Wellen können wir über Software sehr präzise in unterschiedliche Richtungen lenken, ohne dass wir den Lautsprecher bewegen müssen. Das erlaubt es uns, ganz genau zu bestimmen, wo etwas zu hören ist und wo nicht. Auch die störenden Reflexionen können wir zu einem Großteil vermeiden und dadurch eine extrem hohe Audioqualität auch auf weite Entfernung erzeugen.

„Bei uns hat man erst ab etwa 80 Metern Distanz einen Verlust in der Lautstärke, das heißt, es ist direkt vor dem Lautsprecher genauso laut wie 80 Meter weiter“

Was ist Eure Erfindung dabei?

Roman Sick: Unser System funktioniert so, dass eine hohe Anzahl an Lautsprechern in Mikrosekunden eine planare Wellenfront aufbaut. Jeder unserer Lautsprecher hat eine eigene IP-Adresse und über die Software können wir präzise steuern, was jeder Lautsprecher in jedem Moment macht. So erzeugen wir eine Wellenfront, die in eine bestimmte Richtung geht oder wir erzeugen auch mehrere gleichzeitig, die dann in unterschiedliche Richtungen gehen.

Präzise angesteuert: Das Holoplot-System sorgt dafür, dass man im Raum an unterschiedlichen Stellen verschiedene Dinge hört. (Bild: Holoplot)

Macht die Firma schon Umsatz?

Roman Sick: Ja, durch die ersten Pilotprojekte. Wir gehen jetzt aber erst richtig mit den ersten Kunden an den Markt.

Sucht Ihr weitere Investoren?

Roman Sick: Wir sind mitten in der Finanzierungsrunde. Wir wollen einen siebenstelligen Betrag aufnehmen. Für ein Hardware-Produkt ist das immer etwas schwieriger.

Wo liegen die Schwierigkeiten?

Roman Sick: Die liegen darin, ein ziemlich komplexes Produkt einfach zu erklären. Man muss sich ein bisschen Zeit nehmen, um das wirklich zu verstehen. Viele Investoren schließen Hardware sogar kategorisch aus. Andere sind erstmal skeptisch und fragen: ‚Habt ihr schon die ersten Kunden? Ihr hattet sechs Jahre Entwicklungszeit: Ist es jetzt soweit, oder braucht ihr nochmal fünf Jahre?‘ Das alles zusammenzubringen, ist bei Hardware ein bisschen schwieriger, und dann muss man auch oft mehr investieren als bei Software. Der große Vorteil bei unserem Produkt ist aber, dass wir auch eine große Software-Komponente haben und das Produkt stark disruptiv ist.

In welchem Stadium ist Euer Produkt jetzt?

Roman Sick: Unser Produkt ist fertig. Die erste Version wird jetzt verschifft oder verkauft.

Wo produziert Ihr?

Roman Sick: Wir haben Zulieferer für unterschiedliche Komponenten und die Endmontage findet hier statt.

Wie findet Ihr Eure Investoren?

Roman Sick: Vor allem durch unser Netzwerk. Da ist Berlin stark, hier lernt man schnell über Leute neue Leute kennen, und bei Investoren ist das sowieso die sinnvollste Ansprache. Es läuft viel über andere Startups oder über Business Angels. Es ist extrem viel Kommunikation. Mittlerweile kristallisiert sich heraus, für welche Investoren das ein Thema ist und für welche nicht. Ein Großteil der Berliner VC-Landschaft kommt für das Produkt nicht in Frage.

„In Berlin lernt man schnell über Leute neue Leute kennen. Es läuft viel über andere Startups oder über Business Angels“

Ihr habt im März bei der SXSW in Texas den Innovation Award gewonnen. Hat Euch das etwas gebracht?

Roman Sick: Ja, denn der amerikanische Markt ist total interessant für uns. Das liegt an der Größe und am Einsatz von Audio in allen möglichen Bereichen, allen voran in der Entertainment-Industrie – die ist einfach deutlich größer als in Deutschland oder Europa. Und die Amerikaner sind offener gegenüber neuer Technologie und begeisterungsfähiger. ,Wow that’s great. I want this’, das haben wir dort oft gehört.

Wollte auch jemand gleich kaufen?

Roman Sick: Das passiert bei so einem System nicht so einfach. Aber es gab auf jeden Fall ein paar sehr interessante Kontakte aus der Musikszene und zu Investoren. Allerdings fragen die immer nach einer Präsenz in den USA und wollen erst dann mit einem sprechen. Aber wir haben jetzt ein paar Kontakte an der West Coast, die für uns relevant sind. Wir hatten vorher schon Kontakte in die USA und müssen nun überlegen, wann wir tatsächlich in den Markt reingehen.

Wenn das der größere und bessere Markt ist, warum sitzt ihr dann noch in Tempelhof?

Roman Sick: Wir würden nicht Europa skippen, um direkt in die USA zu gehen.

Von links nach rechts: Adrian Lara ist Head of Product, Roman Sick ist CEO und Erfinder Helmut Oellers ist Head of R&D (Bild: Alexander Freundorfer)

Warum nicht?

Roman Sick: Um den US-Markt richtig anzugehen, müssen wir volle Präsenz da drüben zeigen. Wir haben aber momentan eine große Nachfrage in Deutschland, warum sollen wir die nicht erst bedienen und dann mit einem wirklichen Partner-Case und Distributoren-Netzwerk rübergehen und gleich einen guten Auftritt dort haben? Ich gehe lieber richtig in den US-Markt, als da so durchzustolpern. Und dann ist da noch das Thema Zertifizierung: Wir brauchen eine Zulassung für 110 Volt und müssen die ganzen Sicherheitsstandards erfüllen, die dort für Hardwareprodukte gelten. Das bereiten wir jetzt vor. Wir wollen zeitnah in den US-Markt, aber wir canceln deswegen nicht die Nachfrage aus Europa.

Wie groß ist der Markt insgesamt?

Roman Sick: Das ist schwierig zu beziffern, der professionelle B2B-Audiomarkt liegt zwischen zwölf und 15 Milliarden Dollar weltweit. Die Frage ist, was man alles dazuzählt: den Veranstaltungsmarkt und PA-Systeme auf jeden Fall, die ganzen Lautsprecher auf Bahnhöfen oder Flughäfen wohl eher weniger. Der große Vorteil unserer Technologie aber ist, dass wir ein Problem im Audiobereich lösen und zwar in ganz unterschiedlichen Branchen. Das kann auch die Fabrikhalle sein, wo gezielte Warnungen an Fabrikarbeiter gerichtet werden. Überall wo Akustik eingesetzt wird, kann dieses Produkt eine sehr gute Lösung sein, gerade wenn es ein bisschen komplexere Umgebungen sind. Damit hat man ganz unterschiedliche Segmente, die man mit dieser Technologie bedienen kann.

Über die selbst entwickelte Software wird eine große Zahl Lautsprecher gleichzeitig angesteuert (Bild: Holoplot)

Ihr wart im Accelerator-Programm der Deutschen Bahn. Was hat das gebracht?

Roman Sick: Vor allem, dass wir in extrem kurzer Zeit mit der relevanten Unit der Deutschen Bahn zusammenarbeiten konnten. Wenn man von extern an die Bahn rangeht, dauert das Jahre, bis man einen Ansprechpartner hat. Wir hatten nach sechs Wochen am Frankfurter Hauptbahnhof ein System installiert und alle wichtigen Leute der Bahn sind vorbeigekommen, das war der große Vorteil.

Wie sieht Euer Geschäftsmodell aus?

Roman Sick: Unser Geschäftsmodell ist in Hardware und Software unterteilt. Wir haben eine Hardwarekomponente, wenn der Kunde sich das System anschafft. Dann erwirbt er außerdem eine Softwarelizenz. Die Software wird sich unheimlich weiterentwickeln in der Zukunft. Wir suchen jetzt vor allem Software-Engineers, um das Interface zu verbessern und weitere Features in die Systemlandschaft zu integrieren. Da ist noch ein Riesenpaket an Aufgaben. An der Hardware muss ich nicht viel verändern, aber über eine verbesserte Software kann ich aus dem System später mehr Leistung rausholen.

Das Gespräch führt Corinna Visser.

[td_block_text_with_title custom_title=”ROMAN SICK”]Roman ist seit 2016 geschäftsführender Gesellschafter bei Holoplot. Er hat an der Zeppelin Universität studiert und seinen CEMS Master an der ESADE in Barcelona gemacht. Noch während des Bachelors hat er seine erste Firma gegründet. Im Anschluss ging er zu Rocket Internet und setzte verschiedene Projekte mit Berliner VCs um.