EY Public Value Award

Mal eben schnell die Welt retten

15/07/2016
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Ein Interview zum EY Public Value Award

Public Value wird derzeit bei Konzernen und Organisationen, ja sogar bei Fußballklubs ganz groß geschrieben. Warum?

TIMO MEYNHARDT: Letztlich gibt es nichts, was eine Geschäftsidee stärker legitimiert, als ihr Beitrag zum Gemeinwohl. Ein solcher Public Value eines Unternehmens ergibt sich aus mehreren Aspekten: moralisch-ethische wie finanziell-ökonomische, politisch-soziale wie hedonistisch-ästhetische. Es geht um eine bestimmte Sicht der Dinge, etwa: Leistet die Erfindung einen Beitrag zu besserer Mobilität, und ermöglicht sie dadurch mehr Lebens-qualität? Trägt das gesamte Geschäftsmodell zu Wachstum und Wohlstand einer Gesellschaft bei? Ist es anständig, diesen Service anzubieten? Der Award soll Ideen mit gesellschaftlicher Relevanz sichtbar machen. Er soll Gründer anregen, das eigene Geschäftsmodell auf den gesellschaftlichen Mehrwert zu durchleuchten.

Was haben Unternehmen konkret von Public Value?

MICHAEL BÄTZ: Die gesellschaftliche Akzeptanz und die Wertschätzung eines Unternehmens haben nachhaltige Auswirkungen auf den eigenen Erfolg. Es ist heute entscheidend, sich im Kontext der gesellschaftlichen Zusammenhänge zu sehen und zu verstehen. Kein Start-up, kein Großunternehmen schwebt im luftleeren Raum. Eine positive Außenwahrnehmung der Unternehmen wirkt sich letztlich auch immer positiv auf das Geschäft und die Loyalität der Kunden aus. Immer mehr Unternehmer erkennen die Relevanz dieses Ansatzes und machen Public Value zu einem wichtigen Thema in ihrer Chefetage.

Wie lässt sich Public Value als Beitrag zum Gemeinwohl messen?

TIMO MEYNHARDT: Public Value lässt sich nach dem Wert bestimmen, den die Menschen in der Gesellschaft den Dienstleistungen und Produkten eines Unternehmens beimessen. Die Bevölkerung, also die Bürgerinnen und Bürger, bestimmen diesen Wert, nicht allein Politiker, Chefs oder Klubpräsidenten. Public Value ist vor allem auch öffentliche Wertschätzung. Messen kann man dies, indem man die relevante Öffentlichkeit befragt, worin sie den Gemeinwohlbeitrag des Unternehmens oder der Organisation sieht. Das Ergebnis ist eine Darstellung der Einstellungen und Werthaltungen gegenüber einem Unternehmen, einer bestimmten Organisation, aber zum Beispiel auch einem bestimmten Fußballklub entlang einzelner Dimensionen.

Es geht bei Start-ups also um mehr als um das Kern- oder Tagesgeschäft?

MICHAEL BÄTZ: Richtig. Entscheidend für die Zuerkennung eines Public Value ist, inwieweit ein Unternehmen zum Beispiel zum Zusammenhalt in der Region oder zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen beiträgt. Es werden aber auch  Fragen nach Kategorien wie Moral und Anstand gestellt. Nicht zuletzt zählt auch die Erlebnisqualität des Produktes oder der Dienstleistung – also ob ein Unternehmen für positive Erlebnisse beiden Kunden sorgt. Gemeinwohl entsteht aus positiven Erfahrungen. Es ist vordringlich das, was die Gemeinschaft festlegt. Oder wie es so treffend im Englischen heißt:Public Value is what the public values. Es ist nichts, was man aus Statistiken, Geschäftsberichten oder Bilanzen ableiten kann, sondern etwas, das in den Köpfen, Herzen und im Bauch der Menschen entschieden wird.

Wie können Start-ups die Welt verbessern?

MICHAEL BÄTZ: Start-ups sind der kreative Motor der Wirtschaft. Sie entdecken Problemstellungen oder Fragen, die die großen Unternehmen oft nicht im Blickfeld haben, und finden hier neue, profitable Lösungsansätze. Junge Unternehmen sind ein wichtiger Teil der Gesellschaft. Sie nehmen mit ihrer einzigartigen Perspektive einen ganz besonderen Einfluss darauf, wie sich unsere Gemeinschaft, ja unsere Welt, entwickelt. Start-ups tragen auf ganz unterschiedliche Art und Weise etwas zum Gemeinwohl bei. Worin dieser Beitrag besteht, hängt vor allem von dem jeweiligen Geschäftsmodell ab.
TIMO MEYNHARDT: Unser Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass sich alle Organisationen, auch die ganz jungen und noch wachsenden Start-ups, aus der gesellschaftlichen Akzeptanz ‚ernähren‘, um zu wachsen. Umgekehrt leisten sie mit ihren Produkten und Dienstleistungen einen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung. Das ist bei Neugründungen nicht anders als bei Fußballklubs, großen Unternehmen oder beim Bäcker um die Ecke. Der Unterschied zwischen Start-ups und Großkonzernen liegt im beschränkteren Wirkungskreis und der geringeren Aufmerksamkeit für erstere. Start-ups kommen bei der Entwicklung des Gemeinwohls ins Spiel, indem sie gesellschaftliche Trends aufgreifen, Geschäftsideen entwickeln und diese kreativ nach vorn tragen. Hierbei können sie unter Umständen auch die drängendsten Probleme in Wirtschaft und Gesellschaft angehen.

Was bringt der EY Public Value Award jungen Unternehmen?

MICHAEL BÄTZ: Leider wird der Beitrag von Start-ups zum Public Value von der Öffentlichkeit oft nicht erkannt oder unterschätzt. Der EY Public Value Award setzt an genau dieser Stelle an. Zum einen soll der Preis jungen Unternehmern helfen, den Mehrwert innovativer Geschäftsmodelle sichtbar zu machen. Zum anderen geht uns es um mehr als nur eine bessere Wahrnehmung. Wir wollen Start-ups auch den Rücken stärken, selbstbewusst gegenüber Investoren, der Öffentlichkeit und möglichen Partnern aus den Reihen der Corporates aufzutreten. Die Gründer können mit breiter Brust auftreten und haben den Beweis, dass ihr Tun sich positiv auf die Gemeinschaft auswirkt.
TIMO MEYNHARDT: Wir sehen auch in der Forschung, dass das Motiv des eigenen Erfolgs stark mit dem Wunsch verbunden ist, etwas Nützliches für die Gesellschaft zu leisten. Gründer wollen nicht nur wirtschaftlich erfolgreich werden, sich einen Status erarbeiten oder ihre eigenen Ideen umsetzen. Sie möchten auch einen Beitrag dazu leisten, die Probleme dieser Welt zu lösen und unseren Planeten ein ganzes Stück besser zu machen.

Ist der EY Public Value Award nur gut für das Ego, oder steckt hier mehr drin?

TIMO MEYNHARDT: Es gibt einen sehr offensichtlichen Nutzen für Unternehmen: Gründer können sich gegenüber Investoren und der Öffentlichkeit legimitieren. Auf der anderen Seite stellt der Preis auch eine Art Rückversicherung dar, auf einem guten Weg zu sein, der Gesellschaft nicht zu weit voranzueilen, den Nerv zu treffen, etwas zu bieten, das als wertvoll benannt oder eingeschätzt wird. Außerdem: Ich persönlich glaube auch tief und fest aus der psychologischen Theorie heraus, dass es für jedes einzelne Unternehmen eine Art von Befriedigung ist, etwas zu leisten, das über den nun mittelbaren eigenen Gewinn hinausreicht. Es geht darum, sich zu verwirklichen und der Gesellschaft etwas zu geben, das Anerkennung findet. Dies stärkt natürlich auch das Ego. Also mit anderen Worten: Public Value kann auch im positiven Sinne ein Egobooster für junge Unternehmer sein – und zur Stärkung der eigenen Identität beitragen. Es hat etwas zutiefst Befriedigendes, sich als jemand zu sehen, der Probleme anpackt und die Gesellschaft voranbringt – anstatt bloß Defizite zu beklagen.
MICHAEL BÄTZ: Der Public Value Award und das Engagement für das Gemeinwohl zahlen sich als unternehmerischer Erfolg aus. Das Startup wird von der Gesellschaft und den eigenen Zielgruppen positiv wahrgenommen. Public Value ist ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor für Unternehmer. Der EY Public Value Award hat aber auch sehr konkrete, handfeste Vorteile für Start-ups. Die Preise bieten Zugang für jeweils einen Vertreter des Unternehmerteams zu hochinteressanten internationalen und nationalen Veranstaltungen. So stehen das Strategic Growth Forum in Palm Springs (16. bis 20.11.2016) und Rom (9. und 10.2.2017) ebenso auf dem Programm wie eine mögliche Teilnahme an der German Valley Week 2017, die vom Bundesverband Deutsche Startups organisiert wird.

Was würden Sie jungen Start-ups mit auf den Weg geben?

TIMO MEYNHARDT: Unser Rat an junge Gründer: Betrachtet euer Geschäftsmodell von Beginn an auch aus Perspektive der Gesellschaft. So erkennt ihr die Bedürfnisse der Zielgruppe besser und könnt ganzheitlich auf die Gemeinschaft eingehen. Ein Beitrag zum Gemeinwohl rechnet sich. Wichtig ist, dass er nicht nur gut gemeint, sondern auch gut ge-
macht ist. Unternehmertum hat wenig damit zu tun, einfach nur die Welt retten zu wollen. Es geht nicht um Naivität, sondern darum, in Finanzierungsrunden zu bestehen und langfristig finanziellen Erfolg zu haben. Hier kann es sehr gut und nützlich sein, wenn der unternehmerische Nutzen Hand in Hand mit dem Gemeinwohl geht. Oder anders formuliert: Ein Unternehmen oder Start-up wird langfristig nicht erfolgreich sein, wenn es dauerhaft das Gemeinwohl verletzt. Studien zeigen zunehmend, dass sich die Orientierung an gesellschaftlichem Mehrwert, insbesondere Nachhaltigkeit, auch für Unternehmen auszahlt. Das gilt für Start-ups und Corporates.