Mehr Risikokapital:

Londoner Startups überholen die Berliner

16/08/2016
header image

Die Party ist schon wieder vorbei. Noch bis vor kurzen konnte Berlin damit werben, London als die heißeste Startup-Metropole in Europa überholt zu haben. Als Maßstab galt das Volumen des Risikokapitals, das die Startups in den beiden Städten einsammeln konnten. Doch inzwischen hat sich die Lage wieder verändert – und nicht nur London hat Berlin beim Risikokapital weit überholt.

Berliner Start-ups konnten im ersten Halbjahr nur noch ein Investitionsvolumen von 520 Millionen Euro auf sich vereinen. London (1,3 Milliarden Euro), Stockholm (1,0 Milliarden Euro) und auch Paris (673 Millionen Euro) lassen die deutsche Hauptstadt somit deutlich hinter sich. München hält sich mit 182 Millionen Euro auf Platz acht in Europa – und ist damit als einzige weitere deutsche Stadt in den Top Ten.

Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2015 führte Berlin mit einem Investitionsvolumen von 1,5 Milliarden Euro noch deutlich vor London (eine Milliarde Euro). Das sind Ergebnisse des Start-up-Barometers der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Die Studie beruht auf einer Analyse der Risikokapitalinvestitionen in Europa

[clickToTweet tweet=”„Die Zahl der Finanzierungsrunden in Deutschland geht deutlich nach oben.“ – #Start-up-Barometer @EY” quote=”„Die Zahl der Finanzierungsrunden in Deutschland geht deutlich nach oben.“ – #Start-up-Barometer @EY”]

Mehr Finanzierungsrunden – aber weniger Kapital

Doch nicht nur die Berliner sondern Deutschlands Startups insgesamt haben im ersten Halbjahr 2016 deutlich weniger Geld durch Finanzierungsrunden eingenommen als im Vorjahreszeitraum, hat EY errechnet. Der Gesamtwert ist demnach von knapp zwei Milliarden Euro auf 957 Millionen Euro um mehr als die Hälfte eingebrochen. Gleichzeitig ist die Zahl der Finanzierungsrunden deutlich nach oben gegangen: Sie stieg um 60 Prozent auf 249.

Ey Startup Barometer August 2016

Europaweit fielen die Veränderungen weniger deutlich aus: Der Gesamtwert der Risikokapitalinvestitionen fiel um lediglich vier Prozent von 6,7 Milliarden Euro auf 6,4 Milliarden Euro. Die Zahl der Finanzierungsrunden stieg dagegen um 40 Prozent auf 1.113.  Im europäischen Ländervergleich ist Deutschland beim Investitionsvolumen auf den dritten Platz zurückgefallen – Großbritannien mit einem Volumen von 2,2 Milliarden Euro und Schweden mit 1,0 Milliarden Euro haben sich auf die Plätze eins und zwei geschoben, wobei in Schweden vor allem die 900-Millionen-Euro-Finanzierung von Spotify zu Buche schlägt.

Einmaleffekte verzerren das Ergebnis

Vor einem Jahr führte Deutschland noch deutlich die europaweite Rangliste an. Aber ähnlich wie jetzt in Schweden waren es auch damals außergewöhnlich große Finanzierungen im dreistelligen Millionen-Bereich für Delivery Hero und Rocket Internet sowie Kreditech, die für den kräftigen Zuwachs sorgten.

Daher sieht EY in der Entwicklung auch keinen negativen Trend: „Auf den ersten Blick wirken die Zahlen bedenklich: Das deutschlandweite Investitionsvolumen bricht um mehr als die Hälfte ein und obendrein verliert das lebendige und kreative Berlin gegenüber anderen europäischen Hauptstädten wie London oder Paris“, sagt Peter Lennartz, Partner bei EY. „Doch ein zweiter Blick zeigt ein positives Bild: Immer mehr deutsche Start-ups erhalten frisches Kapital, es gibt immer mehr mittelgroße Finanzierungsrunden.“ Dies zeige, dass deutsche Jungunternehmen für Investoren so attraktiv seien wie nie zuvor. Ohne die genannten Einmaleffekte des Vorjahres habe sich das Investitionsvolumen im ersten Halbjahr 2016 in Deutschland sogar erhöht. „Unterm Strich zeigen die aktuellen Zahlen, dass die Startup-Szene in Deutschland erwachsen geworden ist und auf einer breiteren Basis steht als je zuvor“, schließt Lennartz aus den Zahlen.

[clickToTweet tweet=”„Berlin fällt beim Investitionsvolumen hinter London, Stockholm und Paris zurück.“ – #Start-up-Barometer @EY” quote=”„Berlin fällt beim Investitionsvolumen hinter London, Stockholm und Paris zurück.“ – #Start-up-Barometer @EY”]

Dass mit dem Rückgang der Investitionssumme gleichzeitig die Anzahl der Investitionen zunahm, wertet Lennartz als gutes Zeichen: „Das ist ein Beleg dafür, dass die Zahl der kleineren Frühphasenfinanzierungen erheblich zugelegt hat und damit eine gesunde Basis für zukünftiges, nachhaltiges Wachstum gelegt wurde.“

Klarer Trend bei Investoren: Fintech hängt E-Commerce ab

Es zeichnet sich auch klar ab, was bei den Investoren momentan im Trend liegt: Betrachtet man die Zahlen von EY, dann hat das Thema Fintech den E-Commerce klar überholt. Denn mit 229 Millionen Euro floss das meiste Geld in Startups aus dem Bereich Fintech. Das bedeutet zwar einen leichten Rückgang gegenüber den 252 Millionen Euro im Vorjahr. Doch im E-Commerce ist das Investitionsvolumen – vor allem weil Großinvestitionen aus dem Rocket-Internet-Umfeld ausgeblieben sind – von 1,4 Milliarden Euro auf 144 Millionen Euro noch weit deutlicher geschrumpft. Dennoch blieb der E-Commerce-Sektor Spitzenreiter bei den Finanzierungsrunden: Mit 61 Runden im ersten Halbjahr 2016 lag er noch vor Software- und Analyseunternehmen (45 Runden) und den Fintechs (25 Runden).

Ähnliche Artikel