Goodgame:

„Wir wollen die Majors dieser Welt herausfordern"

02/05/2016
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Christian Wawrzinek von Goodgame im Interview

Wie seid Ihr auf Spiele gekommen?

Christian Wawrzinek: Kai und ich haben schon als Kinder viel mit dem Computer gespielt. Angefangen haben wir mit einem alten Sharp MZ-800. Das war noch so ein Ding mit Kassette. Dann ging es mit dem C64 weiter. Aber wir hatten eine Leidenschaft, die noch größer war: das Unternehmertum. Wir hatten nicht von Anfang an vor, Games zu machen, aber uns war klar, dass wir unternehmerisch tätig werden wollen. So sind wir ins Studium gegangen. Mein Bruder hat Jura studiert, ich Zahnmedizin. Da kann man sein eigenes Geschäft führen und unternehmerisch etwas aufbauen.

Ihr seid sehr schnell sehr groß geworden. Was waren die wichtigsten Faktoren, die das beschleunigt haben?

Christian Wawrzinek: Ein Faktor ist die Zeit. Wir haben unglaubliches Glück, heutzutage Produkte bauen und sie weltweit vertreiben zu können. Unsere Eltern konnten das nicht. Ein weiterer Faktor ist unsere große Ambition. Als wir mit Gaming angefangen haben, wollten wir erreichen, was Bigpoint erreicht hat. Wir haben mit Hochachtung auf Heiko Hubertz und die ganze Firma geschaut. Welche Rolle Ambition spielt, sehen wir immer wieder im Silicon Valley. Das ist jedes Mal sehr inspirierend. Die Leute beschäftigen sich dort viel mehr mit der Zukunft und glauben daran, dass jeder den Status quo verändern kann. Elon Musk zum Beispiel sagt: ‚Deutsche Firmen sind zwar schon seit über 100 Jahren im Automobilgeschäft. Ich werde sie trotzdem herausfordern.‘ Auch uns hat die Ambition weit gebracht. Und wir hatten das Glück, wirklich tolle Mitarbeiter einzustellen. Das ist vermutlich der wichtigste Faktor: das Team.

Ist das Team wirklich Glückssache?

Christian Wawrzinek: Wir haben immer viel dafür getan, nur die Besten auszuwählen. Das ist sehr aufwändig. Und um das auch umzusetzen, arbeiten bei uns etwa 80 Leute in der Personalabteilung. Wir haben vermutlich den härtesten Auswahlprozess in der Branche. 98 Prozent der Leute, die sich bei uns bewerben, kriegen keinen Job. Wenn man das mit den Elite-Unis der USA vergleicht, ist das sehr wenig: Dort kommen immerhin fünf bis sieben Prozent der Bewerber rein.

Warum so streng?

Christian Wawrzinek: Nur die besten Leute bauen die besten Produkte, die wiederum die besten Umsätze machen. Das hat sich bei uns bewahrheitet. Es gab Beispiele von Unternehmen, die in der Wachstumsphase irgendwann keine Interviews mehr geführt, sondern jeden eingestellt haben, der programmieren konnte. Das hat sich später gerächt. Daraus haben wir gelernt. Ich glaube, zum Beispiel Google ist noch wählerischer als wir. Unter anderem wohl auch, weil sie noch viel mehr Bewerbungen bekommen. Wir bearbeiten pro Monat etwa 10.000 Kandidaten, 5000 Bewerbungen und 5000 über aktive Ansprache. Die durchlaufen dann alle einen sehr harten Auswahlprozess. Und Glück ist wie erwähnt auch immer notwendig.

Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur?

Christian Wawrzinek: Eine ganz wichtige. In der westlichen Unternehmenskultur – außer vielleicht im Silicon Valley und in gewissen Teilen der Startup-Szene – ist es Usus geworden, eher keine Fragen zu stellen. Denn Fragen gelten schnell als ein Zeichen von Schwäche: Ich weiß halt die Antwort nicht. Aber es gibt so viele Fragen, die man nicht selbst beantworten kann, und es ist wichtig, eine Kultur des Fragenstellens zu etablieren. Man muss selbst eine Art Schwamm sein, der Wissen aufsaugt, und so stets versuchen, die besten Antworten zu finden. Wir versuchen eine Kultur zu etablieren, in der jeder Fragen stellen und auch Antworten geben kann. Das kann der Praktikant sein, der CEO oder jeder dazwischen. Jeder kann seinen Beitrag leisten und seine Ideen einbringen.

Welche Kommunikationskanäle nutzt Ihr?

Christian Wawrzinek: Es gibt bei uns Townhalls, diverse Meetings, Slack, E-Mail oder unser internes Wiki. Um auf verschiedenen Ebenen zu kommunizieren, haben wir verschiedene Kanäle. ‚Management unplugged‘ ist einer. Das sind regelmäßige Runden, wo jeder etwas fragen oder Vorschläge direkt ans Management machen kann. Und es gibt klar kommunizierte Ansprechpartner für bestimmte Probleme. Menschen, die sich um Strukturen, Prozesse ebenso wie soziale Probleme oder Benefits kümmern. Und wir haben elektronische Feedback-Terminals, über die anonymisiert Probleme gemeldet werden können.

Was kennzeichnet einen typischen Mitarbeiter von Euch?

Christian Wawrzinek: Den typischen Mitarbeiter gibt es nicht. Es gibt ein paar grundsätzliche Kriterien, aber sonst sind die Leute total unterschiedlich. Zu diesen Kriterien gehören zum Beispiel Lernwille, kein Statusgehabe und ein hoher Anspruch an die Ergebnisse. Problematisch finde ich zum Beispiel, wenn jemand in ein Interview kommt und sagt: ‚Ich weiß schon alles, ich bin der absolute Experte und akzeptiere keine anderen Meinungen.‘ Dann wird der vermutlich nicht weit kommen bei uns. Wir kommunizieren auf Augenhöhe. Nur wenn die Leute, die in der Hierarchie oben stehen, auch andere Meinungen akzeptieren, kommen wir zu den besten Lösungen. Dieses Modell ‚Genie mit tausend Helfern‘, wie antiquierte Firmen funktionieren, das wird in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr ausreichen, um die besten Ideen zu finden.

Wie würdest Du Euer Geschäftsmodell charakterisieren?

Christian Wawrzinek: Das ist für alle Spiele relativ ähnlich, auch wenn sie verschiedene Zielgruppen haben. Grundsätzlich ist alles kostenlos. Du kannst ausprobieren, testen, spielen, solange du willst, ohne jemals etwas zu zahlen. Mehr als 90 Prozent der Leute spielen – zum Teil über Jahre – und zahlen niemals. Nur ein kleiner Teil der Leute bezahlt etwas. Das ist deutlich vorteilhafter und passt besser zu unserer Zeit als die herkömmlichen Modelle, wo man bereits vor der Nutzung der Inhalte den vollen Preis bezahlt und die Katze im Sack kauft.

Trotzdem seid Ihr doch ein umsatzorientiertes Unternehmen.

Christian Wawrzinek: Natürlich ist es wichtig, Umsatz zu machen. Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen, und natürlich freuen wir uns, wenn Leute dabei bleiben und bezahlen. Aber an allererster Stelle steht der Spielspaß. Und das auch für eine lange Zeit. Unser Ziel ist es nicht, den schnellen Dollar zu machen, sondern Produkte zu bauen, an denen die Leute viele Jahre Spaß haben.

Kannst Du den Prozess schildern, wie ein Produkt bei Euch entsteht?

Christian Wawrzinek: Es ist ähnlich wie bei einem Investor, der überlegt, in welche Startups er investiert. In der Art betrachten wir auch die Spiele am Anfang. Wir machen Budgets frei für Teams, die eine gute Idee haben, und lassen sie dann ihre Konzepte nach erfolgreichem Pitch auch umsetzen.

Die Teams treten gegeneinander an?

Christian Wawrzinek: Ja, auch. Aber wir sagen nicht: ‚Wir haben nur ein Budget X frei, und der Beste gewinnt das.‘ Wir sind immer offen für gute Ideen. Das ist total wichtig. Genauso wie es wichtig ist, dass die Ideen nicht nur von oben vorgegeben werden. Der CEO sagt: ‚In die Richtung laufen wir‘, und alle anderen marschieren hinterher. Das funktioniert nicht. Das Team muss von der Idee überzeugt sein. Aber natürlich geben wir Rahmenbedingungen vor wie: Zielgruppe, Plattform, Umsatzpotenzial. Dann kreieren die Teams Ideen und pitchen vor einem Expertengremium, das das Potenzial der Idee bewerten muss. Dieser initiale Pitch ist das erste Gate, das ein Spiel vor der Produktion passieren muss.

Es gibt also mehrere Stufen?

Christian Wawrzinek: Ja, wir haben einen Innovationsprozess mit mehreren Gates, also mit mehreren Präsentationen vor einem Expertengremium. Wenn das sagt ‚Okay, gute Idee!‘, dann ist das erste Gate bestanden. Beim zweiten Gate ist das Konzept schon deutlich verfeinert, und unter Umständen gibt es schon einen Prototypen.

Kann es dann noch kippen?

Christian Wawrzinek: Absolut, jederzeit kann ein Spiel kippen. Diese Gates gibt es mindestens einmal im Monat, und es ist wichtig, dass die Experten ein Projekt jederzeit mit Auflagen versehen oder sogar stoppen können. Auch hier kommt unsere Unternehmenskultur zum Tragen: Das ist dann kein Fehler, kein Drama, sondern das ist gut, weil wir wieder was gelernt haben. Wir wissen jetzt, worauf wir kein Geld mehr verwenden.

Wie geht es weiter?

Christian Wawrzinek: Beim zweiten Gate werden dann mehr KPIs abgefragt: Budget, Zeit, Ressourcen und ein paar weitere Faktoren. Und so gibt es immer weitere Gates, bei denen das Team immer größer wird, das Budget wächst und das Spiel produziert wird – bis zum Technical Launch. Da ist das Spiel einigermaßen fertig produziert, ein Minimum Viable Product. Wir glauben sehr an die Lean-Startup-Methoden im Entwicklungsprozess. Wir starten dabei ein neues Produkt auf nur einem Markt und schauen für wenige Wochen, ob die Technik funktioniert. Wenn alles okay ist, kommt als nächstes der Soft Launch auf mehreren Märkten. Tritt der Businessplan so ein, wie wir uns das vorgenommen haben, wird das Produkt noch weiter entwickelt bis zum Global Launch. Dann geht das Spiel in diversen weiteren Märkten live.

Wie funktioniert Euer Marketing?

Christian Wawrzinek: Es sind im Grunde drei große Bereiche, aus denen die Nutzer kommen: Marketing, Partnerschaften und Organics. Bereits mit dem Businessplan am Anfang überlegt der Spiel-Verantwortliche, welche Nutzeranteile woher kommen sollen. Im Marketing setzen wir auf Banner, TV und Online-Videos – immer Performance-basiert.

Wobei TV kein klassischer Performance-Kanal ist.

Christian Wawrzinek: Es gibt Effekte, die man auch da gut messen kann. Ganz einfach geht das über eine extra TV-Landingpage. Alle Leute, die etwa Spielname.tv eingeben, die rechne ich TV zu. Komplizierter, aber genauso wichtig ist die Zuordnung von Registrierungen im zeitlichen Umfeld eines TV-Spots. Und schließlich gibt es beim Fernsehen zusätzlich Branding-Effekte. Wenn ich intensiv TV-Werbung mache, steigt das Vertrauen in mein Produkt. Und grundlegende KPIs verbessern sich dann in den Märkten, wo ich viel TV mache. Zum Beispiel springen weniger Leute aus einem Spiel ab oder zahlen häufiger.

So etwas analysiert Ihr auch?

Christian Wawrzinek: Klar, wir sind sehr zahlen- und datengetrieben, und wir arbeiten sehr wissenschaftlich – in allen Bereichen. Das ist vielleicht auch ein Erfolgsfaktor. Wir lernen hypothesengetrieben, das ist ganz wichtig. Eine Hypothese könnte also lauten: ,Ist es besser für das Produkt, wenn nach einem Angriff auf eine Burg der Verlierer nicht seine Ressourcen verliert?‘ Wir testen dann mit einem A/B-Test, ob diese Hypothese stimmt. Das Vorgehen lässt sich auf viele Bereiche bei uns anwenden.

Wie wichtig sind die anderen Bereiche, aus denen die Nutzer kommen?

Christian Wawrzinek: Performance-Marketing inklusive TV ist ein großer Bereich. Ein weiterer sind die Partnerschaften mit Webseiten wie beispielsweise Bild.de. Für alle Nutzer, die über diesen Weg kommen, werden die Umsätze geteilt. Das ist eine sehr transparente Sache. Partnerschaften kann es auch mit App-Stores eben mit Google, Apple oder anderen. Der dritte Bereich sind Organics. Also Leute, die über Mund-zu-Mund-Propaganda oder über die Suche zu uns kommen. Die ersten zwei Bereiche sind relativ klar berechenbar. Der letzte ist schön, aber schwer planbar. Viralität kann man nicht vorhersagen.

Wann wisst Ihr, ob ein Spiel ein Hit wird?

Christian Wawrzinek: Das weiß man erst deutlich nach dem Global Launch. Wir haben zwar Experten im Unternehmen, die das Potenzial eines Spiels beurteilen können. Aber wir haben gelernt, dass echte Marktdaten stärker sind als Meinung: ‚Data beats opinion.‘ Deswegen schauen wir sehr früh, ob die KPIs unter Marktbedingungen stimmen. Da gibt es ganz schweizerisch objektive Analysten, die neutral bewerten, ob ein Spiel die Ziele erreicht oder nicht.

Wie definiert Ihr einen Hit?

Christian Wawrzinek: Am Ende des Tages ist es natürlich der Umsatz, den ein Produkt machen muss. Aber das weißt du erst, nachdem es passiert ist. Das heißt, du musst eine Menge Indikatoren betrachten, die einen zukünftigen Umsatzerfolg nahelegen. Auch da sind wir datengetrieben. Je früher ich weiß, ob ein Spiel fliegt, desto besser kann ich mein Marketing steuern. Wir haben viele mathematische Experten, die Bewertungsmodelle bauen, mit denen nach wenigen Tagen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden kann, ob ein Nutzer lange im Spiel bleiben, ob er viel oder wenig Geld ausgeben wird. Das mathematische Modell erlaubt uns, die Nutzer zu kategorisieren. Darauf basierend kann unser Marketing dann Kampagnen aussteuern. Das Marketing kann sehr granular auf kleinste Kanäle runtergehen und sehen: ‚Der Traffic lohnt sich, da drehe ich hoch; die Kampagne ist Mist, das lasse ich.‘

Und wann ist ein Spiel nun ein Hit für Euch?

Christian Wawrzinek: Das kommt total auf das Spiel an. Wir machen dazu keine Angaben.

Gibt es bei Euch einen maximalen Cost per Install (CPI), den Ihr nicht übersteigt?

Christian Wawrzinek: Auch da gibt es keine einfache Antwort. Zwischen dem günstigsten und dem teuersten Kanal liegt Faktor 1000. Wenn ich in Indien über Suchmaschinen Nutzer gewinne, dann kostet das wenige Cent. Und es kann sich unter Umständen nicht lohnen. Wenn ich auf den teuersten Kanälen, zum Beispiel über TV, Nutzer in einigen Ländern einsammele, komme ich auf einen zweistelligen Eurobetrag. Das ist sehr teuer, aber es kann sich – richtig umgesetzt – gut rechnen.

Was sind für Euch die wichtigsten Märkte?

Christian Wawrzinek: Das ist ganz verteilt. Wir sind in Deutschland recht stark. Das ist vermutlich sehr natürlich, weil man den Heimatmarkt am besten versteht. Zu den wichtigsten Märkten zählen aber auch Japan, die USA, Frankreich, Brasilien, Russland und UK.

Hast Du einen Marketing-Geheimtipp für Startups?

Christian Wawrzinek: Versucht alles, was geht, zu messen! Hört nicht auf den Marketingberater, der euch nicht verrät, wie gut etwas funktioniert! Das ist alles Käse, da verdient nur einer dran, und das seid nicht Ihr. Wir machen Marketing datengetrieben und Performance-basiert. Das hat uns sehr geholfen.

Produziert Ihr nur in Deutschland?

Christian Wawrzinek: Ja. Wir haben zwei kleine Außenstellen in Tokio und in Seoul. In Japan und Korea ist es teilweise rechtlich vorgeschrieben, vor Ort eine rechtliche Dependance zu haben, um Server zu mieten und so weiter. Und der zweite Aspekt ist Vertrauen. Das ist in Asien total wichtig.

Was ist mit China und den USA?

Christian Wawrzinek: China ist sehr spannend, aber auch megaschwierig. Das steht nicht als Priorität auf unserer Agenda. Wir kommen über Apple und iOS nach China, ohne viel Aufwand. Aber wenn wir dort wirklich eigene Services haben wollen, müssen wir mit chinesischen Payment-Anbietern und Vertriebspartnern zusammenarbeiten, dann wird’s haarig. Da gibt es jede Menge Schauergeschichten. Aber langfristig ist es wichtig für uns, nicht nur in Hamburg zu produzieren, sondern auch in den USA und in Asien. Die Chance wollen wir irgendwann nutzen.

Wie bereitet Ihr das vor?

Christian Wawrzinek: Wir haben die Produktion im vergangenen Jahr auf sechs Studios aufgeteilt. Vorher haben wir alles unter einem Dach produziert und gemerkt, dass wir zu langsam sind und zu wenig produzieren. 2014 und 2015 haben wir jeweils nur ein Spiel herausgebracht. Also haben wir entschieden, dass die Teams autarker werden sollen, eigene Entscheidungen treffen können und ein bisschen agiler werden. Diese sechs Studios haben nicht nur den Vorteil, dass sie jetzt deutlich mehr Output generieren. Wir haben eine volle Pipeline, sieben Launches sind für dieses Jahr geplant. Es kann passieren, dass davon etwas gekillt wird, aber das ist immer möglich. Ein anderer Vorteil ist, dass es die Trockenübung für den Aufbau weiterer Studios international ist.

Wo seht Ihr Euch in drei Jahren?

Christian Wawrzinek: Wir wollen auf jeden Fall größer werden. Wir sind überzeugt, dass wir brillante Mitarbeiter brauchen. Aber wir glauben auch, dass wir eine gewisse Größe brauchen, um ganz nach vorne zu kommen. Darüber kann man lange und philosophisch diskutieren. Supercell ist ein spannendes Gegenbeispiel. Die sind nur 180 Leute und dominieren die Umsatz-Charts. Aber die sind die Ausnahme. Unsere Ambition ist, ganz nach vorne zu kommen. Wir wollen die etablierten Majors dieser Welt herausfordern. Das wird noch einige Jahre dauern. Aber wir glauben, dass es möglich ist – insbesondere mit dem Free-to-play-Geschäftsmodell.

Die Majors experimentieren auch damit.

Christian Wawrzinek: Genau. Die Uhr tickt. Free-to-play wird immer stärker und Retail irgendwann verdrängen. Deswegen gibt es eine Art Wettrennen zwischen den Majors und Leuten wie uns auf der PC-Client-Platt- form. Wir sind sehr stark im Bereich Mobile und Web, aber auf dem PC und den Konsolen gibt es nur wenig Free-to-play. Das ist ein riesiger Wachstumsbereich für die Zukunft. Da wollen wir rein, da wollen aber auch die Majors gerne rein.

Wie stark seid Ihr im Bereich Mobile?

Christian Wawrzinek: Web und Mobile machen jeweils etwa die Hälfte des Umsatzes aus. Ich glaube, Mobile ist nur ein kleiner Tick weniger. Wir sind im Web mit Poker gestartet und dann 2013 auf Mobile gegangen. Wir waren ganz schnell die erfolgreichste App eines deutschen Entwicklers. In 22 Ländern auf Platz eins der Umsatz-Charts, in knapp 100 Ländern waren wir auch Top Ten. Wir sind seitdem der stärkste App-Entwickler aus Deutschland.

Müsst Ihr Apple auch 30 Prozent abgeben?

Christian Wawrzinek: Klar. Es wäre schön, wenn man das sparen könnte, aber das ist im Marketing eingepreist. Apple und Google nehmen ihre 30 Prozent. Bei Facebook Canvas ist das ähnlich.

Wie seid Ihr finanziert?

Christian Wawrzinek: Das ist auch einer der Erfolgsfaktoren. Wir sind nach wie vor selbstbestimmt und nicht investorengetrieben. Wir haben 2007 mit der Altigi GmbH angefangen. Goodgame ist die Marke, mit der wir nach außen treten. Wir haben in kleinem Stil Webseiten eingekauft, zum großen Teil Spiele-Webseiten, die werbefinanziert waren.

Wie habt Ihr das ohne Investor geschafft?

Christian Wawrzinek: Wir haben uns einen 500.000 Euro Bankkredit von der Hamburger Sparkasse geholt, zusammen mit der KfW und der Bürgschaftsgemeinschaft. Wir sind bei denen damals ziemlich aus dem Rahmen gefallen. Die hatten bis dahin eher Gründungen von Zahnarztpraxen, Kfz-Betrieben und so weiter finanziert. Aber sie haben an uns und das Team geglaubt und wussten, zur Not werden wir dann doch Zahnarzt und Rechtsanwalt und stottern die Summe ab. 2009 haben wir dann beschlossen, weiter zu wachsen. Wir wollten damals einen Fonds auflegen, zehn Millionen Euro, aber dann kam uns die Finanzkrise in die Quere. Wir haben dann den Schritt in die Spieleentwicklung gewagt und mit Poker angefangen. Das hat so gut funktioniert, dass wir die Firma bis 150 Leute aus dem Cashflow aufbauen konnten.

Und dann?

Christian Wawrzinek: 2011 wollten wir ins Performance-Marketing einsteigen. Das ist sehr kapitalintensiv, deshalb haben wir uns einen Investor reingeholt. Das war damals Oliver Samwer über den European Founders Fund. Heute gehört der Fund zu Rocket. Oli ist ein super Investor, besser hätten wir uns das nicht vorstellen können. Wir haben 3,3 Millionen Euro reingeholt und 15 Prozent des Unternehmens abgegeben. Das war es an Investment bis heute.

Wollt Ihr den Anteil zurückkaufen?

Christian Wawrzinek: Das wäre natürlich sehr sehr teuer – wir haben vermutlich eine etwas höhere Bewertung als damals.

Ihr wollt auch kein weiteres Investment?

Christian Wawrzinek: Wir wollen möglichst wenig Einfluss durch Investoren haben. Als die Social Games in waren, sind alle auf Facebook gegangen. Die Investoren haben damals alle gesagt: ‚Das müsst ihr auch machen.‘ Wir haben gesehen, dass das ein riesiges Haifischbecken ist und nicht zu uns passt. Es war für uns immer sehr positiv, selbst das Steuerrad in der Hand zu haben. Wir denken sehr langfristig, das war auch einer unserer Erfolgsfaktoren. Investoren schauen häufig nur wenige Monate oder Jahre in die Zukunft, und dann wollen sie ihren Return haben. Das ist langfristig aber unter Umständen schlecht für die Unternehmung.

Wie verhält sich Oliver Samwer als Investor?

Christian Wawrzinek: Oli funkt nur wenig rein. Seit dem Rocket-Börsengang müssen wir einen Tick mehr berichten. Aber ich glaube, wir haben uns unternehmensbezogen nur zweimal getroffen – kurz vor und nach dem Investment. Er hat damals gesagt: ‚Jungs, von Gaming verstehe ich nichts, aber ich kann Euch eine Menge sonstige Tipps geben, Kontakte vermitteln, Dinge zeigen, die bei uns gut funktioniert haben.‘ Und wann immer du was brauchst, kannst du Dich bei Oli melden. Total pragmatisch. Er gibt dir Hilfestellung oder einen Kontakt. Uns steht auch die Rocket-Infrastruktur offen. Wir sind zwar ein Teil von Rocket, aber wir sind ein eher untypisches Rocket-Investment.

Das Gespräch führe Jan Thomas.