„Gründer zu sein ist eine neue Sache im Iran“

29/01/2016
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Die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen den Iran stehen unmittelbar bevor. Viele deutsche Firmen warten bereits darauf. Sogar während des Embargos betrug das bilaterale Handelsvolumen zwischen Deutschland und dem Iran mit seiner Bevölkerung von 80 Millionen Menschen knapp 2,4 Milliarden Euro. Nach dem Wegfall der Sanktionen könnte das Volumen nach Schätzungen von Wirtschaftsverbänden fünf Milliarden Euro oder mehr erreichen. Experten sehen vor allem für Tech-Firmen großes Potenzial. Auch iranische Firmen bereiten sich vor.

Für die Startups dort ist der Wegfall der Sanktionen eine zweischneidige Sache. Die Abschottung des Landes haben viele Startups als Chance genutzt, erfolgreiche Geschäftsmodelle zu kopieren. Der Amazon-Klon zum Beispiel heißt Digikala, ist der erfolgreichste Online-Händler im Mittleren Osten und wurde bereits 2014 im World Startup Report mit 150 Millionen Dollar bewertet. Er muss wohl nicht um seine Zukunft bangen. Anders sieht es womöglich beim Mobile-App-Store Cafe Bazaar aus, wenn Google ihm direkt Konkurrenz macht. Die Startups können künftig zwar in westliche Märkte expandieren – sind aber dann auch dem Wettbewerb ausgesetzt und müssen damit rechnen, geschluckt zu werden. „Wir werden eine Menge Akquisitionen sehen“, sagt zum Beispiel Farhad Hedayatifard vom Startup Taskulu voraus. „Gerade versuchen viele Startups so groß zu werden, dass es einfacher ist, sie zu kaufen, als sie vom Markt zu fegen.“

Das Auswärtige Amt hat iranische Startup-Unternehmer nach Berlin eingeladen, um das hiesige Ökosystem kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen. Das Goethe-Institut hat den Besuch organisiert, unter anderem waren die Iraner zu Gast bei Axel Springer Plug and Play, Klab, Ableton, Lesara, EyeEm und Wunderlist. Berlin Valley News hat mit den iranischen Startup-Unternehmern gesprochen. „Der Austausch mit den iranischen Gründern war außerordentlich spannend. Neben unserem Geschäftsmodell waren sie besonders am Daily Business interessiert“, berichtet Roman Kirsch vom Onlineshop Lesara nach dem Besuch. Das schnelle Wachstum von Lesara habe die Gäste begeistert, sagt er. „Für uns war es gut, Einblicke in die Startup-Branche eines Landes dieser Region zu bekommen. In Teheran gibt es viele Startups, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen wie in Berlin. Durch den Besuch konnten wir unser Netzwerk ausbauen und den iranischen Markt besser kennenlernen.“

Najme Esmaili; Bild: Hannes Meier

Najme Esmaili (26), ist Mitgründerin von Namlik, einer Distributionsplattform für Audio-Artikel und Podcasts. 250 Erzähler gibt es bereits auf der Plattform. Kunden sind digitale und gedruckte Medien. In sechs Monaten hat das Team von fünf Leuten rund 20 Partner und 7000 Nutzer gewonnen. Der Plan ist, eine Plattform ähnlich wie Soundcloud aufzubauen, doch im Moment produziert Namlik vieles noch selbst und verwendet viel Zeit darauf, künftige Anbieter zu schulen.„Gründer zu sein, ist eine neue Sache im Iran“, sagt Najme. „Etwas von Grund auf neu aufzubauen ist sehr hart. Wir sind die erste oder zweite Generation von Startups. Wir legen den Grundstein für zukünftige Entrepreneure. Das ist schwer, aber eben auch sehr wertvoll. Viele wollen Teil dieser Bewegung sein. Ich habe meinen alten Job gekündigt, um neue Sachen auszuprobieren und unabhängig zu sein.“

Farhad Hedayatifard Farhad Hedayatifard; Bild: Hannes Meier

Farhad Hedayatifard (25), Mitgründer und CEO von Taskulu, einer Plattform für Projektmanagement und Kollaboration wie Trello oder Slack. Kunden können das Produkt an die Anforderungen ihrer eigenen Projekte anpassen. Nach dem Launch vor einem Jahr hat Taskulu inzwischen mehr als 18.000 Nutzer, die meisten von ihnen kommen von außerhalb des Landes, unter anderem aus Deutschland und Japan. Bekannt wurde Taskulu, weil Hacker News darüber berichtete.

„Wir sind eines der wenigen Startups im Iran, die auf den internationalen Markt zielen“, berichtet Farhad. Über die Investorenszene im Land sagt er: „Die Investoren im Iran sind meist sehr aggressiv, das heißt, sie wollen möglichst viele Anteile an den Startups. Für eine Seed-Runde muss man 20 bis 30 Prozent abgeben. Ich habe aber auch Gründer gesehen, die mehr als 50 Prozent für 500.000 Dollar abgegeben haben. Es gibt einfach zu wenig Wettbewerb. Das wird sich ändern, wenn die Sanktionen fallen. Außerdem hat die Regierung neue Programme zur Unterstützung von Startups aufgelegt.“

„Der iranische Markt ist sehr attraktiv für Internetunternehmer“

iran_MohammadRashidiKoochi Mohammad Rashidi Koochi; Bild: Hannes Meier

Mohammad Rashidi Koochi (27) ist Gründer und CEO der E-Learning-Plattform Faranesh, die versucht die Lücke zu schließen zwischen der universitären Ausbildung und den Anforderungen der Arbeitswelt. Seit zehn Monaten am Start, bietet Faranesh seinen mehr als 22.000 registrierten Nutzern mehr als 550 Videokurse an, unter anderem in Programmierung und Filmemachen. Kunden kommen auch aus Afghanistan und Pakistan. Faranesh ist bereits Mohammads vierte Gründung. In Berlin interessierte er sich vor allem dafür, wie das Ökosystem aufgebaut ist und wie Startups finanziert werden.

„Der iranische Markt ist sehr attraktiv für Internetunternehmer“, sagt Mohammad. „80 Prozent der rund 80 Millionen Einwohner haben Zugang zum Internet, in großen Städten wie Teheran sind es sogar 100 Prozent. Insgesamt gibt es rund 46 Millionen Internetnutzer im Iran. Schätzungen sagen, dass im Jahr 2015 rund 16 Milliarden Dollar im Netz umgesetzt wurden.“

Bahareh Sobati Azar Bahareh Sobati Azar; Bild: Hannes Meier

Bahareh Sobati Azar (28), Gründerin und CEO vom Bilderportal Rangitar, ein Marktplatz für Fotografen. Kunden sind Medienhäuser, Werbeagenturen, Grafikdesigner und Entwickler. Rangitar baut ein umfangreiches Bildarchiv auf. Wenn die Sanktionen fallen, brauche alle Welt Bilder aus dem Iran, „da können wir sehr hilfreich sein“, sagt Bahareh. Bis jetzt kann man die Bilder außerhalb des Landes nicht kaufen

„Die Märkte im Ausland sind sehr wichtig für uns alle“, ist Bahareh überzeugt. „Viele Unternehmen werden mit iranischen Firmen kooperieren. Bisher war das nur sehr schwer möglich. Alle Startups müssen künftig auf dem globalen Markt konkurrieren. Viele haben dabei vor allem die Märkte in Asien und Europa im Fokus.“

Mahin Vosooghi Mahin Vosooghi; Bild: Hannes Meier

Mahin Vosooghi (30), Content-Leiterin bei der Gutscheinplattform Takhfifan, die bereits 2012 von zwei Schwestern gegründet wurde. Es ist eine Deal-Website nach dem Vorbild von Groupon. Das Team ist inzwischen auf 50 Leute angewachsen.

„Startups im Iran sind noch sehr jung. Die ersten gingen vor vier Jahren an den Markt. Wir können viel von Berlin lernen“, sagt Mahin. Doch auch deutsche Gründer könnten etwas von ihren iranischen Kollegen lernen: „In Deutschland haben die Menschen Angst davor zu scheitern. Das kennen wir im Iran nicht. Wir glauben, wenn man scheitert, kann man sich verändern und besser und besser werden.“ Und noch einen Vorteil habe Teheran gegenüber Berlin: Teheran sei noch preisgünstiger als Berlin und man komme mit seinem Geld einfach weiter. Darum, sagt Mahin, „gibt es Leute, die voraussagen, dass Teheran das nächste Silicon Valley wird“.